Die Nacht wurde noch etwas interessant, denn nicht nur, dass das Schlafen sich wegen Hitze und Mücken und genereller Unruhe schwierig gestaltete, es brannte auch wieder Licht im Haus und auch das Außenlicht war an, sodass ich gegen eins aufstand und es ausmachte. Und dann hörten wir um kurz nach zwei einen Wahnsinnslärm draußen und sahen den Garten hell erleuchtet – als wir nachschauten, sahen wir einen Hubschrauber, der das Tal entlanggeflogen kam und extrem nah über unserem Gelände schwebte. Er flog nach einiger Zeit wieder weg, kam dann zurück und schwebte wieder, wirklich extrem nah und sehr laut. Ich vermutete erst, er suche jemanden (in Tübingen würde man gleich an eine abgängige Person aus der Psychiatrie oder einem Pflegeheim denken), der Liebste ging nach dem Flugmuster davon aus, dass hier wohl eher ein kranker Mensch abtransportiert würde. Aber mitten in der Nacht, und hier quasi „bei uns“ (wo außer uns sonst fast niemand war, klar gab es noch ein paar Hütten, die auch bewohnt waren, aber dicht besiedelt ist das ja nun nicht gerade). Auf jeden Fall flog der Heli nach so 40 Minuten davon und wir gingen schlafen. (…übrigens ohne den Sternenhimmel zu sehen, denn es war in der Nacht bewölkt – ich hatte extra nachgeschaut. Eine ganze Woche in den Alpen und kein einziges Mal den Sternenhimmel gesehen.)
Am Morgen wachte ich um 7:28 und damit zwei Minuten vor dem Wecker auf (braver Biorhythmus). Wir gingen gleich duschen, packten unsere restlichen Sachen zusammen und machten dann das restliche Brot mit Aufstrich zum Frühstück. Beim Essen der kleine Schock: Der Liebste schaute eher aus Routine noch einmal ins Handy nach unserer gewählten Zugverbindung und stellte dabei fest, dass der Zug zwischen Locarno und Zürich ausfiel. Es gab diverse Ersatzverbindungen, bei denen man aber mehrmals umsteigen musste. Die waren zwar nicht langsamer, und da wir keine Sitzplätze reservieren hatten können, war es sowieso egal, welchen wir nahmen, aber wir beschlossen (DB-geschädigt), trotzdem deutlich früh am Bahnhof zu sein und einfach den frühesten Zug zu nehmen, den wir kriegen konnten, um einen Puffer zu haben.
Erst einmal aber unten aufräumen und putzen, wir hatten uns ja für die Nassräume eingetragen. Eine dritte Person, A aus Heidelberg-dann Bremen-jetzt Zürich, hatte schon am Vorabend beide Duschen geputzt, weil sie sehr früh los musste (als wir aufstanden, war sie schon gefahren), wir kümmerten uns noch um Waschbecken, WCs und Böden und waren so nach einer Stunde fertig. Dann noch unser restliches Zeug aus der Küche holen, Fächer im Kühlschrank auswischen und unser aller-allerletztes Zeug zusammenräumen.
In der Küche hörte ich dann beim Aufräumen mit einem halben Ohr das Wort „Heli“ und wollte schon fragen „ach habt ihr den Hubschrauber heute Nacht auch gehört, was da wohl los war“ – aber dann hörte ich ein bisschen genauer zu und fragte nach: Und wie sich herausstellte, war tatsächlich jemand als Notfalltransport abgeholt und ins Krankenhaus gebracht worden, und zwar R, der Vater der zwei Teenagertöchter, die das Zimmer direkt neben uns hatten. Die ältere der beiden Töchter erzählte mir einigermaßen gefasst, dass R nach Locarno ins Spital gebracht worden sei und eigentlich gleich am Morgen wieder hatte zurückkommen wollen, bis jetzt sei er aber noch nicht wieder da. (Unwahrscheinlich, es war erst neun.) Sie waren jetzt etwas unschlüssig und frühstückten erst einmal (die ganzen Dinge wie Packen, Essen zusammenrichten, Kühlschrank leeren und so musste bei ihnen natürlich auch erledigt werden).
Ich war ziemlich erschrocken – mit R hatten wir uns erst am Vorabend noch länger unterhalten, er war ein ganz ausgesprochen netter Mensch und wir hofften sehr, dass es nichts Ernsteres war. Hatten natürlich auch nicht wirklich eine Möglichkeit, viel zu helfen (und hofften, dass die anderen auf der Hütte, die alle später abreisten und sich auch alle untereinander kannten, da noch etwas mit anpacken würden, wovon ich aber schon ausgehe). Ein bisschen ein schlechtes Gewissen hatte ich auch, weil ich nachts um eins ja das Außenlicht ausgemacht hatte, und das eventuell mit dem Notfall in Zusammenhang gestanden hatte (ich hatte sonst allerdings nichts mitbekommen, keine Stimmen oder Leute oder so). Tatsächlich ausgesprochen blöd, dass wir keine weiteren Informationen bekommen konnten, denn so machte man sich natürlich Gedanken, hatte aber keine „Auflösung“.
Nichstdestotrotz waren wir um halb zehn fertig, verabschiedeten uns von allen, brachten noch unsere Bettwäsche nach unten an die Rezeption und stiegen dann ab. Um 10:06 waren wir in Intragna am Bahnhof, und siehe da: Um 10:08 fuhr der Zug nach Locarno. Das war natürlich perfektes Timing (auch wenn ich nicht mehr am Bahnhof aufs Klo gehen konnte und das Klo im Zug abgeschlossen war und ich so warten musste, aber hey, das bin ich ja gewohnt).
In Locarno schauten wir also nach Zügen in Richtung Zürich, und es bestätigte sich, was die App schon gesagt hatte: Keine Direktzüge, nur Verbindungen mit zweimal Umsteigen (die App war in der Hinsicht ein bisschen merkwürdig, weil die ausgefallene Verbindung trotzdem angezeigt wurde, und zwar zweimal, einmal als normale Verbindung, einmal mit „Ausfall“. Das war ausgesprochen verwirrend). Vermutlich war es so, dass der Ausfall nichts Außergewöhnliches, sondern seit Wochen normal ist, denn im Gotthard-Tunnel wird (nach einem Unfall im August 2023) saniert und er ist deshalb bis auf Weiteres Montag-Samstag nicht befahrbar. Wenn wir uns etwas näher damit beschäftigt hätten, hätten wir das also wissen können (C hatte in Zürich so etwas in der Art erwähnt). Nur merkwürdig, dass die App die Verbindung trotzdem anbot. Am Ticket sah man das nicht, denn wir hatten ein Ticket für den kompletten Tag für diese Strecke und nicht für eine spezifische Verbindung.
Wir stiegen also in Locarno in die S-Bahn (!) nach Bellinzona. Sitzplatz ohne Probleme – überhaupt waren zwar viele Leute unterwegs, aber wir konnten in allen Schweizer Zügen immer ohne Probleme sitzen – der Zug fuhr pünktlich ab und wir hatten im Zug uns gegenüber sogar eine nette Schweizerin, die sich mit uns unterhielt. Sie kam aus Zürich, hatte ein Ferienhaus im Tessin und kannte deshalb die Umfahrung schon. Lustigerweise war sie vor über 45 Jahren aus Deutschland in die Schweiz ausgewandert, war also gebürtige Deutsche, sprach aber komplett Schweizer Idiom.
In Bellinzona nahmen wir den IC bis Arth-Goldau, und dort stellten wir fest: Der ursprünglich herausgesuchte IR 46 in Richtung Zürich fuhr hier doch (die App hatte das – wieder – etwas verwirrend dargestellt, das geht besser, SBB). Klar, das war ja auch „nach“ dem Tunnel. Wir mussten also nicht weiter herumsuchen, sondern konnten direkt in den IR einsteigen und kamen um 13:55 Uhr pünktlichst in Zürich an. Eigentlich alles perfekt gelaufen, wir waren nur im Vorfeld so gestresst gewesen, weil wir über die Umstände nicht Bescheid gewusst hatten.
Eigentlich hatten wir einen Zug herausgesucht, mit dem wir um 15:55 Uhr in Zürich gewesen wären (da hätten wir morgens nicht schon um halb zehn gehen müssen – was aber ganz okay war). Der Plan war, in Zürich gemütlich Kaffee zu trinken, dann in den Swatchladen zu gehen, weil meine Uhr im Urlaub stehen geblieben war und eine neue Batterie brauchte, und dann um 18:05 in den Flixbus zu steigen, bis wir dann irgendwann um halb elf daheim gewesen wären.
…jetzt war es aber natürlich zwei Stunden früher, und zwei Stunden in Zürich kann man gut herumbringen, aber vier Stunden (von zwei bis sechs) ist noch einmal deutlich länger und zieht sich. Und dann sah der Liebste, dass um 14:34 ein IC von Zürich nach Stuttgart angeschrieben war. Wir dachten ganz kurz nach, schauten in der DB-App – und entschieden uns, der Deutschen Bahn noch einmal eine Chance zu geben. Ich buchte also das Ticket und reservierte zwei Sitzplätze, stornierte dann den Flixbus (da bekommen wir nicht das ganze Geld zurück, aber egal), und dann hatten wir sogar noch Zeit, um am Bahnhof zwei große Kaffee und eine Flasche Wasser zu kaufen. Und dann stiegen wir in den IC und fuhren um halb drei gemütlich aus Zürich ab. Der Zug war halb leer, der Umstieg in Horb klappte, mit nur 8 Minuten Verspätung (was ja quasi nicht gilt) kamen wir um kurz vor sechs an. Und waren damit zu einer Uhrzeit daheim, zu der wir eigentlich noch nicht einmal losgefahren wären. War also die richtige Entscheidung (vor allem, weil der Zug natürlich problemlos fuhr und nicht plötzlich auf der Strecke stehenblieb oder wir in Schaffhausen aussteigen mussten oder die Klimaanlage ausfiel oder whatever).
Daheim begrüßten wir erst einmal zwei Kater, fütterten beide und machten uns ein bisschen mit ihnen vertraut (Magi gleich der alte, der Kater ein bisschen schüchtern). Die Katzensitterin hatte uns schon den Schlüssel wieder hingelegt. Ich freute mich sehr, dass das so gut geklappt hatte.
Ich öffnete noch die Geburtstagspost, die ich noch so bekommen hatte (ein paar sehr schöne Briefe von alten Freund:innen, ich freute mich sehr). Dabei war lustigerweise auch (ohne Zusammenhang für meinen Geburtstag) ein Brief von der GLS-Bank mit einer neuen Kreditkarte. Ich konnte meine kaputte also direkt ersetzen, sehr praktisch.
Restlicher Abend: Ich räumte alle Rucksäcke und Taschen aus, und dann gingen wir schnell zum Supermarkt nebenan für ein paar frische Sachen (wir waren ja jetzt so früh da!). Der Liebste machte uns einen Topf Penne mit Tomaten, Zucchini und Knoblauch, offensichtlich hatten wir die Pasta noch nicht über. Und dann öffneten (und tranken) wir eine Flasche Rosé, setzten uns auf den Balkon, schauten in den Garten, quatschten ein bisschen. Als Urlaubsabschluss, sozusagen, nahmen wir uns jeder einen Fingerbreit Raasay. Und damit waren wir dann wieder richtig daheim. Sehr schön.