Wir wurden zuverlässig von unserem vierbeinigen Wecker geweckt, der sich hoffentlich recht schnell dran gewöhnt, nicht mehr zweimal täglich eine Schnurr-Creme direkt pur serviert zu bekommen (mit Medikament vermischt). Zumindest fraß er seine Schüssel auch so leer und verschwand wieder im Garten. Wir waren über den frühen Start ganz froh, denn der Liebste hatte einen Termin zum Hinterreifen-Wechsel um acht – sehr früh im Urlaub, aber dann war es wenigstens gleich erledigt. Zunächst einmal gab es aber ein bisschen Geburtstagsgratulation und die traditionelle Torte, die der Liebste am Abend davor fertiggemacht und in den Kühlschrank gestellt hatte.
Ich bin bei meinem Geburtstag ja so, dass ich keine vielen Geschenke brauche, aber ein bisschen Aufmerksamkeit wäre schon okay. So ein bisschen wie das Kindergartenkind, das den ganzen Tag über mit einem Krönchen auf dem Kopf rumlaufen darf. Normalerweise läuft das auf Torte am Morgen, Ausflug oder so etwas tagsüber und Restaurant am Abend heraus. Für diesen Geburtstag hatte ich mir einen klassischen Bienenstich gewünscht – das hatte ich zwar früher nicht oft gegessen, aber in Stina Spiegelbergs Standard-Backbuch (das wir noch nicht so lang haben) war ein Rezept drin. Fazit: Alles sehr lecker, aber auch sehr mächtig, und: Man muss auf jeden Fall die Schicht aus Mandelkaramell oben vorschneiden, sonst wird das nämlich hart und lässt sich nicht mehr schneiden, und dann kann man die Torte auseinanderbauen, bevor man sie aufteilt. Und das wäre doof. Aber trotzdem eine gute Variante einer Geburtstagstorte.
Vor ein paar Tagen hatte ich mir den Neckartal-Radweg im Internet angeschaut und hatte festgestellt, dass die vierte Etappe des Radwegs quasi bei uns vor der Haustür startet (der Weg zum Baggersee ist ja Teil des Neckartal-Radwegs). Und ich kann mir auch nicht genau erklären warum, aber irgendwie hatte sich in meinem Kopf der Gedanke festgesetzt, ob wir das mal probieren wollten. Ich mag wie gesagt Radtouren eigentlich nicht so, aber mir ist so ein bisschen klar geworden, dass das zu einem Großteil an den falschen Mitfahrern lag, und das Problem hatte ich ja jetzt nicht. Ich schlug es also dem Liebsten vor, der gleich dafür war, wir überlegten ein bisschen, ich wollte das Ganze aber nicht so generalstabsmäßig planen (es ist eine Radtour, liebe Güte, keine Himalaya-Expedition). Also war die Geburstagsausflugs-Idee: Eine Neckartal-Etappe, immer den Fluss entlang (und in der Nähe der Bahnlinie, wenn wir unterwegs keine Lust mehr hätten, könnte wir also einfach in den Zug steigen und wieder heimfahren).
Zunächst ging der Liebste los zum TÜV bzw. zuerst zum Reifenhändler, alten Hinterreifen aus- und neuen wieder einbauen. Ich ging währenddessen auf die Yogamatte und bewegte mich einmal durch. Um kurz nach neun war der Liebste wieder da und wir gingen nach einer schnellen Dusche in den Edeka, Essen für den Tag kaufen: Ein bisschen vegane Rügenwalder Salami, irgendein veganer Salat mit viel Mayo auch von Rügenwalder, zwei Brötchen, ein paar Fitnessriegel. Daheim packten wir alles in zwei Satteltaschen, Handtücher und Schwimmzeug dazu, falls sich unterwegs die Gelegenheit ergeben sollte (Spoiler: tat es nicht), einen Apfel, eine Thermoskanne Kaffee und zwei Flaschen Wasser, ein Shirt zum Wechseln, Sonnenmilch, Taschentücher, Handys, Flickzeug und Luftpumpe, fertig. Und um kurz nach elf radelten wir los: Vor uns 50 Kilometer Weg. Ich hatte keine Vorstellung, ob das viel oder wenig war (beim Wandern könnte ich Etappen einschätzen, vom Radfahren habe ich quasi keine Ahnung), mir war nur die Idee, in eine Stadt mit dem Rad zu fahren, für die man mit dem Zug eine Dreiviertelstunde braucht, bisher völlig absurd erschienen. Nun ja.
Und was soll ich sagen? Es ging viel, viel besser als gedacht. So nach einer halben Stunde hielten wir einmal an, um uns großflächig mit Sonnenmilch einzucremen, was eine sehr gute Idee darstellte, denn es hatte zwar nur 25 Grad und Wind, also sehr angenehm, aber die Sonne schien natürlich trotzdem. Solang der Wind von der richtigen Seite kam, konnte man aber prima radeln. Wir wechselten uns mit dem Vornefahren ab, der Bowdenzug hielt (und die Schaltung war richtig eingestellt und hakelte nicht), und irgendwann nahm ich auch meinen drückenden und nervenden Helm ab und stellte fest, dass man am Helm innen die Weite verstellen konnte (nicht nur durch das Drehrad hinten, sondern auch im inneren Helmteil). Ich passte das ein bisschen an, dadurch saß er viel besser und drückte nicht mehr.
Erste Pause gegen halb eins in einem Biergarten am Neckar in einem der vielen kleinen Dörfer und Städtchen, die sich dort zwischen Fluss und Bundesstraße aufreihen. Es war angenehm wenig los (einfach großartig, wenn man solche Sachen nicht am Wochenende macht), wir gönnten uns eine Portion Pommes, ein alkoholfreies Hefe und eine saubere Toilette und fuhren dann weiter. Zweite Pause in Nürtingen auf einer Bank direkt am Fluss, dort machten wir ein Picknick mit den mitgebrachten Brötchen, Mayo-Salat (mir zu säuerlich) und einem Fitnessriegel (der allerdings nicht so gut war).
Nürtingen war so ungefähr auf der Hälfte der Strecke und war in meinem Kopf ein Ausstiegspunkt gewesen, falls das Ganze zu anstrengend würde. Der Liebste schlug vor, den Zug sein zu lassen und ab hier einfach wieder zurückzufahren. Aber es lief gut, ich merkte zwar so langsam meine Beine, aber ich hatte nicht das Gefühl, aufhören zu müssen, und die gleiche Strecke einfach zurückfahren wollte ich erst recht nicht (langweilig). Außerdem war jetzt mein Ehrgeiz gepackt. Also fuhren wir weiter. Ein bisschen schade, dass nach Nürtingen einige Streckenteile kamen, die nicht so wirklich schön zu fahren sind, durch Industriegebiete und teilweise auf der Straße oder auf dem Gehweg, also auch nicht so wirklich sicher (looking at you, Neckarhausen). Aber egal, es gab auch genug schöne Streckenabschnitte. Im Übrigen fuhren wir ohne Karte oder Handy, einfach nach dem ausgeschilderten Radweg, und das ging wirklich völlig problemlos, man wurde richtig schön die Strecke entlang geführt. Keine Ahnung, ob das immer so ist bei Radwanderwegen, da klappte es auf jeden Fall super.
Dritte Pause kurz vor Plochingen mit einem Apfel und dem Kaffee aus der Thermoskanne (wir hätten eigentlich nichts mitnehmen müssen, Biergärten, Cafés und Bistros säumten die ganze Strecke, es gab jede Menge Einkehrmöglichkeiten – zumindest im Sommer und wenn einem die üppigen Preise egal sind). Dann noch ein bisschen Industriegebiet, und schließlich radelten wir nach Esslingen und waren tierisch stolz auf uns. Angekommen waren wir allerdings noch nicht, die Stadt zieht sich unglaublich in die Länge, es waren innerhalb Esslingens noch einmal 4 km zu radeln, bis wir schließlich so richtig im Zentrum waren. Wir machten noch einen kleinen Stopp an einer Apotheke, weil wir tatsächlich vergessen hatten Masken einzupacken (braucht man für den Zug), und dann kamen wir in der Altstadt an, schoben unsere Räder übers Kopfsteinpflaster, grinsten sämtliche Leute an und fühlten uns ausgesprochen cool. Es war halb fünf, wir hatten also fünfeinhalb Stunden gebraucht, inklusive Pausen.
Am Marktplatz setzten wir uns in ein Café für ein Radler und danach noch einen Hafermilchkaffee. Ich wurde ziemlich müde und merkte die Strecke ordentlich in den Beinen (und auch in den Handgelenken). Wir hielten uns also nicht mehr lang in Esslingen auf (das ist zwar eine sehr hübsche Stadt, aber zum Bummeln wären wir eher nicht mehr so in der Lage gewesen, außerdem waren wir auch ganz schön verdreckt), sondern stiegen um halb sechs in eine Regionalbahn. Die war zwar recht voll (Feierabendverkehr), aber unsere Räder fanden noch Platz. Und umsonst mitfahren durften sie auch. Um kurz vor halb sieben waren wir wieder in Tübingen.
In der Nähe des Bahnhofs gingen wir in einen Radladen und kauften zwei Handgriffe für mein Fahrrad, meine lösten sich nämlich auf und machten an den Händen unangenehme schwarze Gummispuren. Dann nach Hause, um sieben waren wir daheim und stellten uns erst einmal unter die Dusche, den ganzen klebrigen Staub abwaschen.
Eigentlich hatten wir ja wegen Restaurant überlegt, aber noch nichts reserviert, und das war auch gut so: Wir merkten beide, dass wir viel zu kaputt waren, um noch groß aus dem Haus zu gehen. Also stellten wir uns in die Küche, der Liebste machte für uns einen Pastítsios und ich mixte uns einen sommerlichen Hugo. Dann Essen, Sofa, etwas Blaulicht, noch ein bisschen Bienenstich und irgendwann ziemlich früh fielen wir zwei müden Radfahrer ins Bett.