Ich war am Vorabend sehr früh ins Bett gegangen, weil ich dachte, ich könnte ein bisschen Schlaf aufholen, das klappte auch so mehr oder weniger, aber früh ins Bett plus sieben Stunden Schlaf ergibt immer noch eine Aufwachzeit um fünf Uhr. Ich stand trotzdem auf und hatte meine kleine Morgenroutine aus Kater füttern, Tee und schreiben. Die Zeit floss so vor sich hin, der Liebste war mittlerweile auch aufgestanden und beschäftigte sich mit Tee und Zeitung, und als ich auf die Uhr schaute, war es zehn nach sieben. Da wir ab sieben Uhr ein Auto gebucht hatten und beide noch im Pyjama dasaßen, wurde es mal kurz hektisch. Wir stellten dann fest, dass wir das Auto doch erst ab halb acht hatten, also passte es genau mit einer schnellen Katzenwäsche, rein in die Arbeitsklamotten und aus dem Haus. Auf dem Weg zum Auto (Stellplatz im Parkhaus vier Gehminuten entfernt) gingen wir zum Bäcker und holten uns ein Frühstück (Laugencroissant gleich auf die Hand, Brötchen dann daheim).
Mit dem Auto daheim angekommen, beschäftigten wir uns vierzig Minuten damit, durch die einzelnen Räume zu gehen und die verschiedenen Kruscht- und Müllecken ins Auto zu laden: in erster Linie die Stapel in meinem Arbeitszimmer, die ich gestern hingerichtet hatte, eine Elektromüll-Ecke auf der Treppe und dann die Werkstatt. Die Werkstatt überließ ich dem Liebsten: Ich konnte zwar einen Stapel identifizieren, weil das Dinge des Berliner Lieblingsmenschen waren, die wir vor seinem Umzug zum Entsorgen aus der Wohnung geholt hatten, aber bei den anderen Sachen keine Ahnung, wenn es nach mir gegangen wäre, hätte man locker die Hälfte einladen und wegwerfen können, aber angeblich waren das alles total wichtige „Materiallager“.
Wie auch immer, am Ende war der Kombi voll bis unters Dach und wir fuhren los. Der Wertstoffhof des Landkreises ist im Nachbardorf, was mich jedes Mal aufregt, weil man automatisch davon ausgeht, dass jeder ein Auto zur Verfügung hat, fixe Abholtermine gibt es nämlich seit diesem Jahr nicht mehr. Fairerweise muss man sagen, dass man mit sogenannten „Müllkarten“ eine Abholung bestellen kann, aber nur einmal pro Jahr, und was macht man, wenn im Frühjahr der Schrank im Kinderzimmer kaputt geht und man im Herbst neue Matratzen braucht? Alles lagern bis zum nächsten Jahr? Das ist nicht optimal gelöst.
Als wir ankamen, gab es schon eine Schlange vor der Einfahrt (wir waren um 20 nach acht da – um acht macht der Wertstoffhof samstags auf, wir hätten wohl um 20 vor acht kommen sollen) also eine knappe halbe Stunde Schlange stehen. Am Einlass bezahlten wir 17,- Euro für die Abgabe, nach einer völlig intransparenten Preispolitik (angeblich spielte die Tatsache, dass wir einen Stapel Leitz-Ordner wegwarfen, eine Rolle – dadurch vermutlich zu viel Restmüll).
Das Wegwerfen ging dann schnell, nach einer Viertelstunde hatten wir das Auto leer und die letzten Reste von meiner Mutter und meinem Bruder waren auf der Kippe gelandet (so fühlte sich das zumindest kurzfristig an – aber das war natürlich Quatsch, wir hatten ja nur Gedöns weggeworfen, daheim hatte ich noch das ganze obere Schrankabteil voller Fotos und Briefe und so weiter).
Auf dem Rückweg kamen wir an einem Obst- und Gemüsestand an einem Erdbeerfeld vorbei und deckten uns ein bisschen ein (weißer Spargel, Gurken, Frühlingszwiebeln, natürlich Erdbeeren und erstaunlicherweise Himbeeren). Alles scheinbar regional, bei den Himbeeren hatte ich ein bisschen meine Zweifel. Aber es gibt ja auch frühe Sorten. Alles ziemlich teuer, aber es sah so hübsch aus und war frisch und vielleicht freut sich jetzt ein Bauer der Region. Und Erdbeeren!
Jetzt war es kurz nach neun und wir hatten immer noch den Kombi, also nutzte ich die Gunst der Stunde und fuhr den riesigen Stapel jetzt leerer Klarsichthüllen und einen Hocker von daheim ins Büro. Den Hocker hatte ich vor ein paar Monaten aus dem Büro nach Hause genommen, um an meinem Arbeitsplatz daheim besser sitzen zu können, mit meinem Schreibtischstuhl war ich nicht so zufrieden. Ich hatte genauer gesagt zwei verschiedene Rollhocker mitgenommen zum Ausprobieren, den einen benutzte ich seitdem gern, den anderen brachte ich jetzt zurück. Wieder ein Ding aus dem Arbeitszimmer weniger.
Endgültig daheim angekommen ging der Liebste duschen und ich einkaufen – es war erst halb zehn und ich wollte vor dem Ansturm kommen. Also Alnatura (vor allem wegen Sojamilch, Joghurt und Tiefkühl-Edamame, außerdem Pilzen) und dm (Waschmittel), dann eine zweite Runde Unverpacktladen (Nüsse und Bohnen). Der Liebste ging parallel noch in den Supermarkt (Schlagfix, Skyr, Hafermilch, Schokolade).
Danach eine kleine Pause mit Laptop auf dem Sofa bis zum Mittagessen (die zweite Hälfte vom chinesischen Take Away, danach Erdbeeren mit Schlagsahne und Espresso – werde ich Erdbeeren mit Schlagsahne noch überbekommen diese Erdbeersaison? Das Experiment).
Nach dem Mittagessen holten wir die Post aus dem Briefkasten. Der Brief von der Diagnostikfirma war gekommen, ich vermutete zuerst, es sei nur die Rechnung, aber nein, es war das Antikörper-Testergebnis: Mein Antikörpertiter ist immer noch sehr hoch, „nach aktuellem Wissensstand haben Sie Immunität gegen SARS-CoV-2“, so der Brieftext. Und das vierzehn Monate nach der Infektion. Das freute mich richtig, richtig sehr, ich merkte, wie ein echter Brocken von mir abfiel. Jetzt werde ich mich erst mal nicht mehr stressen wegen Impfterminen, da gibt es andere, bei denen es wichtiger ist.
Ich wollte gern noch eine kleine Runde rausgehen, aber hatte auf Spaziergang keine Lust, also machten wir das, was man in Lockdown-Zeiten als Event-Ersatz so machen kann: Wir schauten uns den neu eröffneten Aldi in der Nachbarschaft an. Ich war das letzte Mal in Irland im Aldi gewesen (meine Hosts dort gingen quasi nur im Aldi einkaufen). Der Aldi dort war so, wie ich ihn aus Deutschland kannte: Etwas unaufgeräumt, mit viel unnötigem Gedöns auf Sonderflächen und sonst hauptsächlich Eigenmarken.
Dieser hier war anders: Mehr Obst und Gemüse, recht viele bekannte Marken, ein viel höherer Bio-Anteil (ich kann mich in Irland an „organic“ im Aldi überhaupt nicht erinnern) und vor allem eine überraschend hohe Anzahl an veganen Produkten – nicht nur Fleischersatzprodukte (die natürlich auch zuhauf), sondern auch Tofu, Joghurt, Hafermilch… Außerdem waren viele Sachen mit dem Vegan-Siegel von ProVeg (dem ehemaligen Vegetarierbund) ausgezeichnet, also auch z.B. Toastbrot und Säfte, was das Einkaufen sehr erleichtert. Wir nahmen (zu Testzwecken, klar) Vanillejoghurt und Blätterteig mit, der Liebste noch einen Stapel Süßkram (Gummitiere, Cookies und Bonbons). Ich war sehr angenehm überrascht. Wir werden zwar unserer Alnatura plus Unverpackt-Routine treu bleiben (plus Biokiste und gelegentlichem Supermarkt), aber generell finde ich es sehr spannend zu sehen, wie Mainstream vegan mittlerweile geworden ist. Gut gemacht, Vebu und Aldi.
Am späten Nachmittag wollte ich noch eine letzte Sache erledigen, um die Arbeitszimmer-Aktion abzuschließen: Jetzt, wo man den Boden wieder sehen konnte und wieder in die Ecken kam, saugte ich einmal gründlich durch. Und weil ich gerade dabei war und völlig bekloppt, holte ich mir einen Eimer, Schwamm, Lappen und Putzmittel und putzte die Fenster. Im Arbeitszimmer. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich das seit meinem Einzug ins Haus (vor zwölf Jahren) jemals gemacht hätte.
So richtig riesig war der Unterschied dann auf jeden Fall nicht, in Anbetracht der Tatsache, dass ich das Putzwasser fünf Mal wechseln musste. Aber schon okay, vielleicht mache ich das in zwölf Jahren mal wieder.
Jetzt sah das Arbeitszimmer so langsam richtig, richtig verwandelt aus und ich begann mich zu freuen. Es ist erstaunlich, wie viel Ruhe für den Geist leere, aufgeräumte Flächen bedeuten. Hoffentlich werde ich ab Montag am Schreibtisch extreme Produktivitätssteigerungen erleben.
Das Abendessen war wieder einmal ein Eintopf, eine sehr leckere Kombination aus einem der neueren Bosh-Kochbücher mit Paprika, Pilzen, weißen Bohnen (die hatten wir allerdings nicht mehr, ich hatte Sojabohnen stattdessen genommen – funktioniert auch), Kartoffeln und jeder Menge Umami-Zeugs wie eingekochtem Rotwein, Marmite und Shoyu. Ich nahm mir ein Glas Rosé zum Kochen (ein schwerer Rotwein hätte besser gepasst, aber der Rosé war schon offen und der Rotwein, den wir zum Kochen öffneten, ein Geschenk unserer alten Nachbarin, war – nun ja – eben geeignet zum Kochen).
Zum Abend sahen wir ein neues Video von den Quatschnasen (ihren dm-Food Haul, vielleicht sollten wir auch mal ein Aldi-Food Haul-Video drehen, da gibt es offensichtlich Interesse dran), danach dann TNG. Währenddessen passierte mir etwas höchst Seltenes: Ich schlief auf dem Sofa ein. Das war für mich das Signal für das Bett, wenn auch draußen noch hell. Ich las oben mit Mühe und Not noch ein Kapitel (wollte nicht schon wieder am nächsten Morgen um halb fünf aufwachen) und knipste um kurz vor zehn das Licht aus.