Wasser – Donnerstag 15.7.2021

  • Beitrags-Kategorie:Tagebuch

Die Nacht war von Träumen bestimmt, in denen ich mich mit Aufsichten, Schnelltests, Arztterminen und Dokumenten herumschlug – keine tiefere Traumdeutung nötig. Als ich um Viertel nach sechs aufstand, war meine Laune ziemlich im Keller. Der Liebste machte uns einen Smoothie mit Rucola, Staudensellerie und Banane, der zwar sehr gut war, von dem ich aber trotzdem nur einen Teil trank: Zu angespannt, zu verkrampfter Bauch, zu unruhig.

Da die heutige Prüfung später startete, musste ich erst um Viertel nach acht los und war um halb neun da. (Hätte auch nicht früher anfangen sollen, um die elf-Stunden-Pausenregel nicht zu unterschreiten.) Den Kollegen, der in die Nachbarstadt fuhr, verpasste ich leider um 30 Sekunden, er war gerade schon weg, als ich zur Tür reinkam. Wir nehmen mehrmals pro Jahr dieses Prüfungsformat parallel bei uns im Haus und in der Hochschule der Nachbarstadt ab, und der Kollege war dieses Mal für die Hochschule eingeplant, ich hatte ihm ein paar Tage zuvor das Material hingerichtet. Alles völlige Routine, alles schon mehrmals gemacht, trotzdem fühlte ich mich völlig unnötig verantwortlich und schrieb eine Threema hinterher, ob er alles gefunden hätte und alles passen würde. (Ja, natürlich, alles gefunden, alles gut.)

Ich konnte mich also um die Prüfung im Haus kümmern, wo ich allein verantwortlich war, unterstützt von zwei Kolleg:innen, da wir die Prüfung in mehreren Gruppen und damit in mehreren Räumen abnahmen. Die Prüfung hat einen Teil, der digital abgenommen wird, ich war also für den Computerraum und die Technik verantwortlich, hurra. Als wäre der Kontext nicht schon anstrengend genug, gab es noch jede Menge Spezial-Konditionen und -Vorfälle: Eine Teilnehmerin hatte (aufgrund einer Krankheit) die Teilnahme unter gesonderten Bedingungen beantragt und genehmigt bekommen, das bedeutete einen extra Raum mit extra Aufsicht (übernommen von einer jungen Kollegin, die das zum ersten Mal machte, angeleitet werden musste und nervöser war als die Prüfungsteilnehmerin) . Eine zweite Teilnehmerin hatte mich am Vorabend angeschrieben: Sie galt als Covid-genesen, hatte jetzt aber leichte Erkältungssymptome, was sollte sie denn jetzt machen? (Am Prüfungstag morgens einen Schnelltest, dessen negatives Ergebnis sie mir dann zeigte.) Eine dritte Teilnehmerin hatte ihren Ausweis zur Identitätskontrolle vergessen und nur einen Führerschein dabei, was eigentlich in den Prüfungsregeln nicht vorgesehen ist, ich akzeptierte das zwar, musste aber einen Eintrag im Prüfungsprotokoll machen. Eine vierte Teilnehmerin kam mit den Kopfhörern im technischen Teil nicht zurecht, sodass ich sie austauschen musste… (die Kopfhörer, nicht die Teilnehmerin, obwohl ich kurz mit dem Gedanken spielte.) Am Ende klappte alles und lief alles, aber es war schon aufreibend. Mein „Mittagessen“ (Kartoffelsalat, schön durchgezogen) hatte ich um halb vier. (So gesehen hatte der halbe Smoothie erstaunlich lang vorgehalten.)
Die Nachbereitung  dauerte dann auch noch ihre Zeit, der Kollege war aus der Nachbarstadt wieder da und half beim Sortieren und Eintragen mit. Mit allem war ich um halb sieben fertig und konnte heim.

Daheim wurde ich vom Liebsten empfangen, der sich um Haus und Hof und Haushalt gekümmert hatte: Garten gemäht, Kühlschrank voll, Wäsche gewaschen. Ich hatte erst abends erfahren, dass ich für die Arbeit noch etwas brauchte, deshalb gingen wir noch eine schnelle Runde in den Supermarkt (dort kauften wir quasi nur ungesundes Zeugs, aber immerhin auch etwas Sojajoghurt und Maultaschen – semi-gesund). Dann gemeinsames Kochen: Ein deftiger Bohneneintopf mit weißen Bohnen und Kartoffeln, sehr gut und bei dem kalten Wetter (den ganzen Tag Regen und nicht mehr als 19°) genau das Richtige. Dazu eine große Schüssel Blattsalat und eine Nektarine als Nachtisch.

Noch während ich in der Prüfungsaufsicht gewesen war, hatte der Guardian eine Push-Nachricht auf mein Handy geschickt und von über zwanzig Toten bei einer Jahrhundertflut in „Western Germany“ berichtet. Der Bericht las sich wie aus einem Katastrophengebiet in Südamerika und ich dachte zuerst, dass das eine Falschmeldung sein müsste: Dutzende Tote und Vermisste in Westdeutschland? Der Spiegel bestätigte die Meldung leider. Daheim machten wir dann nach dem Kochen erst einmal die Nachrichten an und betrachteten das ganze Ausmaß der Katastrophe. Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal etwas in dieser Art in Deutschland gesehen zu haben: Zwar Flutkatastrophen an der Elbe z.B. oder in Passau, aber das war über ein weniger großes Areal gewesen und vor allem mit nicht so vielen Opfern. Wir schauten noch den ARD-Brennpunkt an, wo ein Meteorologe erklärte, dass es jetzt zwar die letzten Tage erst einmal nicht mehr regnen würde, aber grundsätzlich solche Starkregenereignisse immer wahrscheinlicher würden. In Anbetracht des Wassers bei uns im Keller in den letzten Wochen fürchte ich, dass wir das bestätigen können.