Alles kaputt – Freitag 18.3.2022

  • Beitrags-Kategorie:Tagebuch

Mittlerweile ist es wieder so weit, dass es draußen schneller hell wird, als der Lichtwecker startet: Um kurz vor sechs wachte ich auf, blieb noch ein bisschen liegen und ließ mich vom Kater anschnurren, um Viertel nach standen wir schließlich auf. Unglaublich, dass schon wieder das Wochenende vor der Tür steht und der März schon halb  vorbei ist.
Ich spürte den langen Donnerstag beim Aufstehen buchstäblich in allen Knochen: Am rechten Fuß tat der Großzehballen so weh, dass ich nicht mehr richtig abrollen konnte, beide Schulterblätter waren komplett verspannt (auch das linke, das mit der Maus-Arbeit eigentlich nichts zu tun hat), und auch sonst schmerzte einfach alles. Meine Laune war dementsprechend im Keller – wenn das mit diesem körperlichen Verfall so weiter geht, dann brauche ich in fünf Jahren einen Rollator, Yoga hin oder her (ich habe das Gefühl, es geht gerade schneller bergab, als ich dagegen anarbeiten kann – wer hätte gedacht, dass man einen Vollzeitjob nicht in der Freizeit ausgleichen kann, höhö).

Ein Blick in die Zeitung, wo der Lebensmittelbericht des Landratsamts vorgestellt wurde, die besonders aufsehenerregenden Fälle der Lebensmittelkontrolleure aus der Region. Seit einiger Zeit werden diese unter bestimmten Umständen im Internet veröffentlicht (vom BW-Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft und Bla), und was kann es besseres geben, als noch vor dem Frühstück mal zu schauen, was die Gastrobetriebe im Landkreis so in ihren Großküchen treiben? Im begleitenden Zeitungsartikel hatte extra gestanden, „besser nicht vor dem Frühstück lesen“, aber das schreckte mich nicht.
Tja. Zehn Einträge weiter bereute ich das ein bisschen, denn Jungejunge, ist das teilweise eklig. Zum Glück war nur ein Laden dabei, den wir schon besucht hatten (jetzt dann wohl eher nicht mehr), unsere Stammrestaurants tauchten alle nicht auf. Die grobe Regel ist ja: Wenn jemand ganz neu aufgemacht hat oder wenn es an einem Standort ständige Besitzerwechsel gibt, dann tendenziell eher mal vorsichtig sein. Mal sehen, wie viele von den aufgeführten Einrichtungen in ein paar Monaten noch offen haben (die schlimmsten wurden wohl sofort geschlossen, die anderen haben die Chance nachzubessern, ihr Eintrag wird dann gelöscht).

Auf jeden Fall dann trotzdem Frühstück (Brot mit Erdnussbutter, auf unseren Lieblingsbäcker lasse ich nichts kommen, seine Backstube ist bestimmt safe), dann Arbeit ab halb neun.
Ich startete den Morgen mit einem recht anstrengenden Einzelunterricht – nicht direkt wegen der Person, sie ist grundsätzlich sehr nett, nur sehr energiegeladen, sondern eher wegen des gesamten Kontexts. Sie engagiert sich gerade sehr für ukrainische Flüchtlinge und erzählte von diversen Wohnräumen, die sie hergerichtet hatten, Netzwerken, die sie geknüpft hatten und so weiter. Ich hörte mir das alles natürlich gern an (das ist auch tolle Arbeit), reagierte innerlich aber mit ziemlich negativen Gefühlen: In erster Linie fühlte ich mich defizitär. Als introvertierter Mensch, dem das Netzwerken schon immer schwer fiel (und jetzt mit Home Office erst recht), spürte ich extrem den Kontrast zu meiner Lebenswelt. Ich würde gern mehr tun außer zu spenden und zur einen oder anderen Demo zu gehen (was sich als viel zu wenig, viel zu sinnlos anfühlt), bin aber auf der anderen Seite mit meinen diversen Baustellen schon ausgelastet genug – aber auch das klang in meinen Ohren nach einer ziemlich faulen Ausrede. Hm.
Etwas anstrengend auf jeden Fall, aber trotzdem: cooles Hilfsprojekt. Den restlichen Vormittag dann administrative Arbeit, ich machte ein paar Beratungstermine aus und versuchte vergeblich, eine Person telefonisch zu erreichen („bitte rufen Sie mich unter der Nr. …an“ – und dann nicht erreichbar sein, das finde ich ganz besonders großartig).

Um halb eins Mittagpause mit einer aufgetauten Portion Lauchquiche, die wir am Vorabend aus dem Gefrierschrank geholt hatten (nachdem wir abends nichts hatten kochen können). Dazu etwas lesen und missmutig in den Garten starren, und schließlich hatte ich die Nase voll von Rücken und Schultern und Gelenken und überhaupt und nahm eine Schmerztablette. Die wirkte so halb und ich konnte ab halb zwei weiterarbeiten.

Nachmittags startete ich einen neuen Unterricht mit zwei Personen, die sich vorher nicht kannten, ich hatte aber das Gefühl, dass sie ganz okay harmonierten. Eine der beiden ist momentan in London und sofort hatte ich einen totalen Flashback zu meiner Sabbatical-London-Zeit (Februar vor drei Jahren, ganz ähnliches Wetter wie momentan). Das war damals ja eher durchwachsen, aber trotzdem hatte ich plötzlich ganz dringend Lust, wieder nach London zu fahren und zu schauen, wie es mir jetzt gefallen würde. Oder alternativ dazu irgendwo anders hin.
Nach dem Unterricht noch ein paar Dinge abzuschließen, parallel ein wenig Chat-Austausch mit einer Kollegin, die auf einer Fortbildung war und mir quasi per Livekommentar die absurdesten Erkenntnisse übermittelte. Um halb fünf ließ ich das Arbeiten sein, genug für die Woche, und packte meine Sachen fürs Yoga.

Vom Yogakurs erwartete ich mir nicht unbedingt eine große Besserung, hoffte aber, dass ich überhaupt alles mitmachen könnte, das war nämlich bei den diversen Bewegungsschmerzen überhaupt nicht sicher. Turns out: Nicht nur ging alles ganz prima, sogar die Schmerzen wurden besser, zumindest während des Yoga. Die Füße taten danach gar nicht mehr weh, und auch die Schultern beruhigten sich ein bisschen (der Schmerz kam später wieder, aber nicht mehr ganz so beißend). Ich war sehr froh, als ich heimging. Interessanterweise erzählte die Yogatrainerin auch, dass sie trotz täglichen Yogas immer wieder mit Rückenschmerzen zu kämpfen hat und es sich anfühlt, als würde sie schneller degenerieren, als sie dagegen ankommt. Das scheint ein verbreitetes Gefühl zu sein, ich hatte nur nicht erwartet, schon vor dem 50. Geburtstag damit konfrontiert zu werden. Apropos Rücken, mein Ischias hat sich seit ein paar Tagen beruhigt, immerhin. Auch mal die positiven Dinge erwähnen.

Der Liebste war schon eifrig am Kochen, als ich heimkam. Ich hatte vor kurzem Lust auf Orzo gehabt und prompt beim Abtippen ein neues Orzo-Rezept im November-Heft VF&L gefunden, als One Pot-Gericht mit Passata, Oliven und Kichererbsen. Eigentlich hätte das im Ofen gemacht werden sollen, es funktionierte aber im Topf genauso gut und war ganz prima. Und schnell gemacht, was gut war, der Liebste war nach seinem langen Tag nämlich auch ziemlich kaputt. Wir aßen also zu Abend, schauten dann die Nachrichten und eine Folge nordische Tierärzte an, ich legte mir ein Wärmkissen zwischen die schmerzenden Schulterblätter, und dann passierte etwas für mich sehr Untypisches: Noch vor neun Uhr schlief ich einfach tief und fest auf dem Sofa ein. Um kurz nach neun wachte ich kurz auf, um mich ins Bett zu bringen: Einfach nur müdemüdemüde.