Spießer-Ausflug – Sonntag 24.7.2022

  • Beitrags-Kategorie:Tagebuch

Um zehn vor acht wurden wir von einem leicht beleidigt miauenden Kater geweckt. Guter Start in den Tag: Erstens, Kater kommt zu uns, zweitens, Kater ist ordentlich hungrig, drittens, lang geschlafen. Nicht so gut war, dass ich von der Arbeit geträumt hatte (ein bisschen typisch, dass ich so eine Woche in den Urlaub im Traum Arbeitsgedanken wälze), aber egal, ich war wach und der Liebste auch und es war kühl draußen. Wir hatten also einen ganz entspannten Morgen mit Müsli, später noch etwas Kuchen und Laptop, der Chef schickte Hundebaby-Bilder, die Sonne schien, alles ziemlich gut soweit.

Ich wollte mich an dem Sonntag gern ein bisschen bewegen und rauskommen, und der Liebste war erstaunlicherweise auch dafür, trotz Hitze. Vor ein paar Tagen war ich ja mit dem Fahrrad zum Baggersee gefahren und hatte es dort eher doof gefunden, was lag also näher, als noch einmal hinzuradeln und zu sehen, ob sich mein erster Eindruck bestätigen würde. Wir packten Wasserflasche, Handtücher und Liegetuch in zwei Satteltaschen, und um Viertel nach elf fuhren wir los, etwas später als wir wollten, schon im Sonntags-Ausflügler-Schwung.

Ich bin ja ein Mensch, der Fahrradfahren generell für eine eher unnötige Tätigkeit hält, insbesondere wenn man die Distanz auch auf seinen zwei Beinen zurücklegen kann. Und „Fahrradausflug zum Baggersee“ klingt nach einer so schrecklichen Pärchen-Aktivität, dass ich eigentlich schreiend weglaufen möchte. Dafür wurde es dann aber erstaunlich okay. Wenn ich überhaupt mit einem Menschen Fahrrad fahren möchte, dann ist es sowieso der Liebste, weil er sich weder in „ich hab hier einen Pimmel und muss das jedem zeigen“-Manier nach vorn drängt (ich fuhr einmal mit einem Mann zusammen, der so weit ging, mich zu schneiden und vom Weg abzudrängen, wenn ich es wagte, vorneweg zu fahren) oder einfach gleich komplett abhaut, noch neben/hinter mir fährt und dabei reflexartig alle drei Minuten erklärt, wie angenehm es zur Abwechslung mal sei, so richtig langsam und gemütlich zu fahren und er müsse ja gar nicht immer so schnell, er könne auch wirklich gaaanz, ganz langsam fahren, echt jetzt. Der Liebste ist, kurz gesagt, einfach kein Flachw*chser und hat sich deshalb sein Ticket als meine Begleitung bei solcherart Ausflügen verdient.
Und überhaupt Rad fahren: Seitdem ich mit den Gelenken Probleme habe und dringend mehr Cardio-Training machen sollte, rückt das Fahrrad als Sportgerät in neues Licht. Tatsächlich kam ich die ganze Strecke gut voran, der Puls war schön hoch, ohne außer Puste zu sein, und die Gelenke gebärdeten sich friedlich. Vielleicht sortiere ich Fahrrad fahren ab jetzt als gelenkfreundliches Joggen ein, dann geht es.

Am Baggersee waren wie erwartet alle Schattenplätze besetzt bis auf einen, wir legten hocherfreut unsere Liegedecke aus und wurden innerhalb von Minuten von roten Ameisen bekrabbelt. Also seufzend doch einen Platz mitten in der Sonne, was aber auch egal war, wir waren ja nicht zum Rumliegen gekommen. Wir schlossen unsere Räder ab und die Helme und Taschen an die Räder an (nicht diebstahlsicher, nur Diebstahl-erschwerend), drapierten T-Shirt und Hose über den Rädern (Schwimmsachen hatten wir drunter) und gingen zum See.
Mittlerweile war es kurz vor zwölf und schon recht viel los im Wasser, das Ufer dementsprechend verschlammt, zum Glück aber weniger algig als gedacht. Überhaupt musste man nur ein paar Schwimmzüge vom Ufer wegmachen, dann hatte man genug Platz und das Wasser war tatsächlich herrlich (sauber, sehr warm an der Oberfläche, aber gleich darunter angenehm kühl). Wir schwammen etwas raus und dann ein bisschen parallel zum Ufer, insgesamt vielleicht so zehn Minuten (einziger Nachteil: Man musste eben die ganze Zeit schwimmen, es gab halt keinen Beckenrand und auch keine Plattformen oder Schwimminseln oder ähnliches im See). Dann krabbelten wir wieder raus, setzten uns auf unseren Liegeplatz und schauten den Leuten zu, wie sie SUPs und Kajaks und Ruderboote aufbliesen, als wären sie am Gardasee, und Kühltaschen über Kühltaschen mit Mittagessen für die Großfamilie anschleppten. Es war Mittagszeit und wurde ordentlich voll, mir wurde es langsam zu wuselig: Also gingen wir eine zweite Schwimmrunde ins Wasser, dann ließen wir uns ein bisschen in der Sonne trocknen, wechselten die Klamotten und fuhren wieder zurück.

Der Radweg ist Teil des Neckartalradwegs, Premium-Radwanderweg und so, und dementsprechend recht gut ausgebaut. Nicht weit vom Baggersee entfernt gab es eine kleine Pausenstation direkt am Radweg: Auf der Rückseite einer Handwerkerhalle hatten findige Dorfbewohner ein paar Schilder aufgestellt, Holzbänke und Stühle dazu, und einen Wagen, der Eis und Getränke verkaufte. Wir setzten uns mit zwei alkoholfreien Hefe auf eine unfassbar bequeme Holzbank, schauten den vorbeiziehenden Radfahrern und den Wolken zu und fühlten uns ziemlich wohl. Nicht einmal die Mercedes-A-Klasse, die mit völliger Selbstverständlichkeit quer über den Radweg fuhr und dann halb auf dem Radweg, halb auf der Wiese parkte (nein, da ist keine Straße nebendran, es ist einfach wirklich nur ein Radweg, die Straße ist auf der anderen Seite der Handwerkerhalle), weil das Mercedes-Paar Eis kaufen und keinen einzigen Meter laufen wollte, konnte uns die Laune verderben.

Dann radelten wir den restlichen Weg nach Hause – etwas mühsam, da flussaufwärts und Gegenwind und so. Als der Liebste mir anbot, vor mich zu fahren und mir Windschatten zu geben, dachte ich zuerst, er hätte einen lustigen Tour de France-bezogenen Witz gemacht, bis er sich tatsächlich vor mich setzte und ich überrascht war, wie viel das ausmachte. Insgesamt recht angenehmes Fahren, wir kamen zwar müde und erhitzt, aber zufrieden daheim an. Dort machten wir erst einmal Mittagessen, es war schon halb zwei: in der Pfanne angebratene Maultaschen mit Zwiebeln und ein paar dazugeschnipselten Tomaten, danach Kaffee und den restlichen Kuchen.

Den Nachmittag verbrachte ich (nach einer schnellen Dusche) im Liegestuhl auf dem Schattendeck: Ich hatte am Tag vorher den sechsten Band der Duval-Reihe angefangen und las mich fest. Der Kater schaute irgendwann vorbei und rollte sich im halbhohen Gras zum Schlafen zusammen, der Liebste kam gegen fünf und brachte mir einen Sommercocktail (Prosecco mit Mineralwasser und Rosmarinsirup vermischt), dann setzte er sich dazu und wir schauten ins Grüne, ich las weiter und um sechs hatte ich den Krimi durch. Hihi.

Nachdem wir die letzten Tage oft auswärts gegessen hatten, hatte ich Lust auf Kochen daheim, ein bisschen zusammengewürfelt ohne Rezept: Ich garte Kartoffelscheiben über Dampf und briet sie dann in der Pfanne an (ordentlich Fett, etwas Salz, sonst nichts), daneben briet ich im weiten Topf gewürfelten Räuchertofu, dann kamen Zucchini, Paprika, Knoblauch, Frühlingszwiebeln und Tomaten zum Schmoren dazu. Eine halbe Chilischote, etwas Oregano, ein bisschen Salz, das war’s. Ich öffnete eine Flasche Bordeaux, gab einen Schuss zum Verköcheln in den Topf und schenkte dem Liebsten und mir ein Glas ein, und um acht hatten wir eine prima Ratatouille-ähnliche Pfanne mit Bratkartoffeln, dazu ein sehr guter Rotwein und etwas Blaulichtporno als Tagesabschluss. Ein ziemlich runder Tag, einziger Wermutstropfen waren pochende Kopfschmerzen, die gerade losgingen, als wir um zehn ins Bett verschwinden wollten. Aber mit einer Tablette ließ sich das auch lösen.