Alte Augen, Dienstag 25.10.2022

  • Beitrags-Kategorie:Tagebuch

Ich wachte um halb sieben auf und war ausgesprochen wach – fühlte mich sogar einigermaßen ausgeschlafen. Weniger gut war, dass mein linkes Knie wehtat, aber darüber wunderte ich mich nicht: Es ist ja völlig klar und kann im Sinne eines ironischen Lebensstils gar nicht anders sein, als dass mein Knie auf den Kauf von neuen Laufschuhen mit Schmerzen reagiert. Es musste den Ausdruck „gelenkschonend“ im Laden mit angehört und als Einsatzstichwort verstanden haben. Ich ignorierte das auf jeden Fall erst einmal aktiv und marschierte die Treppen im Haus hoch und runter.

Ein ruhiger Morgen (logisch, Urlaub), wir hatten getoastetes Brot mit etwas Tomate zum Frühstück und viel Tee, dazu ein Blick ins Internet, die Zeitung ignorierte ich weiterhin. Um zwanzig vor zehn gingen wir aus dem Haus, der Liebste wollte schnell zum Bastelverein und ich hatte meinen Termin bei der Optikerin.
Ungefähr eine Stunde war ich da, und insgesamt war es alles ganz okay, auch wenn die Optikerin eine etwas merkwürdige (leicht anstrengende) Art zu kommunizieren hatte. Aber egal. Der Sehtest ging recht schnell (erstaunlich schnell, ich hatte mich auf eine längere Phase „besser, schlechter oder gleich“ eingestellt, aber sie hatte natürlich meine eingespeicherten Werte als Basis und musste nur die Veränderung von vor fünf Jahren messen). So ganz verstand ich die Messwerte nicht (habe ich ehrlich gesagt noch nie), aber das war auch egal, solang die Brille am Ende funktioniert.
Und dann das Gestell, da traf ich allerdings noch keine endgültige Entscheidung. Mein Gesicht ist ausgesprochen schmal, was es sehr schwer macht, für mich eine passende Brille zu finden – so gesehen war ich ganz froh, dass wir am Schluss immerhin drei in der engeren Auswahl hatten. Im Lauf der Woche sollen noch ein paar weitere Modelle dazukommen, und es wäre mir auch nicht unrecht, wenn der Liebste einen Blick draufwirft, wir bekommen also eine E-Mail und machen dann einen weiteren Termin.
Ach ja: Gleitsichtbrille. War jetzt keine Überraschung, ich hatte schon damit gerechnet, nur der Preis war deutlich höher als erwartet. Das hat den Vorteil, dass sich der Preis für das Gestell etwas relativiert, 30 Euro billiger oder teurer ist beim Preis für die Gläser auch egal. Etwas bizarr war, dass sie mir (neben anderen) „versteckte“ Zeiss-Gläser oder normale Zeiss-Gläser anbot, die ersteren von einer Tochterfirma von Zeiss produziert und nicht direkt, aber trotzdem ein Zeiss-Glas, also gleiche Qualität. Der Preisunterschied: 400,- Euro (wohl gemerkt der Unterschied, nicht der Gesamtpreis). Was denn der Mehrwert bei den teureren Gläsern sei? – Nun ja, ich bekäme eine ausführliche Informationsbroschüre und außerdem, Trommelwirbel: Das Zeiss-Logo sei zu erkennen! Nun kann ich mir sowieso nicht vorstellen, wie man ein Logo auf einem Brillenglas sehen soll, nun gut – aber dafür 400 Euro zahlen? Für ein Logo? Manchen Leuten sei das wichtig, sagte sie, aber meinen fassungslosen Blick richtig deutend bog sie dann schnell in Richtung „billigere“ Gläser ab. (Eigentlich sollte Zeiss mir im Zweifelsfall etwas bezahlen, wenn sie ihr Logo auf meine Brillengläser machen wollen, schließlich mache ich dann für sie Werbung.)

Wieder daheim traf ich den Liebsten im Garten an, wo er Unkraut jätete und die Büsche zurückschnitt (sonniges Wetter). Ich machte uns einen Tee und einen Smoothie mit Grünkohl und Banane (das Frühstück war etwas wenig gewesen). Dann ging der Liebste duschen, ich las mich ein bisschen durchs Internet, irgendwann dann Mittagessen (zweite Hälfte Pasta e Fagioli, der Liebste machte ein paar frische Nudeln dazu). Und dann Sofazeit, Espresso und ein paar Dominosteine, ich schaute seit längerem einmal wieder auf Twitter vorbei (und bekam dort Informationen über Ereignisse, von denen ich bis dahin gar nicht gehört hatte, dass ich mich darüber hätte aufregen sollen, und bei denen ich auch kein Interesse daran hatte, mich darüber aufzuregen – was das Ganze relativ schnell etwas sinnlos machte, also zumindest was das deutsche Twitter angeht, bei den englischen Twitterern ist das etwas anders).
Um vier schnappte ich mir meine neuen Laufschuhe und ging eine Runde laufen. Immer noch Sonne und ausgesprochen warm. Die neuen Schuhe liefen sich prima (nun gut, ich hatte nichts Anderes erwartet, wahrscheinlich wären alle der ausprobierten Schuhe eine Verbesserung zu meinen alten Latschen gewesen), das Knie machte sich ungefähr die halbe Runde bemerkbar, dann gab es Ruhe. Insgesamt alles sehr erfolgreich, ich verkürzte die Gehpausen ein kleines bisschen und war um fünf sehr zufrieden daheim.

Ein bisschen Katerbespaßung und Tee, dann wechselte ich in Abend-auf-dem-Sofa-Klamotten und  verschwand in die Küche. Kein Bier zum Kochen trotz Urlaub: Der Liebste und ich hatten Blutspendetermine für den nächsten Tag ausgemacht, und da wollte ich gern auf jeden Fall fit sein (nicht dass ich mir wegen eines Biers Sorgen um den Restalkohol gemacht hätte, aber ich hatte auch keine Lust auf Kopfweh oder Ähnliches).
Das Kochen übernahm ich allein, ein großer Topf Soljanka mit Seitanwürstchen und etwas restlichem Weißkohl und Sellerie (stand zwar nicht im Rezept, aber musste verbraucht werden und passte gut). Daneben etwas Guardian-Podcast (The Day in Focus), es passiert ja zurzeit viel in der englischen Politik, haha. (Also in erster Linie passiert, dass die Tories sich um sich selbst drehen und dabei das Land quasi nebenher ruinieren, aber das ist nicht wirklich etwas Neues. Und just for the record: Klar, ein Premierminister mit indischem Migrationshintergrund, jemand aus einer ehemaligen Kolonie, dann noch Hindu, also Zeichen für Diversität blabla. Der Mann ist Multimillionär, doppelt so reich wie der alte Charles, schon seine Eltern hatten genug Kohle, um ihn auf eine der teuersten Privatschulen des Landes zu schicken. Nennt mich zynisch, aber das ist für mich nicht das leuchtende Beispiel für eine pluralistische Gesellschaft, in der endlich jede/r die gleichen Chancen hat, sondern eher dafür, dass ein Geldbeutel, wenn er nur dick genug ist, sogar strukturellen Rassismus abpolstern kann.)

Sehr leckerer Eintopf zum Essen. Wir ließen dazu den Rechner aus und spielten stattdessen eine Runde Flügelschlag, was eine sehr gute Idee war, auch wenn wir eine ganze Weile brauchten, um wieder reinzukommen. Aber es klappte, und überraschenderweise gewann ich sogar am Ende (um drei Punkte), also war es nicht so schlecht.
Den restlichen Abend zog ich mich zum Lesen auf den Sessel zurück (der immer noch im Esszimmer im Weg steht), während der Liebste irgendeine Gruselserie weiterschaute, und irgendwann dann mit Buch hoch ins Bett. Das Buch ist stellenweise ziemlich bedrückend (gut, wenn man Nanette gesehen hat, ist das keine Überraschung), aber es ist auch unglaublich absorbierend und einfach sehr gut geschrieben. Nur halt keine „leichte Urlaubslektüre“, aber warum sollte die Lektüre ausgerechnet im Urlaub leicht sein?