Der letzte komplette London-Tag, und wir hatten eigentlich schon ziemlich viel von unserer Wunschliste in den letzten Tagen gemacht (Stadtwanderungen, Tate Modern, Park, Camden, Straßenmarkt…) – was aber tragisch zu kurz gekommen war, war der Besuch in der einen oder anderen Buchhandlung. (Ich hatte während der England-Zeit meines Sabbaticals ja gefühlt nichts anderes gemacht als in Buchhandlungen zu gehen.) Wir googelten also „Book Store“ in Google Maps, schalteten die Standorterkennung ein und fanden einen Waterstone in Holborn. Schnelles Frühstück (Brot mit restlichem Philadelphia, restliche Orangenmarmelade), und um neun gingen wir aus dem Haus und nahmen den Bus zur Holborn Station.
Das Wetter war durchwachsen, es war sehr stürmisch (Nina hatte mir sogar eine Standort-Sturmwarnung gesendet, es war mir gar nicht klar, dass das auch international geht, die Engländer um uns herum waren aber vom Wind reichlich unbeeindruckt) und immer wieder gab es einen Regenschauer, aber wenigstens keinen Dauerregen. Wir schauten uns ein bisschen das Viertel an und wanderten so langsam von Holborn bis zum Leicester Square, mit natürlich längerem Stopp im Waterstone. Da war es endlich mal so leer, dass ich mich in Ruhe umschauen konnte. Die einzigen Kundinnen, an denen ich Interesse hatte, waren eine Gruppe bestehend aus Großmutter, Mutter und Tochter aus Schweden, die sich halblaut auf Schwedisch über diverse Bücher unterhielten und sich vermutlich dachten, was will diese Frau in der roten Jacke, die sich ständig so betont unauffällig direkt neben uns stellt? Ich ließ sie irgendwann in Ruhe einkaufen, aber, Stolz: Ich hatte vom Gespräch eine Menge verstanden. (Nichts inhaltlich Aufregendes, aber SO eine hübsche Sprache.)
Mit vier neuen Büchern im Gepäck wanderten wir weiter und schauten uns das Viertel ein bisschen an. Um halb zwölf zweites Frühstück im „Old Dutch Pancake House“, wo wir beide besser Englisch sprachen als jeder einzelne Angestellte dort, aber egal. Die Pancakes waren okay (man konnte, unter Mühen, alles in vegan bestellen), auch wenn statt dem Schokoladeneis für den Liebsten heiße Schokoladensauce gebracht wurde.
Draußen hatte es mittlerweile wieder zu regnen angefangen, und zwar von ein bisschen Niesel hin zu dem unangenehmen englischen Landregen, der von allen Seiten gleichzeitig kommt, mit Sturmböen sowieso. Wir gingen in einen Sainsbury’s und holten uns dort ein bisschen typisch englisches Essenszeugs fürs Mittagessen (dreieckige Sandwiches, Chips in winzigen Tüten, sowas) und hielten danach noch bei einem Bio-Café, wo wir bei einem Milchkaffee den Regen „abwarten“ wollten (die Salattheke sah super aus, aber wir entschieden uns angesichts der astronomischen Preise dagegen). Das mit dem Regen abwarten hatte sich bald erledigt, denn es regnete sich richtig ein. Den kaputten Schirm hatten wir noch einmal mitgenommen (der andere war ja weg), aber bei dem Wetter und halb eingeklappt konnte man das vergessen – wir warfen ihn schnell in den Müll. (In der Tate Modern hatte ich am Mittwoch einen neuen Schirm mit tollem Motiv kaufen wollen, aber die Motivschirme kosteten 38,- Pfund und der „normale“ nur mit Tate Modern-Logo auch 25 Pfund, und das fand der Liebste zu viel. Nachvollziehbar, zumal wir eine Dreiviertelstunde später einen Schirm in der Pizzeria liegen ließen, es also eine gute Idee für uns ist, nicht zu viel Geld für Schirme auszugeben.)
Wir fuhren auf jeden Fall wieder heim und machten eine ausgedehnte Mittagspause mit dem gekauften Essen (gar nicht so schlecht), dazu Buch und Musik und ein langer Mittagsschlaf. So um halb vier gingen wir ein zweites Mal los, wieder nach Holborn, wo wir im Superdrug zwei Regenschirme kauften (5,99 pro Schirm – da man im dm Schirme für 3,95 bekommen kann, war der Liebste nur so halb überzeugt, aber wir nahmen sie trotzdem), und von dort weiter zum Leicester Square und dann durch Soho. Einfach nur zum Gucken und sich an den Häusern freuen und so. Der Regen hatte aufgehört (klar, wir hatten ja jetzt Schirme), wir waren guter Stimmung und ließen uns noch nicht einmal von den Menschenmassen stören. So langsam hatten wir auch raus, wie man sich im Flow der Leute bewegt, sodass man vorankommt und nicht angerempelt wird.
Von Soho aus zum Strand, also der Straße The Strand, und dort zum Twinings-Laden. Da man die Twinings-Tees auch bei uns im Supermarkt bekommen kann, hatten wir nicht den Drang, den halben Laden leerzukaufen, aber wir fanden eine sehr hübsche Teedose und eine zweite Metalldose mit Butter Fudge als Geschenk für die Katzensitter und außerdem eine Teedose mit Irish Breakfast (in grün), die ich in Deutschland noch nie gesehen hatte. (Man bekommt sowieso selten Irish Breakfast bei uns, eigentlich nur im speziellen Teeladen.)
Damit war der allerletzte wichtige Punkt (Katzensitter-Geschenke) auch erledigt und wir hatten noch einen entspannten Abend vor uns. Wir mäanderten ein bisschen durch ein paar Seitengassen in Soho, bewegten uns so langsam wieder in Richtung Camden und heim, befragten die Kuh und landeten zum Essen schließlich im Restaurant Honey & Co. in Bloomsbury (in der Lamb’s Conduit Street, es gibt mehrere Standorte von dem Restaurant). Eher hochpreisig, Nahost-Küche mit einem ordentlichen veganen Angebot. Und das Essen war einfach jeden Cent – entschuldige: Penny – wert. Wir teilten uns als Vorspeise ein Hummus mit Pitabrot, danach hatten wir einmal eine Art Linseneintopf mit gerauchter Aubergine und einmal gefüllte Aubergine mit Zeugs und Reis. Klingt nicht spektakulär, war aber SOOO gut. Dazu ein Chardonnay aus dem Libanon für mich (der Liebste gab ein letztes Mal einem englischen Bier eine Chance, war in Ordnung), und ich lasse mich gern korrigieren, aber der Libanon war bis jetzt in meiner Wahrnehmung nicht unbedingt eine der führenden weinproduzierenden Nationen. Aber dieser Chardonnay war überraschend gut und ein schöner Begleiter.
Lustig übrigens: Die nette Kellnerin (mit amerikanischem Akzent) beriet uns gut beim Essen, wir bestellten fröhlich vor uns hin, bis ich mich schließlich zum Liebsten wandte und halblaut auf Deutsch fragte: Was denkst du? (Es ging ums Hummus-teilen, denke ich) und sie plötzlich sagte: Ach, ihr seid Deutsche! Ich bin ja auch aus Deutschland! Und damit der Bestellvorgang auf Deutsch weiterging. Das fand ich irgendwie nett, auch wenn mich die tausend deutschen Touristen vorher gestört hatten (aber sie war ja keine Touristin, sie hat ihren Bachelor in den USA gemacht und ist jetzt für den Master nach London gekommen). Ich hatte an ihr auf jeden Fall keinen deutschen Akzent wahrgenommen und sie an mir offensichtlich auch nicht. Denke ich mal.
So gegen halb acht gingen wir weiter und hätten gern noch einen Absacker irgendwo genommen, aber das war uns schon seit zwei Stunden aufgefallen: Es war der Abend vor einem Bank Holiday, sämtliche Londoner waren offensichtlich in Hoch die Hände Wochenende-Stimmung, und alle Pubs waren übervoll, inklusive Menschentrauben auf den Straßen (alle noch in Businesskleidung, alle mit Bier in der Hand, alle englisch und gut gelaunt, wir hatten endlich mal das Gefühl, die einzigen Touristen in der Gegend zu sein). Das war uns dann zu voll, auf Schlangestehen am Tresen und Draußenstehen mit Bier hatten wir keine Lust. Der Sturm hatte gegen Abend wieder zugenommen, dazu leichter Regen, horizontal: Wir gingen nach Hause (das Restaurant war relativ nah bei uns, wie wir leicht überrascht feststellten). Kurzer letzter Stopp in „unserem“ Waitrose, wo ich uns vier Dosen Camden Hells holte, das einzige englische Bier, das sie gekühlt da hatten (sie werden wissen warum), und das tatsächlich auch ganz trinkbar war.
Und dann ein netter letzter Abend daheim, mit einer Ausgabe von 8 out of 10 Cats Does Countdown (zwar eine Wiederholung, aber halt im echten TV, mit Werbeunterbrechungen und so, und deshalb viel authentischer) und insgesamt einem ganz zufriedenen Gefühl. Wir hatten eine schöne Zeit in London gehabt, und es war auch schön, wieder heimzukommen.