Nacht so lala, unter anderem auch deshalb, weil unsere Mitbewohner im großen Haus, etwas später von ihrer Feier zurückkommend und vermutlich patriotisch beschwingt, ein wenig durchs Haus lärmten, sich dann zurückzogen, dabei aber Innen- und vor allem Außenbeleuchtung brennen ließen. Da wir ja immer mit offener Außentür schliefen wegen der Hitze (und es auch bei geschlossener Tür wenig geändert hätte, vor der Glasscheibe war nur ein dünnes Tuch zum Verdunkeln), störte das Licht doch sehr. Bis ich irgendwann aufstand und es ausmachte. Ansonsten: die Wärme, und die Mücken, und die Stiche, ach ja – ich war nicht so wirklich *erholt*, als ich morgens um kurz vor acht aufwachte. Dazu Rückenweh, Schmerzen in den Achillessehnen, ich hinkte die Steintreppe herunter (wenigstens mittlerweile in Adiletten, wie hatte dieser Sommerurlaub ohne überhaupt stattfinden können).
Wie erwartet, waren der Liebste und ich die ersten, die aufstanden, duschten und uns Frühstück richteten (letztes Müsli). Der Tag versprach heiß zu werden, aber nicht so heiß wie Dienstag und Mittwoch, die wohl in der Woche die Hitzehöhepunkte werden sollten – für den Nachmittag und Abend waren lokale Gewitter vorhergesagt und es zeigten sich leichte Wolken am Himmel. (Die Gewitter waren allerdings auch für Donnerstag vorhergesagt gewesen und dann in anderen Tälern abgeregnet, bei uns hatte es nur einen kurzen Guss gegeben.)
Wir ließen uns Zeit am Vormittag: Ich schrieb einiges auf dem Tablett, der Liebste war von seinem Buch gefesselt. Irgendwann kam B zu uns, eine der Mitbewohnerinnen im Haupthaus und so ein bisschen eine organisatorische Kraft des Ganzen. Da am Samstag ja Bettenwechsel anstand und alle abreisten, nicht nur wir, gab es ein bisschen etwas für den Abschluss zu besprechen: Erstens würden sich abends alle Bewohner nicht nur des Haupthauses, sondern auch der umliegenden Ferienhütten im Garten treffen, es würde ein Feuer gemacht und man würde gemeinsam alles Essen verzehren, was noch so von der Woche bei jedem übrig sei – wenn wir wollten, könnten wir gern dazukommen. Und zweitens sei sie gerade dabei, einen Putzplan für die Endreinigung des Hauses zu machen (starke WG- und Ferienlager-Assoziationen). Die eigenen Zimmer putze natürlich jeder für sich, und bei den gemeinschaftlich genutzten Räumen würde man sich aufteilen. Das war uns nun zwar nicht so ganz klar gewesen, aber nun ja – wir trugen uns mit einer anderen Person gemeinsam für die Nassräume ein, Bad und Duschen (da wir schon vor elf gehen wollten und deshalb die Räume übernahmen, die vielleicht nicht bis zum Ende genutzt wurden).
Diesen Aspekt der sozialen Interaktion hatten wir also hinter uns gebracht und ich war mit dem Schreiben auch durch, außerdem näherte sich die Mittagszeit: Wir packten den Tagesrucksack mit Schwimmsachen, Handtüchern und Wasserflaschen und machten uns auf den Abstieg zur Bahnlinie nach Intragna.
Erster Stopp war Pontebrolla (teilweise auch Ponte Brolla geschrieben), wo wir schon am Montag beim Essen gewesen waren – allerdings dieses Mal nicht im poshen Restaurant, sondern in einer Osteria, die jünger und hipper daher kam und Cocktails, Burger und solche Dinge anbot. In der Kuh wurde sie lobend erwähnt, denn von neun angebotenen Burgern waren drei vegan (einer mit Beyond Meat, einer mit Planted Crispy Chicken – den nahmen wir – und einer mit Avocado und Zeugs, wo mir nicht so ganz klar war, woraus der Pattie bestand, er war irgendwie so asiatisch angehaucht). Zwei Burger, zwei Radler und eine geteilte Portion Pommes für uns gab ein prima Mittagessen.
Die Osteria ist spektakulär gelegen, denn direkt hinter dem Gebäude hat sich der Fluss tief in den Berg eingeschnitten und eine Art Canyon geschaffen mit Wasserläufen, kleinen Becken, Wasserfällen und weißen, ausgewaschenen Steinformationen. (Der Fluss heißt übrigens nicht Brolla, sondern Maggia, worüber ich nur den Kopf schütteln kann.) Da man in den Canyon hinuntersteigen kann und der Fluss trotz Strömung genug Badestellen bietet, waren zahlreiche Leute unten und wir konnten sie von oben betrachten (weit genug weg, es geht bestimmt 60 oder 70 Meter nach unten).
Wir bekamen einen Platz auf der überdachten Veranda, was gut war, denn kaum saßen wir, begann es mächtig zu winden und bald darauf zu regnen. Das angekündigte Gewitter schien etwas entfernt abzuregnen und wir bekamen nur den Ausläufer mit, aber der Luftdruckunterschied sorgte dafür, dass es beinah stürmte und wir unsere Mützen und die Bierdeckel festhalten mussten (und die Osteria vor lauter Badenden sehr schnell sehr voll wurde). Wir saßen aber trocken und geschützt genug, es war eigentlich recht gemütlich. Pünktlich nach dem Essen war der Spuk auch vorbei, die Wolken verzogen sich und es wurde wieder heiß.
Genug Anreiz für uns, selbst baden zu gehen: Wir gingen zu Fuß von Pontebrolla ins Nachbardorf Tegna, wo man unterhalb des Wasserkraftwerks baden konnte (was weniger toll klingt, als es war: Ein wenig Sandstrand, daneben ein großer Bereich mit riesigen Findlingen, über die man klettern und auf denen man sich trocknen lassen konnte). Der dortige Fluss ist übrigens nicht die Maggia, sondern die Melezza – die Melezza mündet kurz darauf in die Maggia. Der Badestrand dort ist bekannt und sogar bei Google Maps eingezeichnet, demensprechend voll war es da. Das war aber kein Problem. Wir fanden ein Plätzchen, wo wir uns ausziehen und unsere Sachen lassen konnten (ich hatte meinen Bikini schon druntergezogen).
Etwas bizarr: Während wir noch in Wanderstiefeln über die weißen Felsen kletterten, sahen wir plötzlich eine Gruppe Taucher in voller Ausrüstung auftauchen, inklusive Flaschen. Warum, wurde mir schnell klar, als ich selbst ins Wasser ging: Der Fluss bildet dort eine Art Kreisel, bevor er weiterfließt, und ist deshalb direkt unterhalb des kleinen Wasserfalls (und unterhalb des Wasserkraftwerks) extrem tief. Dementsprechend auch sehr kalt, aber dennoch: ganz wunderbar zum Baden.
Gegen vier hatten wir genug gebadet, zogen uns wieder an und gingen von Tegna aus weiter nach Verscio, wo wir noch ein paar Kleinigkeiten im dortigen Coop kauften. Dann einen Blick auf den Zugfahrplan: Mit meinem Eindruck am Mittwoch, dass man locker alle halbe Stunde mit dem Zug fahren kann, hatte ich etwas zu optimistisch gelegen, wir hätten eine Stunde warten müssen. Also gingen wir noch ein Dorf weiter nach Cavigliano – hätten dort aber immer noch über eine halbe Stunde Wartezeit gehabt. Einen Bus, der direkt vor uns hielt, während wir an einer Bushaltestelle die Fahrzeiten ansahen, ließen wir ungünstigerweise weiterfahren, da uns nicht klar war, in welche Richtung er fuhr – er hätte uns tatsächlich bis nach Intragna gebracht.
Nun gut. Irgendwie war das ja schließlich auch ein Wanderurlaub. Wir gingen also den kompletten Weg nach Intragna zurück, und zwar auf der kürzesten Strecke – also immer an der Hauptstraße entlang. Es gibt vermutlich schlauere Entscheidungen, aber die Tessiner waren alle sehr freundliche Autofahrer und ließen großzügig Abstand, und so kamen wir um kurz nach sechs sicher in Intragna an. Und als wir uns dann an den Aufstieg machten (denn im Dorf hieß ja noch nicht „in der Hütte“), da sahen wir gerade den Zug einfahren – wir waren also sogar noch schneller gewesen. Hihi.
Um halb sieben oben und natürlich wieder nassgeschwitzt, aber wir sparten uns das Duschen – wir wussten ja jetzt, wo man an der alten Mühle baden konnte. Wir wechselten direkt in die (noch leicht feuchten) Badesachen, legten uns ein Handtuch um die Schultern, zogen die Schwimmschuhe an (die man auf dem Wanderweg ganz gut benutzen konnte) und gingen noch einmal am Badeplätzchen schwimmen. Schon leicht kühl, da die Sonne schon hinter den Bäumen verschwand, aber trotzdem wunderbar. Nach dem Baden hängten wir die Sachen zum Trocknen auf und packten dann unsere Rucksäcke soweit wie möglich – langsame Aufbruchsstimmung.
Zum Abendessen machten wir unsere letzte Tomatensauce mit den letzten roten Linsen und bekamen dazu ein paar übrige Penne von A geschenkt, die für sich und ihren Sohn etwas zu viel gekocht hatte – wunderbar, so mussten wir unsere Spaghettipackung nicht mehr anbrechen.
Mit unserem Nudeltopf und zwei Tellern gingen wir in den Garten ans Feuer, wo schon die meisten anderen Bewohner zugange waren. Eigentlich war die Idee natürlich, dass jeder von allen mitessen konnte, und das hätte uns mit unseren Linsen auch nichts ausgemacht, aber der Tisch mit dem Essen war schon voll, sodass unser Topf nicht mehr drauf passte (und ganz ehrlich, so richtig lecker war der Fertigsaucenpamp auch nicht unbedingt). Wir aßen also alles selbst. Nahmen uns aber gern ein freundlich angebotenes Bier und saßen dann zu zweit auf dem Mäuerchen, schauten und hörten den anderen zu und genossen den Abend. Und unterhielten uns später auch noch eine ganze Weile sehr nett mit A (ursprünglich aus Heidelberg, jetzt seit vielen Jahren in Zürich) und R (gleich aus Zürich). Die Leute dort kannten sich fast alle, weil sie größtenteils seit vielen Jahren immer wieder im Sommer da sind und sich dort treffen – Ferienlager, Kommune, wie gesagt. Aber alles sehr freundliche Leute, sehr nette Atmosphäre. Wir verabschiedeten uns gegen zehn (ohne Wildschwein, aber mit ein paar Fledermäusen im Garten) und gingen sehr entspannt ins Bett. Wenn auch nicht sofort zum Schlafen, denn die anderen (die Kinder vor allem) waren dann doch noch etwas länger wach. Aber das gehörte irgendwie auch dazu.