Wach seit halb sechs, irgendwann kurz nach sechs aufgestanden (schon dämmerig draußen). Da ich einen frühen Start geplant hatte, war das völlig okay (den Wecker hätte ich gar nicht gebraucht, sieh an). Morgenroutine mit Katzenrunde, Tee und so weiter, dann schnelles Frühstück (Brötchen mit Erdnussbutter) mit dem Liebsten, der mit mir aufgestanden war, allerdings nicht mit mir aus dem Haus ging (er wollte im Bastelverein nach dem Rechten sehen): Um Viertel nach acht startete Harold, den man natürlich nicht allein saugen lassen konnte. Ich dagegen musste um zehn nach acht schon los: Um 8:30 startete die Fortbildung in der Firma, der zweijährige Auffrischungskurs für den betrieblichen Ersthelfer.
Im Grunde genommen alles sehr, sehr ähnlich wie im Januar 2023, als wir den Kurs das letzte Mal gehabt hatten. Etwas zu viele Geschichtchen vom Kursleiter (und ehemaligen Kollegen von uns), dadurch etwas zu wenig Zeit fürs praktische Üben, etwas zu viel frontales Informiertwerden, didaktisch definitiv Luft nach oben. Nun ja. Aber wir kümmerten uns alle brav um Little Anne, ich richtete die Notfallinformationen am Handy ein (was genau passiert, wenn man im gesperrten Handyzustand auf „Notruf“ drückt, hatte ich bis jetzt nicht gewusst – ich hatte mich halt auch nie getraut zu drücken), und eine Playlist mit 120 bpm-Reanimationslieder habe ich jetzt auch auf Tidal gefunden. Soweit so gut.
In der ersten Pause gab es Brezeln und Hefezopf, und der Chef hatte (extra für mich, möchte ich behaupten) Alsan für die Brezeln besorgt, was sehr großartig war. In der zweiten Pause dann eher lahme Pizza (ich nahm auch nur ein kleines Randstück, sie war sowieso mit Käse und damit nicht vegan, mäh), dafür großartiger Feldsalat. Sonst viel Kaffee, ein bisschen Wasser, insgesamt etwas zu wenig getrunken. Ganz netter Austausch mit den Kolleg:innen, es passte schon alles ganz okay. Um zwanzig vor fünf waren wir fertig.
Aber. Großes Aber, das mir deutlich den Tag verdarb und mich bis in den Abend begleitete. In einer Kurseinheit wurden wir in vier Gruppen eingeteilt und sollten vier verschiedene Elemente zum Thema „Probleme in der Brust“ bearbeiten, und ich war in der Gruppe „Herzinfarkt“ eingeteilt. Ursachen, Symptome, erste Hilfe, Prävention, so etwas. Als Hilfestellung bekamen wir eine Broschüre der Johanniter zum Nachschlagen.
Und diese Broschüre schrieb dann allen Ernstes „typische Symptome: Brustschmerzen, in den linken Arm ausstrahlend, Engegefühl, Atemnot“. Das war’s. Dass man seit mindestens 20 Jahren weiß, dass sich bei vielen Menschen der Herzinfarkt komplett anders äußert (mit Kieferschmerzen, Rückenschmerzen, Übelkeit beispielsweise) und dieser Brust-in-linken-Arm-Quatsch eher ein Klischee ist, das fiel dort ein wenig unter den Tisch. Was wunderte ich mich auch: Schließlich sind diese „anderen“ Herzinfarkt-Symptome vor allem bei Menschen ohne Penis verbreitet, und dann kann man sie ja als „unspezifisch“ oder „untypisch“ klassifizieren und sie halt weglassen, nicht wahr? Schließlich wurde in der Broschüre ja ausschließlich „der Betroffene“ erwähnt, was wundere ich mich also. Auf meine leicht entsetzte Nachfrage kam als Erklärung, ja, bei Frauen seien die Symptome halt oft schwer fassbar und schwer einzuordnen. Und deshalb lässt man sie weg, oder was? Damit dann in Zukunft, wenn eine Frau Rücken- und Kieferschmerzen hat, sie unter Garantie nicht auf den Gedanken kommt, dass das ein Herzinfarkt sein könnte, und ihre Kolleg:innen auch nicht, denn davon stand ja nichts in der Johanniter-Broschüre. What the Fuck. Ich war wirklich, wirklich wütend. Frauen haben ein höheres Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben als Männer, und das ist kein Naturgesetz oder Pech, sondern einfach frauenfeindliche Scheiße. Die sich beispielsweise in solchen Broschüren aus dem vorletzten Jahrhundert äußert. Solcher Dreck tötet Menschen.
Meine Laune war also ziemlich im Keller, und dass der Kurs (auf den ich mich eigentlich gefreut hatte) halt auch sonst eher unbefriedigend war, half da auch nicht. Ich ging ziemlich enttäuscht und mit richtig schlechter Laune nach Hause, nur marginal besänftigt durch die zwei Tulpen, die wir alle (…zum Frauentag, ausgerechnet) am Ende vom Chef in die Hand gedrückt bekamen. Interessant übrigens: Ich konnte daheim erst gar nicht zuordnen, warum ich so schlechter, gedrückter Stimmung war, und vermutete Traurigkeit oder Enttäuschung, bis ich etwas genauer darüber nachdachte und feststellte: Ich bin einfach sauer! Und das ging dann den restlichen Abend auch nicht mehr so richtig weg.
Um fünf war ich daheim und traf auf einen deutlich besser gelaunten Mann. Klar, er ist ja generell in der komfortablen Situation, dass die ganze medizinische Welt auf ihn zugeschnitten ist – nicht dass ihm das in dieser Situation bewusst gewesen wäre, er fühlte sich halt einfach wieder besser. Was natürlich sehr schön war.
Er hatte auf jeden Fall schon so ein bisschen geputzt. Wir gingen noch schnell gemeinsam einkaufen, brauchten zum Glück nicht viel, gingen dafür aber in zwei Läden, weil wir im Supermarkt noch alkoholfreies Bier wollten (das wir dann nicht fanden). Damit war dann wenigstens das Altglas komplett weg.
Beim Kochen half mir der Liebste beim Schnippeln (eher zurückhaltend, weil ihm das Daumengelenk weh tat), danach übernahm ich aber, machte mir eine Playlist an und war die nächste Dreiviertelstunde mit einem Wok und zwei Töpfen beschäftigt. Und das sorgte tatsächlich dafür, dass meine Laune danach wieder einigermaßen in Ordnung war. Relativ aufwendiges Essen, zwei vietnamesische Rezepte aus einem alten VF&L-Heft: Einmal gemischte Pilze (Shiitake, Austernpilze, Champignons) mit Lauch und Ingwer, vermischt mit Udon, einmal angebratener Seitan in einer klebrig-scharfen süß-sauren Soße. War halt viel Rührerei, aber am Ende gar nicht so furchtbar kompliziert, nachdem das Dreiviertelkilo Pilze geschnitten war.
Restlicher Abend Sternentor, bis ich um neun sehr, sehr müde wurde und mich nach oben zurückzog. Und endlich einmal wieder ein Buch in die Hand nahm und eine halbe Stunde las. Schon viel zu lang nicht mehr die Ruhe am Abend dafür gehabt.