Lesungen, Samstag 27.9.2025

  • Beitrags-Kategorie:Lesen / Tagebuch

Eher durchwachsene Nacht, irgendwann mit Kopf- und Hüftschmerzen aufgewacht, rumgewälzt, bisschen kalt, mäh. Als ich auf die Uhr schaute, war es zwanzig nach sechs und damit eigentlich normale Aufstehzeit (und ich bestimmt schon eine Stunde wachgelegen), Laune dementsprechend eher so mittelprächtig. Um Viertel vor sieben stand ich trotzdem auf, in erster Linie um den motzenden Kater auf die Dachterrasse zu lassen. Dann Katzenmaintenance, Magi war glücklicherweise da und wollte auch Medikament und Futter, verschwand dann aber wieder raus (immerhin aufs Schattendeck und nicht sonstwohin). Draußen nebelfeucht und recht frisch, es regnete aber nicht. Eigentlich ein sehr schöner Herbstmorgen.

Ein bisschen ein Schlumpervormittag. Der Liebste holte uns Brötchen vom Viertel-Lieblingsbäcker, ich machte uns eine Kanne Kaffee (nach meinen üblichen zwei Tassen grünem Tee) und beschäftigte mich dann damit, das Internet leerzulesen. Zwischendrin zweite Katzenfütterung und ein paar Schulterübungen am Türrahmen (anlehnen, Arme nach hinten bringen und dann hochführen, als würde ich am Latzug trainieren, das so oft wie möglich – ich schaffte 40 Mal), um meine verspannten Schultern zu lockern. Klappte recht gut. Währenddessen fuhren Harold und Hector und der Liebste wischte in einem Anfall von Betriebsamkeit Ober- und Untergeschoss. Irgendwann ging ich dann auch ausführlichst duschen (zweites Wochenende mit ausführlicher Fußpflege, mit Hornhautraspel und allem, mal sehen, ob es etwas bringt), und um kurz nach zwölf gingen wir aus dem Haus.

In der Stadt ist das Wochenende über Bücherfest, und ich hatte uns für zwei Lesungen Karten besorgt. Bisher war das Bücherfest immer so ein bisschen an mir vorbeigegangen, aber dieses Mal hatte ich tatsächlich voher geschaut und prompt etwas entdeckt: Einmal Carlo Masala, der aus seinem neuen Buch vorlas, und einmal Saša Stanišiç mit dem „alten“ Witwen-Buch (das neue kommt Ende Oktober).  
Erst einmal allerdings irgendwo etwas zu Mittag besorgen, wir hektikten etwas in die Stadt (blöderweise kam da auch noch kurzfristig die Sonne raus und uns beiden, für kaltes Wetter und Sitzen an kühlen Orten angezogen, wurde unangenehm warm). Fanden schließlich beim Asiaten in der Nähe der Holzmarkts ein paar Nudeln mit Gemüse und Currysauce im typischen Togo-Container, das war genau das Richtige. Schnelles Essen mehr oder weniger im Gehen, zum Leseort im Hof des Bürgerheims (die Leseorte des Bücherfests sind traditionell immer im Freien), wo wir einen Zettel vorfanden, dass die Lesung wegen des Wetters (zwar sonnig, aber Regenwolken am Horizont und leichter Regen vorhergesagt, außerdem saukalt) in die Johanneskirche verlegt worden sei. Also schnellen Schrittes dorthin. Wir kamen mehr oder weniger genau richtig, konnten noch kurz durchatmen und das Essen aufessen und fanden um eins ganz okay-e Plätze (der Liebste hinter einer Säule, aber das war ihm egal).

Die Lesung war eigentlich als Interview aufgebaut, also zunächst ein paar ausführlichere Fragen von Thomas Diez (Professor von den Politologen hier am Ort, Fachbereich IB), dann ein kleinerer Leseteil, dann wieder ein paar Fragen und schließlich Fragen aus dem Publikum. Ich kenne Carlo Masala ja in erster Linie als Co-Host des Sicherheitshalber-Podcasts und weiß ihn da, auch im Zusammenspiel mit den drei anderen, als Experten und sicherheitspolitischen Erklärbär sehr zu schätzen. Das Buch hatte mich bis jetzt allerdings noch nicht so angesprochen: Wenn Russland den Krieg gewinnt, ein Szenario mit fiktiven Elementen, ein was-wäre-wenn – bei dem mir der Sinn des Textes nicht so ganz klar war. Nach der Lesung dann schon eher. Es geht im Grunde genommen um eine Analyse dessen, was ist, darauf aufbauend eine Prognose dessen, was sein könnte, mit der Zielsetzung, jetzt zu agieren, damit es so nicht kommt. Was er im Gespräch sehr klar herausarbeitete – wenn auch wenig Hoffnung verbreitend, er traut Deutschland und Europa nicht so richtig viel Resilienz zu, und zwar nicht nur militärisch, sondern tatsächlich im Hinblick auf die Verteidigung unserer Demokratie. Hm.
Wie gesagt am Ende noch drei Fragen aus dem Publikum, davon eine von mir zu seiner Einschätzung der kommenden Wehrpflicht (brauchen wir sie, kommt sie, wenn ja wie) – bissle blöd, dass die Akustik in der Kirche ziemlich schlecht war und sie vorne Mühe hatten, die Frage zu verstehen, aber es klappte am Ende schon (Antwort: ja brauchen wir wegen der übernommenen Nato-Verpflichtungen, kommt und wird vermutlich auf ein schwedisches Modell rauslaufen, also Verbindung von Freiwilligkeit und Verpflichtung, womit ich ehrlich gesagt gut leben könnte). Zum Glück insgesamt schlaue und keine bescheuerten Fragen.

Um halb drei wieder raus aus der (recht kalten) Kirche und erst einmal zum Optiker, meine Brille reparieren lassen (da habe ich ja ein Nasenflügel-Pad verloren, er tauschte mir umsonst beide aus und schraubte auch den Bügel wieder fest, SO VIEL besser). Dann zum Spirituosenhändler des Vertrauens, Karten für ein Whiskytasting im November holen, und zum dm für Taschentücher und DAS SÜPPCHEN, denn das war definitiv der wichtigste Einkauf des Wochenendes und ich wollte ihn erledigt haben, und danach noch auf einen Milchkaffee zum Lieblings-Altstadtrandcafé. Dem Liebsten fiel dabei auf, dass ich seine Lesebrille nicht in die Handtasche gepackt hatte, was mich wunderte, denn ich meinte mich eigentlich daran zu erinnern. Merkwürdig.
Ich greife vor: Als wir ein paar Stunden später wieder daheim waren, war sie dort auch nirgendwo zu finden, und es sieht wohl danach aus, dass ich sie doch eingesteckt und wir sie irgendwo verloren haben. SO blöd. Das wussten wir zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht.

Zunächst einmal zum Kino, wo im großen Saal (wieder wegen Wetter, Regen gab es zwar den ganzen Tag nicht, aber trotzdem) die zweite Lesung für uns stattfinden sollte. (Mit Saša, wie ein paar Leute auf Mastodon begeistert kommentierten, als wären sie alle mit ihm per Du – oder vielleicht hatten sie auch nur eine begrenzte Geduld für Sonderzeichen, wer weiß.) Wir waren deutlich zu früh da und saßen noch vierzig Minuten in der recht neu gestalteten und sehr schönen Lounge des Kinos (beide mit alkoholfreien Cocktails), wo wir nicht nur eine recht große Weinauswahl entdeckten (aus einem Selbstbedienungsautomat, ein etwas lustiges Konzept), sondern auch eine erstaunlich vielseitige Whiskykarte – ich erinnere mich an keine andere Bar in Tübingen, die so eine Auswahl bieten würde. Vielleicht müssen wir da demnächst mal hingehen, nicht zum Filme schauen, sondern einfach zum Whiskytrinken.
Dann also Lesung. Bisschen anstrengend die ständig sehr laut und nervig lachende Frau links von mir, aber davon abgesehen war es ein echtes Event – Saša (ich mache das jetzt auch so) ist ja bekannt dafür, dass er richtig toll vorliest (eigentlich mehr: vorträgt). Er las eine Geschichte aus dem Witwen-Buch und dann noch ein Kapitel aus dem neuen Buch: Mein Unglück beginnt damit, dass der Stromkreis als Rechteck dargestellt wird (lange Titel kann er). Sehr aufwühlend am Ende. Um ein Zitat aufzugreifen: Für „wehret den Anfängen“ ist es jetzt schon zu spät.

Beide sehr nachdenklich nach Hause (mit auch sonst nicht so der besten Laune, nun ja). Dort wie gesagt Lesebrillen-Entdeckung, was meine Stimmung mal so richtig runterzog, und dann war auch noch Magi nicht da und ich ging zum Kohleweg, wo ich ihn aber nicht fand (aber in der WG gegenüber Leute sah, und eine halbe Stunde später kam er angewackelt – vermutlich hatten sie mich rufen hören und ihn rausgesetzt). Das stresste mich auch ganz unglaublich, vielleicht mehr als es sollte, vor allem weil wir ja im Oktober in den Urlaub fahren und er dann halt verlässlich im Haus sein sollte und nicht bei den Nachbarn einziehen, wo die Katzensitterin ihn dann irgendwie in den Hintergärten rufend suchen muss.

Apropos Katzensitterin. Wir haben jetzt eine und sind mit der Urlaubsplanung schon einen großen Schritt weiter. Ich hatte nämlich vormittags über unsere Sitter-App eine neue Sitterin angeschrieben (nachdem unsere normale Sitterin nicht da ist und die Nachbarn auch nicht) und hatte recht schnell Antwort bekommen. Und die vierzig Minuten in der Kino-Lounge hatte ich dann genutzt, um Details abzuklären, die Sitterin verbindlich zu buchen (teuer, aber oh well) und gleich einen Termin zu vereinbaren. Damit mal ein erster SEHR großer Stein vom Herzen. Und da ich gerade so einen Lauf hatte, buchte ich dann gleich noch Fahrkarten für uns beide (Tübingen-München mit Flixbus, bei dieser Strecke vertraue ich der Bahn nicht, München-Garmisch dann Regionalbahn, die fährt stündlich). Hihi.

Aufs Einkaufen hatten wir im Übrigen beide keine Lust mehr (es war halb sieben, wir mussten noch kochen und überhaupt). Wir waren gemüsemäßig ganz gut aufgestellt (Biokistenlieferung sei Dank), sodass wir mal auf unsere Vorräte vertrauten. Der Liebste improvisierte uns eine Art Reibekuchen aus dem Ofen mit geraspelten Kartoffeln, Räuchertofu und Rauch, und ich schaute währenddessen nach den Katern und trank ein alkoholfreies Bier, das der Liebste mir einschenkte. Und das sich irgendwann (als es mir, so auf nüchternen Magen, ziemlich in den Kopf stieg) als eines mit Alkohol rausstellte, upsi. Nun ja. Es blieb bei diesem einen.
Gutes Essen auf jeden Fall. Und weil wie gesagt die Stimmung so ein bisschen gedrückt war und ich keine Lust auf Gedöns hatte, schaute der Liebste sich irgendeinen Katastrophenfilm auf Netflix an und ich nahm Kopfhörer und Laptop und guckte alte Bergwachtfolgen. So als Einstimmung auf den Urlaub, und überhaupt geht dort, zumindest in dieser Doku, am Ende alles immer glimpflich aus.