Laufen und unten bleiben, Dienstag 28.10.2025

Recht gute Nacht, zwischendrin ein paar Wachliegephasen und irgendwann „mitten in der Nacht“ aufgewacht – die Uhr zeigte dann kurz nach sechs. Nun gut. Noch etwas liegen geblieben, aber recht früh aufgestanden. Morgen mit Tee und etwas Schreiben, und als es halb acht wurde (und die Brötchen vom Lieferservice an der Tür hingen, SO großartig) machte ich uns eine Kanne Kaffee und es gab ein klassisches Frühstück – wir waren jetzt ja von unserem Montagseinkauf eingedeckt mit Marmelade und Becel (die vegane palmöl-freie, gar nicht schlecht) und Frühstückssaft und überhaupt.

Mit meinen Trekkingstiefeln war ich nicht gut ausgestattet, das hatte sich bereits am Montag deutlich gezeigt. Erstens reißen dort an beiden Schuhen die Ösen für die Schnürsenkel aus, und zweitens haben sie eigentlich keinen guten Knöchelschutz (zu wenig steif) und vor allem kein gutes, stabiles Fußbett. Hatten sie vermutlich, aber hat sich im Lauf der Jahre (2019 gekauft, als normaler Winterstiefel und damit recht viel getragen) halt immer mehr breitgetreten und aufgelöst. Man merkt halt schon, dass diese veganen Stiefel von einem Schuhhersteller gemacht wurden, der zwar generelle Schuh-Kompetenz hat, aber keine Wanderstiefelkompetenz. Während einer meiner Wachliegephasen nachts hatte ich darüber etwas nachgedacht und entschieden, nach neuen Schuhen zu schauen, schließlich sind wir hier in einer Wanderregion und es ist jede Menge Expertise vor Ort.

Nach dem Frühstück und einer ausführlichen Dusche gingen wir also aus dem Haus und zu einem kleineren Wander- und Skiladen bei uns in der Nähe. (Vor allem gingen wir auch deshalb dorthin, weil wir am Abend davor eine Doku gesehen hatten, „Bergmenschen“ beim BR, wo dieser Laden unter anderem vorkam. Harhar.) Erst einmal etwas unsicher, ob der Laden nicht zu klein oder zu teuer wäre, aber es stellte sich schnell heraus: Gute Wahl. Ausführlichste Beratung von einem sehr netten jungen Mann, meine Füße wurden detailliert vermessen (anscheinend habe ich einen schmalen Mittelfuß), dann wurden diverse Trekkingstiefel und -schuhe herangetragen, und so eine gute Stunde später ging ich mit einem großartigen (und auch ausgesprochen hübschen, hellblauen) Paar Trekkingstiefel aus dem Laden. Teuer waren sie allerdings schon, aber ich befürchte, das wäre überall anders auch der Preis gewesen (gleicher Preis, wie meine Lowa-Wanderstiefel in neu gekostet hätten). Die Marke heißt La Sportiva, sagte mir erst einmal nichts, ist aber ein Top-Ausstatter, wie ich herausbekam.

Wieder heim (mit kurzem Zwischenstopp beim Edeka für ein paar Fitnessriegel) jund gleich mal ein bisschen wanderfertig umgezogen (naja: Normale Jeans, aber grünes Fleece unter der Jacke und halt Wandersocken), ich wollte die Schuhe schließlich einlaufen. Wenn auch keine größere Tour machen, das wäre mit ganz neuen Schuhen wohl vermessen. (Von allem anderen, Füße, Fitnessstand und so, mal abgesehen.) Das Wetter machte auf jeden Fall mit: Zwischen letzten Regenwolken schaute die Sonne heraus, und es war zwar recht kühl durch den Wind, aber trotzdem nicht unangenehm. Um elf gingen wir los. Der Plan: Im Tal an der Loisach entlang bis Grainau, dann mal weiterschauen.

…sehr ruckeliger Anfang, muss ich sagen. Zunächst einmal taten mir bei jedem Schritt beide Füße weh, und zwar an Stellen und auf Arten, die mir bis jetzt völlig unbekannt waren, Achillessehnen, Außenknöchel, Spann, Zehen, einfach überall. Rundes Gehen ging erst einmal gar nicht, ich hinkte verkrampft vor mich hin (und das lag nicht an den neuen Schuhen, obwohl, vielleicht doch: Sie schlossen den Fuß ziemlich gut ein und stabilisierten, und darauf reagierten die Füße wohl zickig, „was willst du von mir Schuh, geh weg, zu viel Aufmerksamkeit! Lass mich!“). Nach einer Dreiviertelstunde fühlte ich mich dazu dann auch noch sehr unterzuckert und zittrig und aufs Klo musste ich auch und überhaupt. (Wenigstens nicht kalt: Die Sonne machte ordentlich warm, ich wurde erst die Mütze, dann den Schal, dann die rote Jacke los.)
Nun ja. Der Liebste und ich teilten uns einen Fitnessriegel, außerdem schlug ich mich zum Pipimachen in die Büsche, und danach wurde es dann sehr schnell besser mit dem Gesamt-Körpergefühl. Und interessanterweise zogen sich die Schmerzen in den Füßen auch ein bisschen zurück. Vermutlich warmgelaufen. Oder die Nerven schmollten irgendwo hinten im Eck und sammelten sich für einen zweiten Angriff.

Um halb eins waren wir in Grainau am Dorfplatz. Die Kuh zeigte uns an, dass, naja, wir für veganes Essen direkt wieder nach Garmisch hätten zurücklaufen müssen, lol, das machten wir natürlich nicht, sondern kehrten im Gasthaus Zum Dorfbrunnen ein. Sehr gemütlich dort, viel Holz, die Grenze zum Kitsch aber nicht überschritten. Natürlich fleischlastige Karte, aber sie hatten (…immerhin) zwei vegetarische Vorspeisen und vier vegetarische Hauptgerichte auf der Karte. Die Bratkartoffeln konnten sie leider nicht ohne Speck machen, wie ich nachfragte, deshalb bestellten der Liebste und ich „ein“ Kartoffelrösti mit Champignons und Salat. Als es kam, war es tatsächlich quasi so groß wie der Teller, haha. Wirklich sehr gut (wenn auch sehr fettig, aber das muss so). Und ich denke, dass das Essen versehentlich vegan war, denn das Salatdressing hatte keinen Joghurtanteil und beim Braten wurde vermutlich keine Butter benutzt, zumindest schmeckte ich keine raus. Hafermilch für den Kaffee gab es nicht, aber egal. Trotzdem zufrieden.

Dann war es also mittags, wir wollten nicht wieder heim und das Wetter war schön – also beschlossen wir, mal durch den Ort zu laufen und zu schauen, ob wir die Seilbahn zur Zugspitze finden würden. Erst einmal Richtung Badersee und Touristeninformation, wo wir feststellten, dass erstens: man höllisch aufpassen muss, mit „Zugspitzbahn“ ist nämlich die Zahnradbahn und nicht die Seilbahn gemeint, zweitens: die Seilbahn am Eibsee abfährt, und der ist noch ein Stückchen von Grainau entfernt, und drittens: nein, eigentlich kein drittens. Man konnte mit dem Bus zum Eibsee fahren oder laufen. Wir überlegten ein bisschen und gingen dann los zum Badersee, der nicht ganz so weit war, erste Etappe sozusagen. (Direkt beim Loslaufen sah ich übrigens, gegenüber der Touristeninformation, zu meiner Freude – und Jörgs Belustigung – das Gebäude der Bergwacht Grainau, die ja in der BR-Bergwachtdoku (quasi als Urlaubsvorbereitung von uns angeschaut) unter anderem vorkommt. Ein Poster der Doku hatten sie neben der Tür hängen, wie wir sahen. Ich ging aber nicht rüber zum Fotos machen oder Hallo sagen, ich bin nämlich nur ein bisschen bescheuert.)

Also zum Badersee, einmal durch den Wald, schöne Strecke, und weil wir schnell da waren und weiterlaufen wollten, gingen wir dann Richtung Eibsee weiter. Vor allem auch deshalb, weil eine Haltestelle in der Nähe einen Bus erst in 50 Minuten gehabt hätte. Ganz bis zum Eibsee schafften wir es allerdings nicht zu Fuß: So langsam kam ich gehtechnisch an mein Limit. Deshalb fuhren wir die letzte Station dann doch mit dem Bus. (Sparten uns dadurch eine ganze Reihe Höhenmeter, es ging am Ende nämlich ziemlich hoch.) Insgesamt aber: Sehr zufrieden mit dem Gehen (Fußschmerzen hatten sich irgendwann komplett verzogen), neue Schuhe absolut super, nur merkte ich natürlich, wie ich leicht rechts und noch viel deutlicher links eine Blase bekam, aber damit hatte ich ja schon gerechnet: Ich kann NIE wandern, ohne dass ich einfach irgendwann eine Blase bekomme. Seufz, seufz, seufz. Neue Schuhe, alte Schuhe, normale Socken, Wandersocken, Fersen eingewachst oder nicht, alles egal: Ich bekomme Blasen.

Anyway. Wir schauten uns erst einmal den Eibsee an und ich machte ein paar Fotos. Insgesamt aber war das ganze Areal dort ziemlich antiklimatisch: Man konnte noch sehen, dass das einmal unglaublich urlaubsmäßig idyllisch gewesen war mit dem See und dem Wald und den Berggipfeln, aber jetzt hatte man das alles halt plus einem riesigen Hotelklotz direkt am Ufer, einem Restaurant, einem Kiosk, der fetten Talstation von der Zugspitzen-Seilbahn, und das alles umrahmt von riesigen geschotterten Parkplatzflächen. Und natürlich Massen an Ausflüglern in allen Formaten und von allen Kontinenten. Dazu natürlich absurde Preise (ein Stück Apfelkuchen für 7 Euro beispielsweise) und überhaupt alles überhaupt nicht ansprechend.
Wir hatten überlegt, mit der Seilbahn auf die Zugspitze zu fahren, aber es war schon recht spät (kurz vor vier) und die Sonne verschwand allmählich hinter den Gipfeln. Dazu die tausend Leute, und als Gipfel (höhö) kam noch dazu, dass man sehen konnte, wie auf dem Berg so ein Wind wehte, dass der Schnee in Schwaden vom Hang davongetragen wurde. Es sah schon von unten saukalt aus. Und nur für ein blödes Foto (für viel Geld) einmal nach oben fahren, darauf hatte ich wirklich keine Lust. Wir beschlossen also: Die Zugspitze von oben lassen wir aus. Ist von unten auch schön.
Wir fuhren also wieder zurück, und zwar mit der Zahnradbahn, was ausgesprochen nostalgisch war mit diesem alten Holzbähnchen. In Garmisch gingen wir noch einmal in den Supermarkt, ein paar Lebensmittel kaufen, und waren gegen sechs wieder daheim.

Dort machte der Liebste uns erst einmal einen Topf Schokopudding (der kam zum Abkühlen auf die Terrasse, die frisch gekaufte Flasche Prosecco kam ins Gefrierfach). Ich kümmerte mich ums Abendessen, briet uns ein paar Pilze an und machte Nudeln mit einer fertigen Tomatensauce dazu, schnelles, aber gutes Abendessen. Danach ein Glas Prosecco und schließlich eine Stunde später Schokopudding als Nachtisch. Diese beiden Punkte waren weniger lecker als erhofft (der Sekt so ein Supermarktprodukt, immerhin vegan und bio, aber irgendwie ein bisschen merkwürdig, und für den Pudding hatten wir keinen Zucker gefunden – beziehungsweise keine kleine Packung, wir hatten kein Kilopack kaufen wollen – und hatten stattdessen Dattelsirup genommen, auch hier: irgendwie ein bisschen merkwürdiger Geschmack), aber völlig egal: Urlaub, da schmeckt ja alles.

Abendunterhaltung viel lesen und ein bisschen Zeugs auf dem Tablet anschauen, eine Bergwacht-Folge und zwei Dokumentationen über das Treiben auf der Zugspitze. Nicht dass ich permanent über andere Leute den Kopf schütteln möchte (und ich gehöre mit meinen Blasen an den Füßen und den kaputten Sehnen und allem ja definitiv auch in die Kategorie „untrainiert“), aber es ist schon teilweise sehr bizarr, was manche Leute sich so vorstellen. Da war ich schon ganz zufrieden, dass wir unten geblieben waren.