Viertel nach sechs wach, obwohl ich am Abend zuvor noch länger gelesen hatte. Katzenmaintenance (nach dem Futterboykott am Vortag hatten die Kater jetzt wieder eifrig Appetit) und Küchenrunde, der Liebste stand kurz nach mir auf. Tee am Esstisch, während es draußen knalldunkel war (nur die Nachbarin schräg gegenüber war wie immer schon wach) und das hereingezogene Zwischentief sich deutlich bemerkbar machte: tiefgraue Wolken, ziemlich windig. Mal sehen, ob der angekündigte Schnee wirklich kommt (hier wohl eher nicht, dazu müsste man dann auf die Alb fahren oder so).
Letzter Tee-Adventskalender war noch einmal ein Jasmintee (man könnte meinen, der Liebste hat wahrgenommen, welcher Tee mein Lieblingstee ist) und dazu eine Holzdeko, die ausgefrästen und mit Glitzer bestreuten Buchstaben XMAS samt Tannenbaum. Das kam gleich mal auf den Adventskranz.
Müsli zum Frühstück, während draußen scheinbar der Gelbe Sack abgeholt wurde (so viel Pünktlichkeit und Eloquenz sind wir von der Müllabfuhr überhaupt nicht gewohnt, aber es waren eindeutige Großes-Auto-Geräusche) und ich einen Einkaufszettel schrieb und die Alnatura-Öffnungszeiten googelte (ab acht). Letzte frische Sachen kaufen und so. Der Liebste versenkte sich währenddessen in seinem Sportvereins-Webseiten-Problem und war insgesamt nur so semigut gelaunt. Nun ja.
Schnelle Dusche, dann gingen wir beide um neun aus dem Haus, zu Bäcker und Alnatura. Unangenehmes Wetter, recht windig, und von wegen Gelber Sack abgeholt: Es lag alles noch rum und war durch den Wind auch teilweise ordentlich durch die Gegend geweht worden. (Um 11 kamen sie dann.) Überhaupt komische Atmosphäre, schmuddelig, Stimmung nicht so gut. Oh well.
Immerhin war beim Einkaufen wenig los. Wir holten beim Bäcker noch ein kleines Baguette, Weihnachtsplätzchen für den Abend und ein paar Körnerbrötchen vom Vortag und schauten einem der Drogis von gegenüber dabei zu, wie er sich hinter uns in der Bäckerschlange anstellte und dabei versehentlich eine volle Flasche Colamix auf den Boden fallen ließ. Große Freude bei den Bäckersleuten. Aber davon abgesehen alles mehr oder weniger entspannt.
Wieder heim, Zeugs abstellen, der Liebste entdeckte den gestern vergessenen Werkstattwagen in der Einfahrt und räumte ihn auf, dann zum Alnatura. Auch da sehr angenehm leer, wir waren zur richtigen Uhrzeit (halb zehn) und am richtigen Tag gekommen (der 23.12. ist normalerweise der schlechtere Tag zum Einkaufen). Aber alle Regale noch voll, wir bekamen frisches Gemüse und Feldsalat und so weiter, überhaupt alles prima, außer dass uns der Kassierer versehentlich für die Cherrytomaten einen falschen (zu hohen) Preis berechnete. Wir wollten aber nicht mehr umdrehen und reklamieren, sondern dringend heim. Nun gut.
Auf dem Heimweg fing es dann zu schneien an, großartig. Also überhaupt kein schönes Wetter zum Draußensein, aber von drinnen sah das halt schon sehr schön aus. Es schneite auch recht ausdauernd weiter, auch wenn nichts liegenblieb (wenig überraschend). Ich räumte die Sachen weg und zog mich dann mit grünem Tee an den Esstisch zurück, und der Liebste verschwand mit Kaffee in sein Arbeitszimmer, an der Webseite weiterfrickeln. Wir hatten keine weiteren Pläne mehr für den Tag (also ich hatte Ideen, aber keine direkten Pläne), also stellten wir uns erst mal auf ein bisschen bummeln ein. Ich schrieb ein bisschen und las das Internet leer, solche Sachen.
Zum Mittagessen das restliche Chana Dal mit frisch gekochtem Reis, danach ein paar Mandarinen. Und dann nahm ich mir ein neues Buch und verschwand damit für quasi mehr oder weniger den restlichen Tag auf dem Lesesessel. Der Liebste war nicht so wirklich ansprechbar und bastelte an der Webseite herum, die Laune war bei ihm dementsprechend, also beschloss ich, mich mal so richtig in ein neues Buch zu versenken. Das machte ich die nächsten Stunden. Draußen schneite es bis zum Abend, dazu war es windig: Kein Spaziergang, stattdessen einfach lesen.
Und das führte dann dazu, dass ich mit dem Buch zum Abendessen fertig war. Es war auch nicht wahnsinnig dick, muss ich dazu sagen. Das Buch: Saša Stanišić, Mein Unglück beginnt damit, dass der Stromkreis als Rechteck dargestellt wird, eine Sammlung an „gehaltenen und ungehaltenen“ Reden, so der schön doppeldeutige Untertitel. Die Reden sind in unterschiedlicher Inhaltstiefe, kreisen häufig um die Themen Krieg und Flucht und Ankommen in der Mehrheitsgesellschaft mit all den Schwierigkeiten und Abgründen, die damit zusammenhängen. Teilweise etwas mühsam, oft herausfordernd, erstaunlich häufig wirklich witzig trotz der schweren Themen. Oder gerade deshalb.
Von allem anderen abgesehen fiel mir eine Sache noch einmal deutlich ins Auge, gerade auch vor meinem beruflichen Hintergrund. Stanisic ist ja mit 14 Jahren nach Deutschland gekommen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem sich sämtliche Fenster des mühelosen (Erst-)Spracherwerbs schon lange geschlossen haben, und er wurde sofort in ein Schulsystem gestopft, das damals (1992) überhaupt noch gar keine Strukturen, geschweige denn Interesse daran hatte, junge Flüchtlinge beim schulbegleitenden Zweitspracherwerb zu unterstützen. (Das ist heute etwas besser, wenn auch noch weit entfernt von „gut“.) Vor diesem Hintergrund ist die Sprachbeherrschung, die er in seinen Texten zeigt, die Wortschatztiefe, die mühelosen Registerwechsel, das Spielen mit der Sprache, ganz ausgesprochen erstaunlich. Wirklich ein einzigartiger Autor, ob man seine teilweise etwas over the top wirkenden Twists und Formulierungen jetzt ansprechend findet (wie ich) oder nicht.
Gegen sieben also tatsächlich fertig, und damit die Zahl des Vorjahres an gelesenen Büchern erreicht (zumindest dachte ich das eine Weile, als ich dann nachschaute, war ich noch zwei Bücher drunter, aber das war mir dann egal). Ich holte den Liebsten aus seinem Arbeitszimmer und wir machten ein klassisches Heiligabend-Abendessen (traditionell zumindest für diesen Teil des Landes), nämlich Linsen und Spätzle und Saitenwürstle. Bei den Saiten hatten wir uns für die Rügenwalder-Variante entschieden (quasi alle anderen im Supermarkt waren nur vegetarisch gewesen, und beim Alnatura hatten wir keine geholt, weil – warum eigentlich, keine Ahnung). Gut, nur etwas zu salzig für meinen Geschmack. Trotzdem einfaches, gutes Essen. Dazu ein Glas Bordeaux, sehr gut. Und als Nachtisch ein paar Lebkuchen, die wir morgens noch vom Bäcker geholt hatten.
Auf sonstiges Weihnachtsgedöns hatten wir keine Lust, der Liebste sowieso Laune und ich fühlte mich auch eher melancholisch gestimmt. Deshalb einfach ein bisschen Blaulichtcontent, und danach (nachdem wir alles abgegrast hatten) noch eine Runde auf Netflix, wo ich mir schon länger die Shaun the Sheep-Serie gebookmarkt hatte. Das war bis zur Bettzeit ganz, ganz großartige Unterhaltung.