Um zehn vor sieben wachte ich auf und fühlte mich, trotz Wein und Likör am Vorabend, ziemlich prima. Abgesehen von der Allergie, die sich anfühlte, als wäre ich kurz vor der Erkältung (tränende Augen, kratziger Hals, rotgeschnupfte Nase, die ganze Haut unglaublich trocken trocken trocken.) Trotzdem gute Laune, ich fütterte den Kater und versuchte, so leise wie möglich in der Küche aufzuräumen, um die Mitschläfer nicht zu wecken. Gelang mir vermutlich eher nicht (zwanzig Minuten später war mit Schwester und Liebstem der Rest des Hauses wach).
Wir starteten den Morgen recht gemütlich, der Liebste blätterte durch die Zeitung, meine Schwester meldete sich per Handy beim Rest ihrer Familie, verschickte Fotos und ähnliches, ich schrieb ein bisschen, für alle der erste Tee. Dann ein sehr ausführliches und morgenfüllendes englisches Frühstück, dieses Mal mit Seitanwurst, Baked Beans, Pilzen und Toast (normalerweise machen wir entweder Wurst oder Bohnen, aber wir waren ja zu dritt). Dazu eine Kanne Tee und ausführliches Unterhalten.
Um halb elf machten wir uns schließlich fertig mit Dusche und Sachen packen, dann holten wir das Auto (einen Kangoo) und luden die Blumen aus dem Baumarkt ein: Wir wollten zum Friedhof. Mit einem kleinen Stopp an einer Apotheke (weil ich tatsächlich vergessen hatte, eine Maske einzustecken, nerv – ich brauchte sie den restlichen Tag allerdings gar nicht) waren wir um halb zwölf auf dem Friedhof im Nachbarstädtchen. Die nächsten anderthalb Stunden waren wir mit Jäten und Buddeln und Pflanzen beschäftigt. Ich war mit dem Resultat ganz zufrieden, zumindest eines der beiden Gräber sah wirklich noch okay aus (das größere hatte unter der Trockenheit mehr gelitten, das ist sowieso der schlechtere Standort – mehr der Sonne ausgesetzt und der schlechtere Boden, dazu mehr Schneckenfraß, wir versenken in dieses Grab einmal pro Monat ungefähr zwei Paletten Pflanzen).
Gegen eins waren wir fertig. Es schien die ganze Zeit die Sonne, war aber trotzdem durch den Wind empfindlich kühl und wir wollten uns auf jeden Fall noch ein bisschen bewegen. Ungefähr zehn Gehminuten vom Friedhof entfernt steht mitten im Wald ein 35 Meter hoher Aussichtsturm aus Holz und Stahl, seit ein paar Jahren eine künstlich produzierte „Touristenattraktion“ (natürlich mit Schotterautobahn, Treppenstufen und einem Wanderparkplatz in der Nähe). Wir gingen trotzdem hin und schauten den Leuten beim Hochsteigen zu, während wir uns unten auf einen Holzblock setzten und erst einmal zu Mittag aßen (wir hatten ein paar Brote mit Pflanzenaufstrich, Karotten und Äpfel eingepackt, meine Schwester hatte außerdem noch aus ihrem Osternest Mürbteighasen und Schokoeier dabei).
Nach dem Essen gingen wir selbst nach oben: Für mich relativ grenzwertig, was die „Luftigkeit“ und Höhe anging. Aber ich schaute einfach nicht nach unten, sondern bewunderte stattdessen den Horizont. Schöner Weitblick, ziemlich diesiges Wetter, kalter Wind (der Turm schwankte ein bisschen).
Dann gingen wir noch eine gute Stunde durch den Wald (ziemlich leergefegter Wirtschaftswald mit ein paar Wanderwegen, erstaunlicherweise sahen wir dort keinen Menschen) und kamen nach einem Bogen wieder am Friedhof an.
In direkter Nachbarschaft zum Friedhof ist ein bewirtetes Wanderheim, und wir hatten Lust auf einen Kaffee, also schauten wir dort vorbei. Es war wie erwartet die Hölle los, der ganze Außenbereich war voll (zusätzlich zu normalen Ausflüglern waren noch zwei größere Gruppen da). Da wir aber nichts essen wollten, bekamen wir einen Platz in der „Lounge“, ein außen am Rand neu gestalteter Bereich mit einem Boden aus Rindenspänen und Paletten-Sitzmöbeln. Im Vergleich zum restlichen Außenbereich (mit Schotter, Garten-Klappstühlen und tausend Leuten) war es bei uns ausgesprochen gemütlich.
Der Liebste holte für uns Radler und Kaffee (es war Selbstbedienung, man holte sich die Getränke drinnen). Der Altersdurchschnitt der Besucher war bei ungefähr siebzig, die Radfahrenden Familien konnten die Rentnergruppen nicht aufwiegen. Der Liebste stellte sich innen in die Schlange: Es trug absolut keiner eine Maske. Er setzte sich seine Maske auf und konnte beobachten, wie die Leute um ihn herum ihn aus dem Augenwinkel ansahen und dann verstohlen selbst Masken aufzusetzen begannen. Ein älterer Mann – der zwei Minuten vorher selbst noch keine Maske auf hatte – murmelte „wenn man die Leute so ansieht, könnte man meinen, die Pandemie wäre vorbei“ vor sich hin. Sehr bizarr, aber solang sich die Leute vom Maskentragen anstecken lassen, ist es ja gut.
Gegen Viertel nach vier fuhren wir den Berg hinunter ins Nachbarstädtchen und verabschiedeten dort meine Schwester, die sich noch mit Freundinnen von ihr traf (das Nachbarstädtchen ist unsere Heimatstadt, und obwohl wir beide seit Jahrzehnten nicht mehr dort wohnen, hat sie noch viele Kontakte dort – im Gegensatz zu mir, meine „alten“ Kontakte sind etwas eingeschlafen). Sehr schöner Besuch: Insgesamt nur 23 Stunden, es fühlte sich aber viel länger an (es war ja auch eine Nacht dazwischen gewesen). Viel gequatscht, viel ausgetauscht… hoffentlich bald wieder!
Wir fuhren heim, brachten noch das Auto weg und merkten dann, dass wir ziemlich platt waren: Ordentlich Sonne, Wind und Bewegung, dazu nahm die Allergie wieder an Fahrt auf. Wir kamen stillschweigend zur Übereinkunft, an dem Abend keine großen Sprünge mehr zu machen, und zogen uns mit Buch aufs Sofa zurück.
Als ich aufwachte, war es halb sieben, haha. Eigentlich hatte ich gar nicht die Augen zumachen wollen, was ein paar Stunden frische Luft so bewirken können.
Schnelles gemeinsames Kochen, eine Art Shepherd’s Pie mit Linsen und Pilzen. Etwas lustig war, dass das Rezept aus dem Dezember-Heft VF&L stammte, Kapitelname: Use up your Boxing Day leftovers. Das besagte „Leftover“ war der Kartoffelbrei, mit der Füllung zusammen fabrizierte man aber wieder ein üppiges Essen mit sechs Portionen. Naja, auf jeden Fall sehr lecker, wir planten einen Teil einzufrieren (mal schauen).
Den restlichen Abend sahen wir die zweite Hälfte Enola Holmes auf Netflix. Man merkt schon ziemlich, dass der Film auf einem Jugendbuch basiert, muss ich sagen, aber das muss ja nicht schlecht sein. Er war auf jeden Fall unterhaltsam, und als der Bösewicht Linthorn das erste Mal den Mund auf machte, erkannten wir auch Owen Harper aus Torchwood wieder (es brauchte nur eine Weile). Alte Bekannte.