Leider wieder sehr (SEHR) warme Nacht, meine Hoffnung, dass sich die große Hitze in der Nacht verzogen hätte, bestätigte sich gar nicht. Im Gegenteil: Die Temperatur sank nicht unter 20 Grad, und da wir im Zimmer kein Fenster öffnen konnten (es gab wie gesagt keins, nur die Tür nach außen), stand die Wärme. Die Bettdecke konnte man vergessen (ohne Bettdecke waren allerdings die Mücken ein Problem), und am Morgen war ich komplett verschwitzt und ziemlich durch.
Erst einmal also eine kalte Dusche und eine Kanne Schwarztee für uns beide, dazu Müsli zum Frühstück (etwas späteres Frühstück, weil wir erst gegen acht aufwachten und die anderen so langsam auch wach wurden). Ein bisschen lesen, ein bisschen planen für den Tag. Und gegen neun packten wir den Rucksack und machten uns auf den Weg nach Locarno. Wenn man schon quasi in Sichtweite des Lago Maggiore Urlaub macht (mehr oder weniger, wir sind halt in einem der Flusstäler, die auf den See hinführen), dann wäre es ja schade, ihn komplett auszulassen.
Der Zug war dieses Mal recht voll, wir bekamen keine Sitzplätze mehr. Natürlich Touristen, aber auch „normale“ Leute, es wurde fast nur Italienisch gesprochen (der Schaffner wollte unsere Tickets nicht sehen – vermutlich hat sowieso jeder das inklusive ÖPNV-Ticket – und scherzte die ganze Fahrt mit zwei Teenagern auf Italienisch, nur einmal wechselte er auf Deutsch, um eine Frau davon abzuhalten, in einem Vorort von Locarno auszusteigen – „das ist noch nicht Locarno“, und dann wieder zurück auf Italienisch. SO neidisch bin ich da). Angenehme Fahrt insgesamt. Ich bin immer noch fasziniert davon, wie toll der Urlaub ohne Auto geht.
Dann also Locarno am See. Schon sehr schön gelegen, so zwischen den Bergen, aber sehr touristisch – in Seenähe gab es quasi gar keine „normalen“ Gebäude, ausschließlich Hotels. Dazu natürlich ein Laden am anderen, Damenkleidung, Schuhe, Taschen, Zeugs. Nicht *nur* Quatsch, auch normales Zeug, aber halt offensichtlich auf die Rolle als Touristenort ausgerichtet. Wir bummelten über einen kleinen Straßenmarkt in der Nähe des Bahnhofs (da gab es aber in erster Linie Kitsch) und warfen einen Blick in die Schaufenster. Es war recht voll, aber man konnte noch ganz gut herumspazieren, das war angenehm. So richtig shoppen wollten wir nicht, aber einmal nach Schuhen schauen.
Die meisten Schuhläden hatten eher so „modische“ Damenschuhe und halt Birkenstocks und so, aber dann fanden wir einen Schuhladen mit Sportschuhen und kauften für uns beide ein. Wir schlauen Menschen haben nämlich irgendwie nicht bedacht, dass es sinnvoll wäre, wenn man quasi-Camping macht, so etwas wie Badeschlappen zu haben (vor allem der Liebste hatte gar keine Sandalen dabei, nur Wanderschuhe, Schwimmschuhe und Sneaker). Er kaufte also klassisch brasilianische Flipflops (Havaianas) in dunkelgrün, und weil ich zwar Sandalen dabei habe, aber keine Badeschlappen (meine sind ja vor ein paar Jahren im Bodensee verschwunden, und die Schwimmschuhe, die ich mir da gekauft habe, eignen sich zum Duschen und so nur bedingt), kauften wir noch klassische Adiletten für mich. In blau. (Ich sah später auf der Hütte noch vier Paar blaue Adiletten herumliegen oder an diversen Füßen – es sind halt die Klassiker, aber ich werde auf meine gut aufpassen müssen.)
Alles prima also, nur dass sich der Bezahlvorgang etwas holprig gestaltete und erst im dritten Anlauf klappte – beim Inspizieren meiner Kreditkarte stellte ich fest, dass der Magnetstreifen hinten zerkratzt ist und wohl nicht mehr funktioniert. Sehr doof. Ich bekomme bald eine neue, deshalb lohnt sich ein Ersatz nicht mehr, aber trotzdem gingen wir danach noch zu einer Bank und holten ein bisschen Bargeld – nur falls die Kreditkarte ganz schlapp machen würde. Just in case. (…der Liebste hatte nämlich seine nicht dabei, ich meine von meinem eigenen Konto auch nicht, und die EC-Karte wurde nicht genommen.)
So. Erste Mission erledigt, als nächstes zum See. Mittlerweile war es wieder sehr heiß und in der Sonne unangenehm, wir waren beide ziemlich verschwitzt. Nach ein bisschen Spaziergang an der Seepromenade entlang (wirklich schön gemacht, die Autos sind angenehm weit weg, stattdessen parkähnliche Gestaltung mit Rasen, Blumen, Agaven, Palmen, Spazierweg, sehr vielen Bänken) kamen wir an einen Bereich, wo die Ufermauer aufhörte und durch große Steine ersetzt wurde. Auf den Steinen konnte man sitzen und auch einigermaßen praktisch ins Wasser gelangen, zwar kein Sandstrand, aber es ging trotzdem. Also suchten wir uns einen Platz und gingen schwimmen, erst der Liebste, dann ich.
Gute Idee. Nur war das Wasser warm wie in der Badewanne, man konnte fast nicht abkühlen. Und das Reinklettern gestaltete sich auch eher nicht so elegant, weil die Steine teilweise mit Algen bewachsen und glitschig waren (und ich mir nicht die Schienbeine anschlagen wollte, es gab große Felsen auch teilweise unter Wasser). Aber egal: Wenn man im Wasser war und ein paar Schwimmzüge vom Ufer weggemacht hatte, wurde es wunderbar.
Ein bisschen trocknen lassen in der Sonne, dann zogen wir uns um (etwas genant mit Handtuch um die Hüften und so, wir waren aber beileibe nicht die einzigen, die dort von Badekleidung in normale Kleidung wechselten) und gingen wieder zurück in Richtung Stadtzentrum. Die Kuh zeigte uns 200 Meter weiter ein italienisches Restaurant mit veganen Optionen an, (wie alle Restaurants dort war es an ein Hotel angeschlossen) das auf der Terrasse zwei Plätze für uns hatte.
Erste Versuche auf Italienisch: „Un tavolo per due, per favore“ – „per mangare?“ – „si, mangare“ – „blablabla due minute va bene?“ das verstand ich dann nicht mehr, aber der Liebste schloss aus dem Kontext, dass uns ein Tisch in der Ecke für in zwei Minuten angeboten wurde, und antwortete todesmutig mit „bene“, und damit waren unsere Italienischkenntnisse erschöpft und wir hatten einen Tisch. Und der Kellner wechselte auf Deutsch, haha – der zweite Kellner, der uns bediente, sprach dann aber tatsächlich nur noch Italienisch mit uns. Klappte aber gut. (Die Karte war dreisprachig, zum Glück.)
Sehr gutes Essen. Für uns beide ein gemischter Salat vorab, dann eine Pizza Marinata für den Liebsten und Pasta alla Norma für mich, und dann war leider kein Platz mehr für den veganen Schokoladenkuchen, den es auch noch gegeben hätte. Stattdessen nur noch due espressi, und bevor das Suppenkoma einsetzen konnte, zogen wir weiter.
Der Liebste hatte morgens ein weißes T-Shirt angezogen, was bei den Temperaturen keine optimale Idee war, denn so wurde das ganze irgendwann zum wet-shirt-contest und war nicht mehr so wirklich ansehnlich. Ein paar Meter vom Restaurant entfernt gab es einen Kleiderladen mit jeder Menge Shirts, vor allem Outdoor- oder Sportsachen, und da fand der Liebste ein sehr schönes Sportshirt in hellgrün, aus schnell trocknendem Material und durch seine melierte Struktur auch einigermaßen fleckenresistent. Und die Kreditkarte funktionierte, hurra.
Damit hatten wir genug von Locarno gesehen (und ganz ehrlich: Wirklich nichts gegen die Stadt, aber wenn ich da zwei Wochen Urlaub machen würde, in einem Hotel am See, würde ich mich zu Tode langweilen) und fuhren wieder. Auf dem Rückweg stiegen wir in Verscio aus und kauften noch ein paar Lebensmittel für die zweite Wochenhälfte im dortigen Coop. Wir verpassten den Zug zur Weiterfahrt um eine halbe Minute – wir sahen ihn einfahren, aber weil das ein Bedarfshalt ist und wir am Bahnhof hätten drücken müssen, fuhr er durch. Zum Glück fährt alle halbe Stunde ein Zug.
In Intragna waren wir dann gegen sechs Uhr. Dort auf dem Dorfplatz vor der Schule (es gibt auch einen „Marktplatz“ mit Brunnen im Dorfkern vor dem Rathaus, aber der ist wirklich winzig) war ein kleiner Markt aufgebaut: Ungefähr zehn Stände mit handgemachten, lokalen Sachen, vor allem Kunsthandwerk und Sachen zum Essen. Alles sehr niedlich. Wir schauten uns ein bisschen um und kauften schließlich einen Kastanienlikör und eine Limonen-Mistel-Marmelade als Mitbringsel für die Katzensitter. Gegen später war auch noch Livemusik geplant, aber das sparten wir uns und stiegen den Berg wieder nach oben. (Mit Mini-Zwischenstopp im Bioladen, weil der Coop zwar vieles gehabt hatte, aber keinen veganen Feta und keine Brotaufstriche.)
Dort erst einmal kalt duschen, ein bisschen lesen, wir spielten ein paar Runden, dann Abendessen: Spaghetti mit einem Glas Fertig-Tomatensauce, die wir mit einer Zwiebel und einer halben Packung roter Linsen aufstockten. Nicht gerade das beste Essen auf der Welt (diese Fertigsaucen hat man einfach sehr schnell über). Aber es war völlig in Ordnung, ging schnell, machte satt und einigermaßen gesund war es vermutlich auch noch.
Ansonsten keine weiteren berichtenswerten Ereignisse (spielen, lesen, einigermaßen früh ins Bett) – abgesehen vom spektakulären Höhepunkt des Abends: Als wir gerade nach dem Essen mit unseren Büchern am kleinen Balkontisch saßen und über den Garten schauten, hörte ich es plötzlich rascheln und grunzen – und ein paar Sekunden später latschte ein Wildschwein in den Garten. Ich war völlig fasziniert. Es hatte uns offensichtlich wahrgenommen (wir waren nicht gerade leise), begann aber völlig ungerührt ungefähr 20 Meter von uns entfernt, Das Fallobst vom Apfelbaum zu fressen. Irgendwann marschierte es weg (und dabei an einem der Teenager vorbei, der gerade auf dem Weg zurück war und ganz aufgeregt angerannt kam „das Wildschwein, ganz nah an mir vorbeigerannt!“), kam nach fünf Minuten wieder, sprang erstaunlich agil eine Treppenstufe des Terrassengartens nach oben und fraß weiter, von uns beobachtet (und ein paar anderen, denn wir hatten natürlich gesagt, dass es ein Wildschwein im Garten gab, und deshalb waren ein paar zum Schauen gekommen). Schließlich kratzte der Metallstuhl des Liebsten über den Steinboden, das war ihm wohl zu laut und es marschierte in Richtung Wald davon. Sehr schönes Tier. (Eine Wildsau, dem Aussehen nach, da recht schlank und ohne Hauer. So müssten alle Schweine aussehen.) Es scheint in der Nähe zu wohnen und den anderen schon mehrfach über den Weg gelaufen zu sein (als ich sagte „da ist ein Wildschwein im Garten“, war die erste Reaktion „ah, ist sie wieder da“). Sehr ärgerlich nur: Ich hatte kein Handy griffbereit.
Wir gingen auf jeden Fall bald darauf ins Bett, ganz glücklich über die nahe Natur. Es gab auch jede Menge Zauneidechsen und Libellen und Eichelhäher und der Liebste hatte schon zweimal einen Schwalbenschwanz gesehen und überhaupt. Und jetzt ein Wildschwein. Nur auf die Ameisen und die Stechmücken könnte ich gerne verzichten.