Ganz okay geschlafen, trotzdem sehr müde am Morgen – ein Prüfungstag vor mir, ich musste früh aufstehen. Das Weckerlicht tat seinen Dienst, sodass ich einigermaßen sanft wach wurde, aber trotzdem: anstrengend. Allerdings fand ich es sehr angenehm, dass der Liebste schon vor mir wach war und die Katzenmaintenance übernommen hatte (ich hörte ihn unten herumklappern). Dadurch konnte ich in meinem Tempo aufstehen, ohne bettelnde Katze, die mir bei jedem Schritt am Knie klebte. (Es sind die niedlichsten Tiere auf der Welt – mal abgesehen von allen anderen niedlichen Tieren – aber sie sind halt auch so unfassbare Nervbolzen.)
Der Liebste hatte auch schon ein Müsli gemacht, dass ich mir einpackte, und nach einer schnellen Tasse Tee und einer Dusche radelte ich auf kurz vor acht ins Büro. Nicht ohne Komplikationen: Als ich mein Fahrrad aus dem Schuppen holen wollte, sah ich eine braune Amsel, die mitten auf dem Kohleweg nach hinten saß. Leicht auf den Boden geduckt, die Flügel links und rechts etwas weggespreizt. Ich dachte sofort an eine Verletzung (Flügel angeknackst? Beinchen kaputt) und holte den Liebsten, aber als er nach ihr sehen wollte, flüchtete sie (nicht fliegend, eher so über den Boden flatternd) ins Gebüsch, wo wir sie nicht mehr zu fassen bekamen. Ich fuhr also los und hoffte, dass sie sich schnell erholte. Oder zumindest die Katzen der Nachbarschaft sie nicht zu sehen bekamen.
Ein Prüfungstag, bei dem ich die Hauptverantwortung trug, aber in der Aufsicht Unterstützung hatte, sodass ich nebenher recht viel Bürozeit hatte, die ich nutzen konnte. Ein Großteil der Leute war von mir im Unterricht vorbereitet worden, ich war also emotional etwas mehr involviert, umso besser, dass ich etwas weniger von der praktischen Aufsicht übernehmen musste.
Relativ anstrengender Tag, weniger wegen der Prüfung, bei der alles glatt lief, sondern eher weil tausend Kleinigkeiten nebenher liefen und erledigt werden wollten, Kolleg:innen, die Fragen hatten, ein Telefonanruf, der deutlich länger dauerte, als ich geplant hatte, Zeugs. Nun ja. Eine Mini-Pause konnte ich wenigstens machen (ich war froh, dass der Kartoffelsalat einfach so schnell wegzuessen war, ohne Aufwärmen und Gedöns). Ansonsten war ich den Tag über gut beschäftigt.
Um sechs ging ich zur Post, blöderweise sogar zweimal, weil wir im Büro die passenden Paketverpackungen nicht mehr hatten, sodass ich erst welche besorgen musste (…und bei der Post gab es die passende Größe auch nicht mehr, ich musste also erst recht irgendwie improvisieren, nerv). Beim zweiten Gang an den Schalte sah ich vor mir eine Frau, die am Ende ihrer Transaktion vom Postangestellten untergehakt und bis vor die Tür gebracht wurde. Etwas merkwürdig, bis ich verstand, dass sie stark sehbehindert war und deshalb Hilfe bekam. „Ich finde dann draußen jemanden, der mir weiterhilft“ war ihre Antwort auf seine Frage, ob sie dann weiter zurechtkäme.
Prompt stand sie noch draußen wartend vor der Tür, als ich fertig war. Ich sprach sie also an, ob sie Hilfe bräuchte. Ach ja, ob ich sie ein paar Meter bis zum Zinser bringen könnte, wenn ich sowieso in diese Richtung laufe? Und auf weitere Nachfrage, wo sie denn genau hinmuss (eigentlich in eine Apotheke zwei Straßen weiter) brachte ich sie dann komplett bis zur Apotheke, das lag sogar mehr oder weniger in meine Richtung. Also so ungefähr, ich musste einen Bogen laufen, aber egal. Ich finde das Konzept, sich als sehbehinderter Mensch („ich sehe nicht mehr so gut“ war ihre Aussage, leichter Euphemismus, würde ich sagen) einfach in Richtung Stadt aufzumachen und zu hoffen, dass jemand sie freundlicherweise von Straßenecke zu Straßenecke begleitet, ja schon etwas abenteuerlich. Würde sie das andererseits nicht machen, würde sie halt auf einen Schlag ihre komplette Unabhängigkeit verlieren, kein Gang zur Post oder Apotheke oder irgendetwas mehr möglich. So gesehen: Warum nicht.
Um kurz nach halb sieben war ich daheim und traute fast meinen Augen nicht, als ich mein Fahrrad wieder zum Schuppen bringen wollte und die Amsel an der exakt gleichen Stelle wieder mitten auf dem Kohleweg saß! Okay, klarer Fall für die Tierklinik, entschied ich, und rief den Liebsten, der mit einer Transportbox kam, die Amsel aufhob und in die Kiste setzte.
Nur fand die das gar nicht so toll. Sie flatterte heftig und biss den Liebsten sogar kräftig in den Finger, als er sie hochnahm und einen Moment nicht aufpasste. Wir bekamen so langsam unsere Zweifel, ob wir es wirklich mit einem verletzten Tier zu tun hatten. Der Liebste schaute sich Füße, Bauchraum und beide Flügel an: Sah alles gut aus, keine Verletzungen zu erkennen, und wie gesagt: Sie war ausgesprochen agil und am Zappeln. Nur recht klein war sie, und da kapierten wir schließlich, dass wir es mit einem Jungvogel zu tun hatten, der offensichtlich das Nest bereits verlassen hatte, aber noch nicht vollständig fliegen konnte. Und sich deshalb als unauffällig graubauner Vogel auf den Boden drückte, super Tarnung, außer wenn es halt mitten im Weg ist und sie quasi ständig Gefahr läuft überfahren zu werden. Wir setzten die Amsel also wieder ins Gebüsch, etwas weg vom Kohleweg und ein bisschen sichtgeschützt, damit sie kein Katzenopfer wird (aber schon in der Nähe, damit die Eltern sie trotzdem noch finden). Ich hoffe mal, dass sie damit dann einigermaßen sicher ist, bis sie fliegen kann. Ein paar Tage dauert diese Phase, sagt das Internet, und der Fachbegriff ist „Ästling“. Das sollte sich die Amsel mal zu Herzen nehmen und im Gebüsch auf einem Ast sitzen und nicht auf der Fahrrad-Hauptverkehrsstraße. Meine Güte.
(Übrigens: „Ab Ende April“ sieht man laut Wikipedia scheinbar die ersten Ästlinge in den Gärten. Aber das ist ja nichts Neues, dass nicht nur die Blumen, sondern auch die Vögel phänomenologisch einen Monat früher dran sind.)
Nun ja. Gemeinsames Kochen, auch wenn ich eigentlich furchtbar müde war und gern ein paar Minuten Ruhepause gehabt hätte, aber die holte mich mir, während die Spaghetti gar kochten. Das Rezept sah Pasta mit Bärlauch und Kirschtomaten vor, von uns mit geschmorten Pilzen ergänzt. Ganz gutes Essen, nur weiß ich nicht, ob ich so ein richtiger Bärlauchfan werde (bis jetzt selten gekocht, ich hatte mal einen Bund in der Gemüsekiste bestellt – selbst suchen werde ich sicher nicht). Irgendwie schon ein sehr strenger, unangenehmer Geruch, und geschmacklich nichts, was mich jetzt vom Hocker reißen würde. Aber schon okay.
Restlicher Abend SG1, ein Blick ins Internet, zwei schlafende Katzen neben uns (unsere alten Kater werden die Ästlinge hoffentlich in Ruhe lassen). Kein Alkohol weil immer noch Fastenzeit, außerdem beide müde. Das lange Wochenende kommt sehr gelegen.