Angezogene Handbremse, Samstag 12.7.2025

  • Beitrags-Kategorie:Tagebuch / Whiskey

Gut geschlafen, am frühen Morgen war mir die Sommerdecke tatsächlich wieder zu dünn (ich hatte Fenster und Terrassentür aufgemacht und auf dünne Decke gewechselt, weil so ganz langsam der Sommer wieder zurückkommt, mit momentan quasi perfekten Temperaturen). Viertel nach sieben stand ich auf, als Magi leicht empört ins Schlafzimmer kam – die Tür ist seit ein paar Wochen wieder auf, damit es wirklich durchlüftet, bis jetzt hat er sich aber mit frühmorgendlichen Besuchen aber zurückgehalten, und viertelacht ist ja auch nicht wirklich früh. Also Aufstehen, Zeugs für Harold zur Seite räumen, Katzenmaintenance, Küchenrunde, tierische Überreste auf der Terrasse wegräumen (der Kater scheint wieder zur Selbstversorgung zu greifen, kein Wunder dass er an dem sündhaft teuren Low Protein-Futter kein Interesse zeigt), irgendwann kam auch der Liebste dazu.

Drama im Alltag: Mein geliebter Jasmintee aus dem Teeladen ist leer, und obwohl ich im Büro Beutel-Jasmintee habe, hatte ich nicht daran gedacht, zwei oder drei Beutel einzupacken. Und zum Teeladen in der Innenstadt waren wir auch nicht gekommen (das muss man ein bisschen extra einplanen, wenn es nicht der Liebste auf seinem Arbeitsheimweg macht – hatte er aber auch vergessen). Ich trank also schweren Herzens als ersten Tee des Morgens einen Irish Breakfast mit Hafermilch, was natürlich völlig in Ordnung ist: In Irland habe ich den ständig getrunken. Also mal abgesehen von meiner Tasse Jasmintee am Morgen, den hatte ich mir da nämlich auch gekauft, und Morgenroutinen sind Morgenroutinen. Oh well. Manchmal braucht man vielleicht kleine Herausforderungen.

Der Liebste ging erst einmal Brötchen zum Frühstück holen, dann ausführliches Frühstück, während oben Harold fuhr. Den restliche Vormittag wenig Spannendes: Ich las das Internet leer und räumte ein bisschen in der Wohnung herum, bestellte Zeugs (ein paar englische Bücher, ein paar Hosenbügel), räumte trockene Wäsche weg. Das Spannendste war noch eine Runde Sport: Nachdem ich mir ja im Workshop am Mittwoch Inspiration geholt hatte, wollte ich das gleich mal umsetzen. Begleitet von einem Podcast probierte ich also Liegestütze am Fensterbrett, Squats (klingt besser als Kniebeuge), tiefe Hocke, Waden dehnen, anschließend die acht Bewegungen der Wirbelsäule. Dauerte so ungefähr 25 Minuten und war gerade im richtigen Maß anstrengend. Keine Ahnung, wie intensiv ich das umsetzen oder durchhalten werde, aber jetzt fühlte es sich erst einmal gut an. Danach war ich bereit für eine Dusche.

Mittags gab es den restlichen Blattsalat, Blattsalat, der Liebste briet Maultaschen mit einem gewürfelten Tofu an. Danach ein halber Nusszopf, der beim Bäcker morgens mitgenommen hatte werden wollen, und etwas Kaffee.
Den Nachmittag verbrachte ich mit Zeitschrift und Laptop mehr oder weniger auf dem Sofa. Im Haus war es relativ kühl, draußen wurde es warm, und so richtig zog es mich nicht raus. Zumindest bis fünf, dann gingen wir auf Einkaufsrunde zu Alnatura und dm, schnell erledigt, wir brauchten wenig.

Wieder daheim, räumte ich die Sachen weg und wischte oben, der Liebste machte uns währenddessen Spaghetti mit Pesto. So als Grundlage, denn wir hatten für den Abend Karten fürs Whiskytasting. Ein kleiner Fail unsererseits allerdings: Als ich die Karten gekauft hatte, hatte noch keiner von uns ans Stadtfest gedacht und vor allem der Liebste nicht auf dem Schirm gehabt, dass er beim Sportvereinsstand nicht nur auf- sondern auch wieder abbauen musste. Das bedeutete mitten in der Nacht gegen zwei den Transporter in die Altstadt fahren, einladen, zum Sportheim fahren, wieder ausladen, heim. Da passte logischerweise überhaupt kein Whisky davor, weswegen ich am Tag davor schon zwei Kolleg:innen gefragt hatte, ob sie mit mir mitkommen oder die Karten komplett übernehmen wollten. Es hatte aber logischerweise keiner Zeit (klar, welcher Mensch mit normalem Sozialleben hat denn spontan am Samstagabend Zeit). Nun ja. Der Liebste beschloss also doch mitzugehen und nur zu riechen und zu nippen (man bekommt ja sowieso nur sehr kleine Portionen) und mir den Rest zu überlassen.

Um halb acht also in die Stadt zum Whiskeytasting, und dieses Mal korrekt mit e geschrieben, denn das Motto lautete „Irland versus USA“. Eine Region, in der ich mich recht gut auskannte, eine, von der ich überhaupt keine Ahnung hatte, ich war gespannt.
Als Starter gab es einen Schotten (Glenmorangie Triple Cask, unaufgeregt, leicht sahnig), dann drei Iren, vier Amerikaner. Den ersten der drei Iren, Teeling Single Pot Still, hatten wir schon daheim, die beiden anderen waren aus einer für uns neuen Destillerie, Dingle (aus Westirland, direkt von der Atlantikküste). Eine kleine Destillerie, die gegen die großen Namen etwas ankommen und die alte Tradition wiederbeleben will. Allein, ich kam nicht so richtig rein. Der erste der beiden, ein im PX Sherry-Fass ausgebauter Single Malt, war noch wirklich nett mit einem Geruch nach Leder und Früchten und einem relativ vielschichtigen Geschmack (Pfeffer, Sprit, Tonkabohne), aber beim zweiten, einem Single Pot Still Small Batch (mit wundervollem irischen Namen, allein deshalb hätte ich ihn eigentlich mögen müssen: Giranstad an Tsamhraidh), kam ich irgendwie nicht hinter den Geschmack. Er war ausgesprochen weich und ölig auf der Zunge, aber ich konnte weder viel schmecken noch viel riechen. Dass der Liebste ja nur minimalst nippte, weil er nichts trinken durfte, machte die Sache nicht besser, weil ich mich dadurch irgendwie etwas gehemmt fühlte. Nun ja.

Die vier Amerikaner waren dann wie erwartet deutlich anders, man merkt den Fokus auf Roggen und Mais beim Brennen schon sehr deutlich. Alles aus Kentucky, mit Michter’s eine eher kleinere Destillerie, von der wir drei Sachen probierten: einen American Whiskey (was bedeutete, dass es hier überhaupt keine Einschränkungen bei der Herstellung gibt, wie ich lernte), im Bourbonfass ausgebaut und „unblended“, was man extra dazuschreiben muss wegen wie gesagt „alles erlaubt“, dann einen Kentucky Straight Rye („Straight“ heißt immer: Virgin Oak, noncoloured, mindestens 2 Jahre gereift – für den europäischen Markt müssen das 3 Jahre sein, sonst darf man es hier nicht als Whiskey verkaufen) und schließlich einen Kentucky Straight Bourbon (Bourbon: der Maisanteil muss bei mindestens 51% liegen). Dieser, mit 45,7% mit ordentlich Gehalt, war tatsächlich interessant. Man roch (wie bei allen) das frische Holz sehr deutlich, im Geschmack war er dann ausgesprochen vielschichtig, süßlich, nach Karamell und Früchten schmeckend, aber mit ziemlichen Alkoholspitzen.
Der letzte Whiskey des Abens war dann eine große Destillerie, Knob Creek, das Edelprodukt aus dem Haus Jim Beam. Und so ungern ich das sage, aber das war dann schon ein Höhepunkt des Abends. Kentucky Straight Bourbon, 50% Alkohol, 9 Jahre gereift, Farbe nach Bernstein, Geruch nach Lösungsmittel und frischem Holz, im Geschmack sehr weich, sahnig, es fühlte sich fast wie ein Dessert an. Das ist ein Whiskey, den wir uns merken können.

Wir nahmen allerdings nichts mit, Einkaufsrabatt hin oder her. Der Liebste hatte ja quasi nichts getrunken, ich aus reiner Solidarität auch wenig, so richtig vom Hocker gehauen hatte mich nichts, und deshalb waren wir nicht so wirklich in Laune. Was auch okay ist, unser Whiskyschrank ist voll genug. Auf jeden Fall waren wir nüchtern, aber trotzdem gut gelaunt, als wir (mit noch einem Schlenker übers Stadtfest, die Stadt immer noch knallevoll, Party in vollem Gange) nach Hause gingen. Daheim verschwand ich sofort ins Bett, mit geschlossener Schlafzimmertür, während der Liebste wach zu bleiben versuchte. Und ich einschlief.