Vom Schreiben und Schweigen

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Aussagen, die ich in den letzten Jahren am Fließband gehört oder gelesen habe:
„ Unsere Welt brennt an allen Ecken und Enden.“
„Dieser Tonfall, diese Aggressivität – was ist nur los mit den Leuten?“
„Jeder ist am Limit, keiner hat mehr Zeit, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen…“
„Jeden Tag eine neue Katastrophe, man hat keine Lust mehr, auch nur eine Zeitung aufzuschlagen.“
„Man müsste wirklich was machen.“ (Seit dem Aufkommen der AfD noch in der verstärkten Form: „Nur wählen gehen langt nicht! Man muss aufstehen! Endlich was tun!!“)

Dazu kommen mir einige Repliken in den Sinn, Fragen vielmehr: Tun? Ja, auf jeden Fall. Was? Wo? Wie? Das Gefühl von Kleinheit und Hilflosigkeit scheint manchmal übermächtig, wenn man sich alleine fühlt auf weiter Flur mit seinen Meinungen, oder wenn man zwar Gleichgesinnte trifft, die aber genau wie man selbst in einem ständigen privaten Mehrfrontenkrieg aus Karriere, Familie, Work-Life-Balance stecken – was dann tun?
Rückzug ins Private? Kann man machen. Zeitung abbestellen. Sich nicht mehr aufregen. Blumen im Garten pflanzen. Kaffee trinken. Die Nachbarn grüßen, den Kater streicheln, in der Arbeit das Tagespensum erledigen, die restliche Welt Welt sein lassen.

Nur dass es das Private nicht mehr gibt. Vielleicht nie gegeben hat. Die Welt, die überall brennt, hat den unangenehmen Effekt, dass man zumindest den Rauch, oft auch die Hitze des Feuers, zu spüren bekommt, egal, wie sehr man sich zurückziehen will. Jede Handlung wird politisch. Mein Konsum. Mein Medienkonsum. Mein Platz in der Arbeitswelt. Mein Aufbegehren gegen oder mich Einfügen in kapitalistische Grundstrukturen.
Mein Small Talk, bei dem so viele Dinge ungesagt bleiben. Mein Ärger über Hetze und Polemik, den ich nur im sicheren Rahmen meiner Filterblase zum Ausdruck bringe. Mein Eintauchen in die Popkultur, begleitet von dem ständigen vagen Gefühl, dass wir auf diese Art der unbeschwerten Belanglosigkeit kein Recht mehr haben. Frei nach Bertolt Brecht: „Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über Doctor Who fast ein Verbrechen ist…“

Nun habe ich schon einiges an politischem Engagement hinter mir. Kenne leider auch dort das Gefühl von Ohnmacht angesichts von eisernen Machtstrukturen, an denen man sich die Finger blutig stößt, wenn man sie auch nur einen Millimeter in Richtung der besseren Welt verbiegen möchte. Das Gefühl von Naivität, mit dem man in Fußgängerzonen Flyer verteilt, Plakate klebt, auf Versammlungen geht und am Ende doch dabei zusehen muss, dass man in einer Minderheit ist, immer zu wenig ist. Auch weil die Gleichgesinnten das unfehlbare Talent besitzen, sich über kleinste Details zu streiten und dabei selbst zu lähmen bis zur absoluten Bewegungslosigkeit.

Also dieser Blog.
Ich neige zum Pessimismus und habe deshalb schon länger die Befürchtung, dass unser Point of no return bereits überschritten ist. Dennoch möchte ich sagen oder schreiben, was ich denke. Nichts sagen tun schon genug. Um Martin Luther King zu zitieren:  Unsere Generation wird eines Tages nicht nur die ätzenden Worte und bösen Taten der schlechten Menschen zu bereuen haben, sondern auch das furchtbare Schweigen der guten.
Die Themen beschäftigen sich mit dem, was mich beschäftigt: Aktuelle Politik. Gesellschaftliche Strömungen. Feminismus. Ökologie. Veganismus. Ökonomie. Dazwischen immer wieder der Alltag, mein Alltag.
Vielleicht ab und an ein beruhigendes Bild dazwischen. Wir werden sehen.