Dem Kater über Wochen beizubringen, dass es sich lohnen könnte, mal um fünf bei uns vorbeizuschauen, zahlte sich aus: Er ließ sich nicht davon abbringen. Da man bei einem aufgeregt miauenden Kater nie hundertprozentig sicher sein kann, ob er jetzt einfach nur hungrig ist oder vielleicht doch eine lebendige Maus ins Haus geschleppt hat oder der Keller unter Wasser steht oder ein Marder im Garten ist (alles schon gehabt), stand der Liebste schließlich auf und sah nach. (War nur Hunger.) Ich blieb noch liegen bis sechs.
Wir nahmen uns am Morgen nur wenig Zeit, eine Tasse Tee und einmal schnell durch die Zeitung geblättert, eine schnelle Dusche, dann packte ich meine Sachen und machte mich auf den Weg ins Büro, der Liebste begleitete mich hin. Unterwegs machten wir einen Stopp bei unserem Lieblingsbäcker und holten uns ein Frühstück (Laugencroissant, Brezel und Chiabrötchen, wie alles von diesem Bäcker sehr gut und – vermutlich bis auf das Croissant – sogar vegan).
Ab halb neun war ich an meinem Arbeitsplatz in der Firma, schaute erst einmal nach meinen Mails und hatte dann einen Einzelunterricht. Danach bearbeitete ich dann die Zertifikate der letzten Prüfungen, einer der beiden Gründe, warum ich an dem Tag vor Ort arbeitete.
Um zehn nach zwölf rief ich den Liebsten daheim an, dann gingen wir beide los und trafen uns ziemlich genau gleichzeitig beim afrikanischen Imbiss, wo wir unser Mittagessen holten. Da ich etwas mehr Zeit für die Mittagspause hatte, konnten wir daheim essen. Das Frühstück war zwar gut gewesen, hatte aber nicht sonderlich lang vorgehalten, deshalb hatten wir ordentlich Hunger und teilten uns nach dem Mittagessen noch einen Schokopudding zum Espresso.
In der Mittagspause, während wir nach dem Essen schon auf dem Sofa lagen, klingelte es plötzlich an der Tür und es kam zum absurdesten Dialog des Tages. Ein Postbote war an der Tür und erklärte dem Liebsten leicht verlegen, er hätte für ihn ein Päckchen mit bestellten Dingen, dürfte es ihm aber leider nicht aushändigen. Denn auf dem Päckchen (es kam aus China) war eine Zollgebühr, die erst noch entrichtet werden musste – die Zollgebühr gleich beim Bestellvorgang online mit zu bezahlen, war nicht möglich gewesen. Logischerweise hätte er deshalb jetzt eigentlich die Zollgebühr einnehmen müssen, aber seit Corona gab es bei der Post die Vorschrift, dass kein Geld mehr kassiert werden durfte (warum auch immer – zur Verhinderung des Kontakts diente die Maßnahme jedenfalls nicht, der gesamte Dialog dauerte an der Haustür über zehn Minuten, face-to-face). Obwohl er also das Päckchen bei sich im Wagen hatte, quasi in Sichtweite, hatte er jetzt geklingelt, um die Situation zu erklären, den Abholschein auszufüllen und den Liebsten zu fragen, an welcher Poststelle er es gern abholen würde (einmal in die Stadt fahren und dort mit anderen Menschen sprechen, auch das eine super Kontaktreduzierungsmaßnahme).
Hier die nächste Absurdität: Er bot zwei Poststellen an, einmal im benachbarten Stadtviertel und einmal die Hauptpost im Stadtzentrum, nicht aber den Kiosk bei uns zwei Straßen weiter, der auch als Poststelle dient. Denn, so erfuhren wir, der Kioskbesitzer sei zurzeit gegenüber der Post „im Streik“ und weigere sich, Pakete zum Abholen anzunehmen. Er sei wohl von einem Kunden wüst beschimpft worden, weil irgendeine Lieferung nicht geklappt habe, und habe jetzt keinen Bock mehr auf das Paketgedöns. Eigentlich bestreikte er damit natürlich seine eigenen Kunden, denn der Post war es mehr oder weniger egal, wo sie die Pakete zum Abholen lagerte. Aber gut.
Dem Postboten war das ganze Gespräch ziemlich peinlich, weil es so bescheuert war, der Liebste musste lachen und ließ sich den Abholzettel aushändigen. Der Postbote kann ja am allerwenigsten dafür, aber man muss sich schon fragen, wer in den Tiefen der Postverwaltung sich solche Regeln ausgedacht hat.
Um Viertel vor zwei ging ich wieder zurück ins Büro, um dort noch ein paar administrative Sachen zu erledigen, mit einem Kollegen über einen Unterricht zu sprechen und dann das zweite Meeting zu haben, weswegen ich vor Ort war: mit meiner Chefin und dem „Spezialfall“, über den wir am Vortag remote gesprochen und den wir jetzt vor Ort einbestellt hatten. Es war gut, dass wir das Gespräch persönlich führen konnten, und wir fanden auch eine ganz gute Lösung. Ich telefonierte danach mit der zuständigen Person aus der Personalverwaltung des Auftraggebers, die auch einverstanden war (jetzt muss ich das alles noch in ein offizielles Angebot gießen). Damit war ein großer Punkt, der mich die letzten Tage etwas bedrückt hatte, gut über die Bühne gebracht. Den Rest des Arbeitstags machte ich nichts Spektakuläres mehr, außer dass ich einer Kollegin zum Geburtstag gratulierte und anschließend zwei Stücke Nusskuchen herunterschlang, als hätte ich seit einer Woche nichts mehr gegessen.
Um kurz nach fünf war ich fertig und bereit für eine Premiere: Yogakurs in Präsenz, das erste Mal seit Februar 2020. Alle Anwesenden waren durchgeimpft oder schnellgetestet, und wir hatten in der Firma den größten Raum zur Verfügung. Außerdem lief der Rechner mit großem Monitor, Konferenzmikrofon und Kamera in der Ecke: Wer nicht direkt dabei sein konnte, konnte sich so über Zoom zuschalten.
Der Kurs ging 90 Minuten statt wie bisher 60, und ich hatte mir schon Sorgen gemacht, wie gut ich durchhalten würde. Es ging aber wunderbar, ich war überrascht, auch der Impfarm machte keine Probleme mehr. Ich schaffte es sogar, absolute Yogapremiere, die Baumposition mit korrekt abgewinkelten und am Oberschenkel platzierten Fuß zu halten statt wie bisher immer die „Anfängervariante“ mit Fuß unten am Fußknöchel. Sehr stolz. Durch den Präsenzkurs fühlte ich mich deutlich mehr „beobachtet“, musste mich daran erst wieder gewöhnen, aber natürlich auch viel mehr mit Sozialkontakt – schon allein durch das gemeinsame Aufräumen danach, das war tatsächlich schön.
Auf dem Heimweg ging ich noch im Vereinsheim vorbei, um den Liebsten abzuholen, und weil das Wetter so schön und die Temperatur angenehm und die Stimmung so positiv war, beschlossen wir, nicht gleich heimzugehen, sondern spontan noch etwas Außengastro in Anspruch zu nehmen. Die Terrassen der Restaurants waren alle voll besetzt, aber unsere Stammkneipe hatte in ihrem kleinen Biergarten noch zwei Plätze für uns. Drei Radler, eine Tüte Chips und eine Schale Oliven später gingen wir sehr gut gelaunt heim. Dort ließen wir das Kochen ausfallen und machten stattdessen ein kaltes Abendessen (frisch gebackenes Brot, Sandwichcreme, saure Gurken, Tomaten, Seitanwurst, gefüllte Weinblätter). Als Abschluss nahmen wir beide einen William’s – sehr gut, sehr zünftig, auch sehr alkoholisch, für intellektuell anspruchsvolle Sachen (Raumschiffe oder ähnliches) war danach kein Platz mehr. Zufällig sahen wir, als wir uns durchs Netz klickten, dass Bodo Wartke gerade per YouTube-Livestream ein Livekonzert gab (mit wenigen ausgewählten Vor-Ort-Zuschauenden in einem Berliner Theater und mit vielen, vielen zugeschalten Online-Zuschauenden über das Internet). Damit war die Abendgestaltung gesichert, ein bisschen gemütliche Klavier-Livemusik, bis die Arbeitswoche und der Alkohol uns ins Bett schickten.