Ich möchte zurück zu Bleistift und Papier, Donnerstag 9.9.2021

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Unruhig geschlafen, unruhig geträumt, immer wieder aufgewacht: Ich hatte schon bessere Nächte. Nach dem Wecker blieb ich erst einmal liegen und kam schließlich um zwanzig vor sieben langsam aus dem Bett. Draußen war immer noch Dämmerlicht, noch nicht richtig hell, es geht jetzt wirklich schnell mit dem Herbst. Der Liebste ist eifrig am Lichtwecker bauen, mal sehen ob er ihn fertig hat, wenn wir dann wirklich richtig im Dunkeln aufstehen müssen. Ein Wettlauf gegen die Zeit.

Nach etwas Zeitung, Tee und Dusche gingen wir beide um Viertel nach acht aus dem Haus, der Liebste bog zum Bäcker ab und ich ging gleich weiter ins Büro, weil ich auf jeden Fall um halb neun da sein wollte. Der Liebste brachte mir ein Laugencroissant und ein Brötchen in die Firma, ich frühstückte dort, während ich meine Mails las und die letzten Dinge für die kommende Prüfung fertig machte. Ab zwanzig nach neun kamen dann die Prüflinge (was für ein Wort), eine angenehm kleine Gruppe. Ich ließ mir zunächst wieder den 3G-Status zeigen, es war quasi das gleiche Bild wie bei der letzten Prüfung im August: Alle waren geimpft bis auf eine (diese mit negativem Test). Und nur zwei hatten den digitalen Impfpass im Handy, alle anderen brachten die Papierversion mit. Ich muss mal beobachten, ob sich das in den nächsten Monaten so bestätigt.

Die Prüfung lief wirklich gut, ich war zufrieden. Eine meiner Einzelunterrichtsteilnehmerinnen hatte selbst gebackene Schokokekse dabei und verteilte an alle (wahnsinnig lecker), und insgesamt war die Stimmung relativ gelöst. Um Viertel vor zwei übergab ich die Gruppe an meinen Kollegen für die Aufsicht im letzten Prüfungsteil und machte eine kurze Mittagspause (mit mitgebrachtem Ofenkartoffelsalat und danach geschmacklich fragwürdigem Filterkaffee), um Viertel vor drei waren wir dann mit allem fertig und entließen die Leute in die Freiheit. Ich war noch bis vier mit der Nachbereitung beschäftigt und schloss dann die Prüfung ab.

Danach ein bisschen organisatorische Sachen, zunächst einmal ein Blick auf die Seite des hilflosen Prüfungsanbieters: Bei unseren eingebuchten Prüfungen fehlten immer noch alle Daten (eine Antwort auf meine Mails habe ich auch nicht), manche unserer Prüfungen sind noch überhaupt nicht eingebucht. Ich ging auf die Seite mit den Download-Dokumenten, weil ich ein spezifisches Formular brauchte, das seit September 2021 als Neufassung vorlag: Auf der Seite war noch das alte Dokument von 2019 verlinkt. In der Ankündigungsmail für das neue Formular war zwar ein Link, dieser führte aber auf die alte Version der Homepage und funktionierte deshalb nicht mehr. Ich probierte noch zwei weitere Download-Links zu anderen Formularen: Einer zeigte beim Klick eine Seite voller unverständlichem Fehlerprotokoll, der zweite führte auf eine 404-Seite. Un-fass-bar. Wie kann man denn so dermaßen seine komplette digitale Infrastruktur abschießen und damit die Kommunikation mit den Kunden komplett unmöglich machen? (Und gleichzeitig die konventionellen Kommunikationswege – Mail und Telefon – nicht bedienen.)
Ich gab das also auf und widmete mich dem zweiten Problem: Seit dem Morgen lud Microsoft Teams nicht mehr bzw. ich konnte mich nicht mehr anmelden. Das war allerdings genauso frustrierend, denn es gibt überhaupt keinen Ansatz, auf Teams-Seite etwas umzustellen oder das Problem anzugehen, und die ultimative Lösung (deinstallieren und neu installieren) half leider auch nicht. Keine guten Aussichten, wenn wir Teams demnächst als Default-Kommunikationstool in der Firma nutzen wollen. Ich übergab das Problem an meinen Chef, damit er sich darum kümmern kann, und ging um fünf nach Hause.

Daheim ging ich erst einmal eine Stunde in den Garten, jätete ein bisschen Unkraut, goss alle Staudenbeete, erklärte dem entsetzten Kater, dass eine Pflanze mit dem Namen „Katzenminze“ trotzdem ein Recht auf Wasser hat und nicht ihm allein gehört, und setzte mich dann mit dem Liebsten und einem alkoholfreien Radler ein bisschen hin und starrte ins Grüne.

Dann gemeinsames Kochen, ein Quinoa-Chili mit Adzukibohnen statt Kidneybohnen, weil wir keine Kidneybohnen mehr daheim hatten und ich die Bohnen ehrlich gesagt auch verwechselt hatte (sind immerhin beide rot). Ab kurz vor sieben waren wir auf dem Sofa und gingen auf YouTube: Die Ortsgruppe von Fridays For Future hatte mit den Bundestags-Direktkandidat:innen eine Podiumsdiskussion organisiert und streamte sie live auf YouTube. Das klappte zwar nicht sofort, sondern erst mit 23 Minuten Verspätung, aber ab da waren wir dabei und hörten uns die verschiedenen Auslassungen der Kandidat:innen zum Thema Energiewende, Mobilität und Klimaschutz an. Ich habe mich schon entschieden, wen ich bei dieser Wahl wählen und vor allem auch nicht wählen werde, und die Diskussion hat daran jetzt nicht wirklich etwas geändert. Es war, wie immer bei diesen Veranstaltungen, etwas ermüdend, weil die Leute oft sehr allgemein und vage blieben und bei konkreten Aussagen dann auf Details eingingen, die ich nicht gut beurteilen kann. (Ok, du hast jetzt behauptet, der damalige Minister XY hätte durch die Reform des Gesetzes AB die Situation Z ausgelöst, weswegen wir jetzt mit dem unerwünschten Effekt W konfrontiert sind? Mag sein, mag auch nicht sein, alles viiiel zu detailliert und zu kleinteilig und am Ende auf der reinen Behauptungsebene unterwegs – das hilft niemandem bei der Wahlentscheidung.)

Um halb neun war die Veranstaltung zu Ende, der Liebste war schon kurz vor dem Einschlafen, ich machte eine Bukahara-Playlist an (hach) und las ein bisschen Guardian und Spiegel. Unter anderem die Kolumne von Sascha Lobo, wo er sich über die CDU (spezifisch die Junge Union) lustig macht, die vor lauter Machtverlust-Angst allen Ernstes mit linksextremen Rote-Socken-Sprüchen aus der Mottenkiste kommt:

„Ausgerechnet Olaf Scholz, der bürgerlicher ist als Samstag Auto waschen, Scholz, der als Getränk ein alkoholfreies Vernunftbier wäre. Linksextrem. Für so eine Verfehlung müssen der Jungen Union nicht nur sämtliche politischen Koordinaten komplett verrutscht und verbogen und verrottet sein, dafür muss man den eigenen Untergang unmittelbar vor Augen sehen. […] Wenn es so weitergeht, zeigt sich die Union nächste Woche selbst beim Verfassungsschutz an, weil sie jahrelang koalitionär gemeinsame Sache mit dem protokommunistischen Neostalinisten vom Leuchtenden Fad, Olaf »Pol Pot« Scholz, gemacht hat.“

Immerhin hatte ich so noch, kurz vor dem Schlafengehen, einen Lacher zum Abend. Sehr schön.