Entspannter Alltag, unentspannte Gedanken – Montag 27.6.2022

In der Nacht wieder ordentliches Gewitter, was uns am Morgen das Gießen ersparte. Wir wachten einigermaßen erholt auf, der Liebste – hurra – wieder kopfwehfrei. Er transportierte erst einmal einen Frosch aus der Waschküche, übliches Morgenritual, dann Tee und etwas die morgendliche Kühle genießen. Ich hatte den Tag über nur einen wichtigen Termin und musste – endlich – nicht mehr so sehr früh gehen, deshalb ließen wir uns Zeit mit Zeitung und Müsli zum Frühstück.

Ich hatte außerdem ein bisschen Zeit zum Nachdenken und dachte über die Nachrichten der letzten Tage nach, vor allem die Zeitung am Samstag, den letzten Lage-Podcast, den ich am Sonntag gehört hatte, und diesen Blogeintrag von Christian Fischer. Ich bin wahrlich nicht vollumfänglich zufrieden mit der Arbeit der Ampelkoalition, aber eines muss man positiv erwähnen: Nach jahrelangem Geziehe und Gezerre und albernen Gegenargumenten hat sie endlich ohne viel Gedöns sang- und klanglos den Paragraphen 219a gestrichen. Es ist längst überfällig und eigentlich unfassbar, dass es bis ins Jahr 2022 dauern musste, dass es davor jahrzehntelang möglich war, Frauen Sachinformationen vorzuenthalten und Ärzte zu kriminalisieren, die über medizinische Leistungen informieren möchten. Endlich mal ein klitzekleiner Kontext, in dem die galoppierende „Freiheits“-Ideologie der Liberalen zu einem guten Resultat führt.
Und ironischerweise kippt quasi gleichzeitig das amerikanische oberste Gericht Roe vs. Wade. Was für so viele Frauen in den USA eine echte Katastrophe darstellt: Die Zahl der Frauen, die in gewalttätigen Beziehungen bleiben, wird steigen, die Zahl der „illegalen“ und damit hochgefährlichen Abtreibungen wird steigen, die Zahl der Todesfälle durch Schwangerschaften wird steigen, und das alles wegen einer frauenverachtenden Entscheidung, wegen des immer gleichen Versuchs, Frauen die Kontrolle über ihren Körper wegzunehmen. Und in der Bugwelle dieser Entscheidung fangen jetzt natürlich die ersten konservativen Bundesstaaten an, Gesetze aufs Korn zu nehmen, die die Rechte von queeren Menschen sichern, die Rechte von trans Menschen, die Rechte anderer diskriminierter Gruppen. Was natürlich kein Zufall ist, sondern logische Folge.
Mir macht der massive Rechtsruck und vor allem der aggressive religiöse Fanatismus in den USA Angst und ich denke mittlerweile, man muss sich gegen diesen religiösen Fanatismus politisch schützen, ganz im Sinne der „wehrhaften“ Demokratie. Denn diese Denkhaltung ist in ihrem Inneren menschenverachtend und zutiefst undemokratisch, und es handelt sich dabei um eine Bedrohung, gegen die nicht nur gesellschaftlich, sondern auch durch politische Gesetzgebung angegangen werden muss. Deshalb sehr passend und höchste Zeit, dass in Deutschland jetzt der §219a gekippt wurde. Es ist im Übrigen überhaupt keine Garantie, dass die CDU in Deutschland nicht genauso von ultrachristlichen Evangelikalen unterwandert und gekapert werden könnte, wie das in den USA mit den Republikanern der Fall war – auch wenn die Voraussetzungen natürlich nicht gleich sind. Trotzdem: Es ist eine Entwicklung, vor der wir in Deutschland nicht gefeit sind.

Ungefähr das ging mir seit ein paar Tagen (eigentlich schon länger) durch den Kopf und ich merkte wieder einmal, wie schwer es mir manchmal fällt, meinen privaten Alltag zu jonglieren, während um mich herum so viel schief läuft und es so viele Probleme gibt und man so viel MACHEN müsste. Wie machen das andere Leute? Einfache Antwort: 90% machen es nicht (können nicht, wollen nicht), und 10% rennen ständig mit Feuerlöscher durch die Gegend und brennen dabei aus. Super Konzept.

Das war auf jeden Fall so die Gemengelage im Kopf, davon mal abgesehen war ich aber eigentlich recht entspannt, als ich auf neun ins Büro ging. Es hatte ein bisschen abgekühlt, ich war mit einer langen Leinenhose ganz zufrieden mit den Temperaturen.
Zunächst einmal räumte ich morgens ein bisschen meine Inbox leer und erledigte etwas administratives Alltagsgeschäft, eine Textkorrektur mischte sich auch noch drunter. Und dann hatte ich den wichtigen Termin um halb elf, mit einem Techniker des Prüfungsanbieters (mit dem wir in der Woche davor so Kommunikationsprobleme gehabt hatten, also mit dem Anbieter generell, nicht mit diesem spezifischen Techniker). Nur dass im Teamscall zunächst niemand auftauchte, erst als ich eine fragende E-Mail hinterher schrieb, war er schließlich da. Dann konnte er mir aber endlich detailliert eine wichtige Frage im Prüfungsprozess erklären und ich wusste, wie ich den letzten Punkt abschließen konnte. Fun fact: Es war nicht meine Doofheit gewesen, sondern die Prozessbeschreibung war einfach unvollständig bzw. auch fehlerhaft und damit konnten wir es letzte Woche gar nicht bearbeiten. Jetzt ging es aber und füllte dann auch meinen restlichen Vormittag aus. Um halb eins war die Auslandsprüfung endgültig fertig und erledigt.

Mittagspause: Ich ging zuerst kurz zur Hauptpost, in der dankbarerweise nur wenig los war, und brachte die letzten Unterlagen der allerletzten Freitagsprüfung weg (und damit auch dieser Punkt der letzten Woche: fertig und erledigt), dann machte ich die zweite Portion Chili zum Mittagessen warm. Der restliche Nachmittag beinhaltete ein bisschen administrative Arbeit, ich richtete die Räume für den nächsten Tag, testete neue Audiofiles und bereitete ein wenig Unterricht vor. Und da ich in der letzten Woche so unglaublich viel gearbeitet hatte, ging ich schon um halb vier nach Hause, mit einem kleinen Umweg zum Innenstadtbäcker, für den ich wieder einmal einen Gutschein aus dem Teamraum mitgenommen hatte und zwei Laib Brot besorgte.

Daheim machte ich mir erst einmal einen Tee und ging mit dem Kater in den Garten. Es hatte deutlich abgekühlt, war aber trocken und eigentlich ganz angenehm. Wieder im Haus fiel mir der Überweisungsschein des Hausarztes für sechs Termine Physiotherapie wegen des Arms ein: Also probierte ich es auf gut Glück bei einem Anruf in der Krankengymnastik-Praxis bei mir ums Eck. Zu meiner Überraschung wurde sofort abgenommen und ich kriegte gleich alle sechs Termine vereinbart, mit Start ab dem nächsten Abend. Was ist da los? Letzte Woche ein sofortiger Hausarzttermin, jetzt sofort sechs Krankengymnastik-Termine? Das ist nicht mehr das Deutschland, wie ich es kenne! Unfassbar, als Nächstes bekomme ich noch einen Augenarzttermin und meine Brille wird bezahlt?

Auf jeden Fall erholte ich mich von meiner positiven Überraschung und machte mich ans Kochen, ein mallorquinischer Bohnensalat (mit weißen Bohnen, Tomaten, Paprika, dazu Feto, Olivenöldressing). Um kurz vor sechs kam der Liebste, war aber mehr oder weniger auf dem Sprung: Wir quatschten kurz und aßen zu Abend. Draußen startete das Gewitter, ein ordentlicher Platzregen. Der Liebste zögerte deshalb ein bisschen und ging dann in einer Regenpause um kurz vor halb sieben zum Bastelverein, wo er für den Abend eingeteilt war.
Ich schaute noch einmal nach dem Kater und legte mich dann mit Laptop aufs Sofa: Die nächsten drei Stunden Nougat und Blaulichtporno. Kaum ist man früh daheim, schon nutzt man die geschenkte Zeit mit sinnvollen Dingen. Draußen prasselnder Regen. Ich bewegte mich keinen Meter mehr, bis ich angesichts all der kranken Menschen in den Rettungsdienst-Dokus, von denen die Hälfte durch schlauere Lebensentscheidungen gesünder hätte sein können, ein schlechtes Gewissen bekam. Also setzte ich mich noch eine kleine Runde auf den Ergometer (irgendetwas Gutes muss das Blaulicht-Gedöns ja haben, ich schaue jetzt auch immer brav, ob ich kein Essen auf dem Herd vergessen habe).
Um kurz vor zehn kam der Liebste zurück und aß den restlichen Nougat, wir warteten noch ab, bis wir müde genug waren, und gingen dann, etwas zu spät für einen Wochentag, um kurz vor elf schlafen.