Büro-Wildlife, Donnerstag 18.8.2022

Nach einer sehr durchwachsenen (und heißen) Nacht, in der ich lang wach lag und mir selbst erklärte, dass es ja wohl völlig illusorisch sei, ab jetzt plötzlich ein- bis zweimal pro Woche ein Fitnessstudio unterzubekommen, und mir andererseits Sorgen vor den kommenden Jahren mit seinen Alterungsprozessen machte, wachte ich dementsprechend kaputt und ziemlich mies gelaunt auf. Wie um das zu unterstreichen, taten mir die Zehen weh, eine Art Gelenkschmerz, die ich jetzt schon einige Zeit nicht mehr gehabt hatte.
Wenigstens ein paar gute Nachrichten beim Aufstehen: Der Kater kam angerannt und fraß, der Liebste machte uns eine Pfanne Bratkartoffeln, und in der Nacht hatte es tatsächlich geregnet. Also so, dass der Garten richtig nass war und so. Sehr gut.
Zum Frühstück wie gesagt Bratkartoffeln, weil wir für den Backkartoffelsalat am Abend etwas zu viele Kartoffeln gekocht und deshalb einen Rest im Ofen hatten, dazu ein paar frisch aufgeschnittene Tomaten. Ich mag ja grundsätzlich „warmes“ und herzhaftes Frühstück, Bratkartoffeln sind vielleicht nicht das typischste Beispiel, aber es war schon sehr lecker.

Um Viertel vor acht setzten wir uns aufs Fahrrad und fuhren zur Arbeit, gemeinsam, da ich auch früh anfangen musste: Wir hatten wieder eine Prüfung, die erste seit einem Monat. Die Kollegin war dafür hauptverantwortlich, deshalb konnte ich nach dem Start in mein Büro gehen und mich um administrative Sachen kümmern (unter anderem die E-Mail einer sehr aufgeregten Frau beantworten, die empört war, dass ihre Schülerin bei der letzten mündlichen Prüfung in Ägypten durchgefallen war – nur hatten wir zu dem Termin gar keine Prüfungen in Ägypten durchgeführt, sie hatte uns mit einer anderen Institution verwechselt, lol). So zwanzig Minuten nach Start kam eine Person, die dringend eine Prüfung bezahlen wollte. Für die sie noch keine Rechnung bekommen hatte, weil sie die Frage, an wen genau die Rechnung gehen solle, nicht beantwortet hatte. Weil sie die E-Mail halt leider nicht verstanden hatte, was ehrlich gesagt für die kommende Prüfung eher nichts Gutes erwarten lässt.
Während ich noch mit der Person diskutierte und versuchte, ihr die Sachlage zu erklären, rannte meine Kollegin aus der Prüfungsaufsicht an mir vorbei und rief mir zu, dass sie erstens ihr Handy vergessen und zweitens eine Blumenvase im Prüfungsraum umgeworfen hatte. Ich kam mit und schaute nach, erwartete ein bisschen Wasser auf dem Boden, aber nein: VIEL Wasser und dazu alles voller Scherben. Ich brachte ihr Lappen und Kutterschaufel, ging dann wieder raus und ließ sie fegen, damit sie die Prüfung starten konnte (zwei Leute hätten nur zu viel Unruhe verursacht). Immerhin war es gleich am Anfang der Prüfung und schnell beseitigt.

Nach so einer Stunde und dem ersten Prüfungsteil holte ich die traurigen, vasenlosen Blumen aus dem Prüfungszimmer und war gerade dabei, in der Küche eine neue Vase zu holen, als ich aus dem Augenwinkel sah, wie ein Eichhörnchen durchs Foyer hüpfte und in Richtung Teamzimmer abbog.
Im ersten Moment dachte ich, ich hätte mir das eingebildet, aber im Teamzimmer war deutliches Rascheln und Rumoren zu hören. Ich schaute mit einer Kollegin nach und entdeckte das sehr aufgeregte Tier, wie es in der Nische zwischen Kopiertisch und Fenster hin- und herrannte, im Versuch, durchs geschlossene Fenster wieder zu entkommen. Wir versuchten es etwas in die Enge zu treiben und vielleicht irgendwie hinauszukomplimentieren, die Kollegin konnte es sogar ganz kurz festhalten – aber flink und quirlig ist gar kein Ausdruck, so ein Tier besteht zu 90 Prozent aus Fell und der Rest ist irgendwie Quecksilber oder so, das mit dem Festhalten ist da schwierig. Ich hielt einmal meine Hand in der Nische in den Weg, um das Eichhörnchen am weiteren Hin- und Herrennen zu hindern, worauf es über meinen Arm und meine Schulter kletterte, von dort auf meinen Kopf und schließlich absprang – Freiheit!! – und wieder zurück in die Nische, dieser Idiot. Schließlich krabbelte es nach dem x-ten Versuch doch aus der Nische heraus und raste wieder ins Foyer, von wo aus wir den Weg zur geöffneten Vordertür heraus zeigen konnten.

Wildlife im Büro, wir konnten es kaum glauben. Das Tier hatte mir bei seinem Versuch, mich als Baum zu benutzen, etwas den Arm zerkratzt, ich desinfizierte die Kratzer ein bisschen. Ansonsten alles okay. Ich hoffe, dem Eichhörnchen geht es auch gut.
Und als hätten wir nicht schon genug Aufregung gehabt, entdeckte die Kollegin bei der Aufsicht am Vormittag noch einen Betrugsversuch, sie beschlagnahmte ein unerlaubtes Hilfsmittel. Das auch noch, als wir genauer nachsahen, gar nicht zu der Prüfung passte, die wir an dem Tag abnahmen, wie doof kann man sein. Das hatte der Person also noch nicht einmal etwas genutzt und die Prüfung wird jetzt vermutlich trotzdem nicht akzeptiert. Dämlich.

Kurze Mittagspause mit der zweiten Hälfte Kartoffelsalat, eine kurze Teambesprechung, dann war ich den restlichen Nachmittag in der Aufsicht für die mündliche Prüfung. Die Teilnehmenden (viele externe Anmeldungen) waren teilweise leider überhaupt gar nicht gut und auch überhaupt nicht gut vorbereitet – viele Fragen in der Vorbereitungszeit, auch viele eigentlich bescheuerte Fragen zum Prüfungsformat (was durch ein Minimum an Vorbereitung hätte vermieden werden können). Außerdem diskussionsfreudige Menschen („Wieso läuft dieser Prüfungsteil als Dialog, ich dachte, man bekommt hier einen Bildimpuls.“ – „Nein, das ist bei dieser Prüfung nicht so. Sie meinen vermutlich eine andere Prüfung, dort wird mit Bildimpulsen gearbeitet.“ – „Aber mein Freund hat mir erzählt, dass es einen Bildimpuls gibt!“ – Äääh, ja und? Egal? Der Freund hat halt keine Ahnung? Seriously.)

Um vier war ich mit der Aufsicht fertig, half noch etwas bei der Nachbereitung und ging dann um Viertel vor fünf nach Hause. Dort erwartete mich erst einmal ziemliches Chaos in der Waschküche: Eines der Wandpanele hatte sich gelöst und war nach vorne gekippt, hatte dabei die Schüssel mit dem Vogelfutter erwischt und von der Arbeitsplatte gefegt, und die Schüssel war auf dem Boden in zwei große Stücke zersprungen. (Wenigstens nicht in tausend Scherben – Plastikschüssel.) Der ganze Boden war bedeckt mit Vogelfutter, ich war erst einmal mit Auffegen beschäftigt. Dann noch etwas Katerbegrüßung, und um halb sechs startete ich meinen Abendkurs.
Endlich mal ein guter, rund laufender Kurs am Donnerstag, der mir Spaß machte und wo das Level der Leute und das vorbereitete Material zusammenpassten. Geht doch, dachte ich mir und machte um halb acht sehr zufrieden Feierabend.

Der Liebste hatte seinen Arbeitstag mit einer großen Fahrradrunde abgeschlossen und war dementsprechend gut gelaunt. Gekocht hatte er auch schon, Spaghetti mit Tofu-Bolognese. Wie immer sehr lecker, wenn mir auch etwas das Herzhafte fehlte – vielleicht lag es daran, dass die Bolognesesauce nicht lang genug durchgezogen war oder vielleicht fehlte der Rotwein (der Liebste wollte keine Flasche zum Verköcheln aufmachen). Trotzdem lecker. Wir aßen brav am Esstisch und erzählten vom Tag (in erster Linie erzählte ich, mein Tag war ereignisreicher gewesen), und dann nahmen wir uns einen Quark mit Ananas zum Nachtisch und gingen für eine Runde nachschauen, was auf Atlantis so passierte. Jede Menge interessanter Dinge, ohne Eichhörnchen allerdings und damit nicht ganz so spannend wie mein Tag. Aber gut.