Das Wochenende stand im Zeichen eines Virusinfekts, nicht bei mir, aber beim Liebsten, der ja schon am Freitagabend mit Schnupfennase heimgekommen war. Als wir morgens aufstanden, fühlte er sich richtig krank. Und musste trotzdem früh aus dem Haus, denn er hatte in der Weststadt seine Prüfung für den Funkschein. Um halb acht quälte er sich aus dem Bett, ich machte uns einen Tee, wir versorgten die Kater und er verschwand im Bad. (Und ich stellte Harold auf Pausieren, der legte um acht nämlich im oberen Stockwerk los, wozu das Bad gehört.) Zwei Minuten später Rufe von oben: Der Liebste hatte versucht sich zu rasieren, dabei den Elektrorasierer fallen lassen, irgendetwas war abgebrochen, die kaputte Stelle aber nicht zu finden (die Rufe hatten seiner Lesebrille gegolten, ohne die fand er sowieso nichts) und der Rasierer kaputt. Der Liebste stieg also auf die Rasierklinge um. Und schnitt sich prompt zweimal.
Stimmung dementsprechend eher nicht so toll. Ich machte uns ein Müsli, von dem er immerhin noch schnell eine Schale essen konnte, bevor er in die Kälte verschwand (draußen lag mittlerweile richtig Schnee, es hatte in der Nacht geschneit und fing im Lauf des Vormittags wieder an, SO schön).
Ich ließ oben Harold weiterfahren, frühstückte auch, putzte dann das obere Stockwerk und ging duschen, und da war der Liebste schon wieder da: Bei ihm war es schnell gegangen (nur der Funkschein für Binnengewässer, der See-Funkschein ist aufwendiger und dauert länger), er hatte souverän bestanden. Und war jetzt richtig krank. Er setzte sich gleich mal an den Laptop und sagte die Teilnahme am Halbmarathon am Sonntag ab (das war die verschobene Anmeldung vom Lauf im August, an dem er wegen Corona nicht hatte teilnehmen können, tolles Timing) und außerdem seine Mithilfe beim Glühweinstand des Sportvereins (wo er eigentlich vor dem Lauf hätte beim Aufbau helfen wollen).
Den restlichen Tag zog er sich niesend und hustend aufs Sofa zurück, begleitet von jeweils einer Katze (die beiden wechselten sich ab), während ich den Haushaltskram erledigte. Ich sortierte die Wäsche, startete eine Maschine und ging dann zum Supermarkt nebenan das Nötigste einkaufen (den großen Wocheneinkauf ließ ich bleiben, ich wollte nicht im Schnee mit dem Wagen zum Alnatura). Recht voll am späten Vormittag, ich hatte mir eine Maske aufgesetzt und war bei weitem nicht die Einzige.
Zum Mittagessen machte ich uns eine Art Schnitzelweckle – wir hatten ein veganes Steak (es ging vermutlich so in Richtung Schweinenackensteak oder so, keine Ahnung, Vegetarierin seit 1989) aus der Sauigel-Food-Abteilung des Supermarktes mitgenommen, das briet ich in der Pfanne an und steckte es zwischen zwei Dinkelbrötchen. Ganz okay, ein bisschen fettig, nichts, was ich wöchentlich bräuchte, aber schnell und schon okay.
Den restlichen Tag über wenig Bemerkenswertes. Draußen schneite es recht dauerhaft, ich entschied mich gegen Fitness und überhaupt gegen weitere aushäusige Aktivitäten und zog mich aufs Sofa zurück. Viel Wäsche abhängen-waschen-aufhängen-bügeln, ein bisschen aufräumen, ein bisschen Katerbespaßung, ansonsten versank ich in den Tiefen des Internets. Für den Abend hatten wir Lasagne geplant, darauf verzichtete ich aber angesichts des Krankenlagers, stattdessen einfach Nudeln mit Tomatensauce, mit frischen Pilzen, Knoblauch und einer halben Packung tiefgekühltem Blattspinat. Dem Liebsten war es recht. Er blieb sowieso mehr oder weniger auf dem Sofa, auch als ich dann im Schlafzimmer verschwand: Das Wohnzimmer war wärmer, und der Wasserkocher war näher. Und außerdem hielten wir uns in der Nacht nicht gegenseitig wach und die Chance, dass ich mich vielleicht nicht ansteckte, war geringfügig höher. Bildeten wir uns zumindest ein.
Am Sonntag wachte ich so halb-okay auf: Zwar nicht krank, aber mit einem blöden Kopfweh-Kopf. Der Grund zeigte sich beim Blick aus dem Fenster: Knackig kalt (in der Nacht war es auf minus zehn Grad gesunken) und komplett strahlend blauer Himmel, kein Wölkchen zu sehen – typisches Kopfwehwetter für mich. Es wurde aber zum Glück im Lauf des Tages besser.
Der Liebste war immer noch ordentlich am Husten und krächzte vor sich hin (und war ein bisschen traurig, weil der Lauf ohne ihn startete) – wir beschlossen also, den Tag einfach nur rumzubummeln und wirklich gar keinen Stress zu machen. Ich schaltete gleich mal Harold fürs Erdgeschoss aus, kein weiteres Putzen heute. Eine letzte Maschine Wäsche ließ ich durchlaufen, damit war dann wirklich das Wichtigste gemacht. Mittags ein zweites Mal Nudeln mit Tomatensauce mit den restlichen Pilzen, und sonst: Sofa.
Wo ich endlich wieder ein paar Stunden zum Lesen kam. Beziehungsweise mir die Zeit zum Lesen nahm, und um halb sechs hatte ich dann das Buch durch: Die singuläre Frau von Katja Kullmann, eine Art feministischer Betrachtung der alleinstehenden Frau und ihrer Position in der Gesellschaft. In Anbetracht der Tatsache, dass jede Frau längere oder kürzere Phasen des Alleinlebens in ihrem Leben hatte oder haben wird, und es bei jeder Frau eine Zumutung ist, dass sie dafür als defizitär wahrgenommen wird (oder sich selbst wahrnimmt, internalisierte Misogynie existiert), war das ein Buch, das bei mir stark resonierte. Mit die glücklichsten Jahre bei mir waren die Anfang dreißig, als ich ohne Partner allein lebend mein Berufs- und Privatleben gestaltete. Damals war allerdings, das muss man dazusagen, der größte Teil meines Freundeskreises in einer ähnlichen Situation. Heute, wo alle in Partner-Kinder-Tralala abgetaucht sind, sähe das eventuell anders aus. (Tut es ja jetzt schon ziemlich, auch mit festem Partner.)
Abendessen: Ein großer Topf klarer Gemüsesuppe mit Weißkohl, Ingwer und tatsächlich noch deutschen Tomaten (vermutlich aus dem Gewächshaus, aber egal). Nach dem Essen telefonierte der Liebste kurz mit dem Bodensee (von den Schwiegerleuten war ein Päckchen zur Adventszeit angekommen, was sich in erster Linie als jahreszeitlicher Süßkram herausstellte, von uns sehr gern genommen), und zum Tagesabschluss ein Big Fat Quiz, dieses Mal zu den Noughties, also den Nullerjahren. Von denen wusste ich erstaunlich wenig (obwohl das gerade meine oben noch beschriebenen fröhlichen Dreißiger waren). Offensichtlich hatte ich in der Zeit anderes zu tun als mich mit Popkultur zu beschäftigen – das ist vielleicht gar kein schlechtes Zeichen.