Um halb sieben aufgewacht, ausgeschlafen, und da ich wach war und den Liebsten noch ein wenig schlafen lassen wollte, stand ich auf und schaute nach den Katzen. Kater im Haus, fraß eifrig, Magi nicht zu sehen – den entdeckte ich erst, als ich ins Wohnzimmer ging und ein bisschen aufräumte. Er saß auf dem Balkon, leicht zusammengekauert (es war kalt draußen) und empört miauend: Wie hatte ich ihn nur so lang (2 Minuten) übersehen können? Völlig egal, dass er unten eine Katzenklappe hatte, wo er doch jetzt extra auf den Balkon geklettert war. Nach dem ersten Happen Futter war er wieder besänftigt, also so mehr oder weniger.
Beim Blick aufs Handy sah ich, dass der Guardian in der Nacht mit Push-Meldungen eskaliert war: Am Tag davor, für uns also schon in der Nacht, hatte wohl eine Person versucht, auf einer Wahlkampfveranstaltung Donald Trump zu erschießen. Hatte es zwar nur zu einem Streifschuss am Ohr geschafft (und war wohl danach selbst erschossen worden), aber der sowieso schon aufgeheizten, gespaltenen Atmosphäre in dem Land kann das auf keinen Fall gut tun. Eine weitere Episode im langen Trauerspiel der Abschaffung einer Demokratie. (…sowieso schon „unvollständigen Demokratie“, laut Demokratie-Index.) Man kann sich nur Sorgen machen in dieser sowieso an Sorgen-Baustellen schon überreichen Zeit.
Ich verkroch mich am Morgen auf jeden Fall erst einmal ins Internet. Irgendwann stand auch der Liebste auf, machte uns ein englisches Frühstück, und dann hatte ich genug Zeugs gelesen und startete ein neues Buch (das aktuelle Sachbuch pausierte dafür ein bisschen). Harold fuhr im Erdgeschoss, der Liebste wischte hinterher, Spül- und Waschmaschine liefen, Sonntag halt.
Lang las ich allerdings nicht, denn das Handy klingelte und der Berliner jetzt Oldenburger bald wieder Siegener und demnächst Wuppertaler Lieblingsmensch war dran. (Es gibt mehrere Gründe, dass ich mich gegen eine Karriere in der Wissenschaft entschieden habe, und das – also das Städtehopping von Stelle zu Stelle – ist einer davon.) Wir haben uns schon VIEL zu lang nicht mehr gesprochen (…April??), auch das ein typisches Zeichen von alles zu viel, zu viel, zu viel. Aber jetzt auf jeden Fall: Die nächsten geschätzt anderthalb Stunden (ich schaute nicht auf die Uhr) verbrachte ich mit Quatschen und Zuhören. Und Quatschen. Und Zuhören.
Das war mehr oder weniger der Vormittag, denn als ich fertig war, war es schon kurz nach zwölf und wir gingen dringend los aus dem Haus. Der Liebste und ich hatten nämlich geplant, auswärts einen Kaffee/ein zweites Frühstück zu nehmen und davor einen Stopp bei mir im Büro zu machen: Es war Sonntag, da war keiner, und wir konnten dort warm duschen (und ich vor allem Haare waschen, das war der Hauptgrund, warum wir gingen).
Kurz gesagt klappte das alles ganz gut, lang berichtet war es aber doch eher anstrengend, weil erstens zu zweit, zweitens mussten wir erst einmal ein bisschen was an Krempel wegräumen, und drittens wurde es sehr schnell sehr warm und sehr dämpfig und das machte es alles anstrengend. Als wir fertig waren mit allem (inklusive Föhnen und so), war es schon kurz vor eins, wir waren beide kurz vorm Schwitzen (was nach dem Duschen doof ist) und wir entschieden, Kaffee und Zeugs sein zu lassen und direkt zum Mittagessen heimzugehen. Das machten wir dann auch: Daheim zweite Hälfte Seitan-Reis-Pfanne und Rätsel, dazu ein Kaffee.
Den restlichen Nachmittag verbrachte ich mit Buch auf dem Schattendeck. Und zwar wirklich den kompletten, hihi. Irgendwann ging ich rein und mixte für den Liebsten und mich einen Cocktail aus Limoncello und Prosecco, den wir dann gemeinsam draußen tranken (Cocktail geht nur auf dem Schattendeck, goldene Regel), und ansonsten las ich halt. Um ungefähr halb sechs ging ich wieder rein (wurde langsam etwas kühl), räumte die Küche auf, hängte ein bisschen Wäsche auf, verabreichte den Katern ihre Medikamente, machte einen Wochenplan, bestellte die Biokiste und stellte dem Liebsten alles hin (inklusive Bohnen schon angeschaltet im Dampfkochtopf), damit er kochen konnte, machte noch Yoga Tag 2 von Adrienes Center-Programm, und dann las ich weiter – und irgendwann am Abend hatte ich das Buch dann durch.
Das Buch: Musterbruch von Patricia Cammarata. Von ihr hatte ich ja schon ihr Buch zu Mental Load gelesen (Raus aus der Mental Load-Falle) und fand das damals zwar schon interessant, aber fand auch, dass eine ganze Menge der Mental Load-Probleme eigentlich erst mit Kindern auftreten. Jetzt also ein weiterer Band zum Thema Gleichberechtigung in Beziehungen (unter anderem), und auch hier war es so, dass eine Menge der beschriebenen Probleme (die Geringschätzung und Ungleichverteilung von Sorgearbeit) entstehen oder sich zumindest potenzieren, wenn ein Paar Kinder bekommt. So gesehen läuft beim Liebsten und bei mir eine Menge prima, aber wir haben auch viele große Problemlagen nicht. (Und werden halt auch nicht von den systemischen Problemen und Strukturen der Gesellschaft in diese Lagen gedrängt.)
Trotzdem konnte ich, wie auch bei Mental Load, ein paar Anregungen für mich mitnehmen – vor allem, weil es gar nicht nur um die Paarbeziehung geht, sondern auch um andere Beziehungskonstellationen. Und das war dann schon interessant.
Ansonsten: Chili zum Abendessen, ohne Reis (wir hatten genug Reis die letzten Tage) und höllisch scharf, weil die zwei reingeschnippelten roten Chilischoten sich als deutlich schärfer herausstellten als die letzten beim Alnatura gekauften. Ups. War aber trotzdem lecker. Dann ein bisschen Nachrichten-Schauerei (ich will nicht zynisch klingen, aber die Tatsache, dass Donald Trump verletzt, aber nicht getötet wurde, ist für die USA vermutlich das schlimmste aller Attentats-Resultate, jetzt gilt er als Märtyrer und kann noch größeren Schaden anrichten – allein dieses unsägliche „Fight, fight, fight“ mit dem Faustgepumpe), eine kleine Runde Blaulicht, und natürlich ab neun: EM-Finale.
Über die erste Halbzeit decken wir mal einen Mantel des Schweigens. England völlig überfordert, Spanien klar überlegen, bekam aber halt auch keine ordentliche Torchance zustande. In der zweiten Halbzeit dann beide Mannschaften deutlich besser beieinander, das Spiel wurde weitaus netter anzusehen, es gab drei tolle Tore und am Ende gewann ZUM GLÜCK die mit Abstand bessere Mannschaft – ich wäre schon etwas angenervt gewesen, wenn England gewonnen hätte. Nix gegen England oder so, aber sie hatten eigentlich schon im Endspiel nichts verloren gehabt.
Insgesamt eine schöne EM. Zuallererst eine EM ohne Katastrophen, was ja leider Gottes überhaupt nicht selbstverständlich ist, und dann auch ohne größere Skandale: Man diskutierte die letzten vier Wochen einfach über Fußball. Und nicht über die Weltlage, oder Befindlichkeiten, oder Symbolpolitik, oder whatever. Und das fand ich sehr angenehm. Das soll nicht ausblenden, dass es beim Profifußball oh so viele katastrophale Fehlentwicklungen gibt, ein großer Teil davon unter den Fans. Aber bei dieser EM hielt sich tatsächlich mein Aufreger-Faktor echt in Grenzen. Muss man ja auch mal sagen.