Viel besser geschlafen, dennoch am Morgen noch nicht ganz das Gefühl vollständigen Wachseins. Aber deutlich weniger matschig als am Tag davor. Magi wartete vor der Schlafzimmertür auf mich – eventuell war er aus dem offenen Arbeitszimmer gekommen. Ich vermutete aber eher nicht: Am Abend hatte er noch meine Podest-und-Körbchen-Konstruktion einmal angeschnüffelt und sich dann desinteressiert abgewendet. Das Körbchen können wir wohl mal mit einem zu-verschenken-Schild nach draußen stellen. Der Nasenkater kam eine Minute später angeflitzt, war aber zu spät: Ich hatte die Dachterrassentür schon zu. Und machte auch die Schlafzimmertür zu: Nur 17° im Raum, und ich wollte, dass die Heizung vor dem Yoga wenigstens ein bisschen wärmen konnte.
Küchen- und Aufräumrunde, Mülleimerleerung (draußen trocken, knapp über Null), Zeugs, Adventskalender. Müsli zum Frühstück. Die Teeausbeute erbrachte einen Sencha-Matcha-Blend (ich hatte mich schon gefragt, wann die Japaner mal zum Zug kommen). Auch hier wieder: Sehr gespannt, Sencha mag ich eigentlich ganz gern, bei Matcha bin ich eher zwiespältig, hatte aber natürlich auch nie wirklich Interesse daran, mich auf Heitatei mit Schaumbesen und so weiter einzulassen. Werde ich jetzt auch nicht machen, aber mal sehen, wie es als Blend funktioniert.
Erst einmal aber aufgeschoben, stattdessen ein Pi Lo Chun, während oben Harold im Schlafzimmer fuhr, hinter geschlossenen Türen und mit aufgedrehter Heizung, um die Temperatur wenigstens ein bisschen von den 17° beim Aufstehen wegzubekommen. Als ich um acht schließlich auf die Yogamatte ging, hatte es 17,9° (und am Ende des Kurses 18,6°, immerhin).
Von den sehr frischen Temperaturen mal abgesehen ein guter Kurs, wenn auch nur mit wenigen Teilnehmenden, was mir ja aber eigentlich egal ist (besser als eine Riesengruppe). Angenehmes Durchbewegen, das Knie tat kein einziges Mal weh, und ich bildete mir sogar ein, mehr Kraft für die Positionen zu haben. Sehr zufrieden.
Nach dem Kurs ließ ich mir etwas mehr Zeit, in dem festen Bestreben, Minusstunden zu machen: Ein bisschen schreiben, eine ausführliche Dusche, ein bisschen Internetleerlesen. Außerdem überredete ich Harold, den Treppenabsatz und nach der Dusche auch noch das Bad zu saugen (er wollte erst nicht, irgendwie fand er die Türschwelle blöd, womit er normal kein Problem hat). Um zehn schaute ich nach den Mails und beantwortete die ersten Sachen, aber so richtig am Schreibtisch war ich erst ab kurz vor elf. Dort dann administratives Standardprogramm, Sachen wegarbeiten (und eine etwas doofe Sache ein bisschen vor mir herschieben, was ich bewerkstelligte, indem ich stattdessen vier andere Punkte von der Erlediliste abhakte – damit war die doofe Sache zwar immer noch da, aber wenigstens sah die Erlediliste gut aus), Unterrichtsvorbereitung. Um kurz vor eins ein ganz guter Stand.
Mittagspause mit ein bisschen Tidal-Playlist und Zeitung und dem restlichen Rumfort-Curry, eine Tasse Kräutertee, und um zwanzig vor zwei ins Büro. Draußen immer noch, wie die ganzen letzten Tage, knapp über null Grad, aber trüber Hochnebel und eine unangenehme feuchte Kälte – ich war froh um meine warmen Schuhe und froh, als ich angekommen war.
Dort bei einer Tasse Kaffee gleich von der zweiten Chefin angesprochen worden, die leider, leider sehr schlechte Nachrichten für mich hatte. Wir hatten uns einen Punkt so schön gedacht fürs kommende Jahr mit Umverteilung und Neuausrichtung und personellen Neuentscheidungen, und jetzt klappt das alles doch nicht wie geplant. Und die Zeit wird recht knapp, denn, naja, das neue Jahr kommt schon recht bald. Alles also etwas blöd. Wir überlegten noch ein bisschen gemeinsam hin und her, eine schnelle Lösung hatten wir aber natürlich auch nicht. Fachkräftemangel, Personalmangel an allen Orten, warum sollte es bei uns anders sein.
Um drei ein Meeting mit Kolleg:innen (einige hatten sich online dazugeschaltet, darunter die Ex-Chefin, die – trotz mittlerweile chronisch krank – das ganze Meeting durchhielt, was superschön war). Das war eine interne Veranstaltung und alles nicht so richtig spruchreif, auch was die Darstellung nach außen angeht, aber kurz gefasst ging es um Entwicklungen in unserem Land (und darüber hinaus), demokratiegefährdende Tendenzen und wie wir uns als Unternehmen dazu positionieren und dagegen aktiv werden können. Es war in erster Linie ein Gedankenaustausch, aber ein paar kleine konkrete Ansätze gab es schon. Und der Wunsch nach einem Folgetreffen. Was wir auf jeden Fall festhielten, war der Gedanke, dass wir uns von einem Gefühl der Ohnmacht und Depression, das wir alle kannten, nicht bestimmen und lähmen lassen wollten.
Bei mir in dem Bereich viele Gedanken, viel Unausgegorenes, aber nun ja: Es brodelt. (Gärt, wie gesagt.) Irgendwann schreibe ich dazu vielleicht mal einen extra Eintrag.
In diesem Kontext, nicht so ganz passend, aber irgendwie doch, eine kleine Podcast-Empfehlung, die ich morgens im Bad hörte: eine Folge Radiowissen über den Zusammenhang von Philosophie und Verschwörungstheorien. Kurz gesagt wird dort die These aufgestellt, dass es in Deutschland und Europa seit einigen Jahrzehnten die Tendenz gibt, dass die Figur des Intellektuellen, der „Denkerin“, im gesellschaftlichen Diskurs etwas verloren gegangen und durch die Figur des Experten ersetzt worden ist. (Und zwar nicht „aus Versehen“, sondern aufgrund politischer Entscheidungen, die viel mit Geldflüssen zu tun haben.) Nun ist gegen (vor allem) naturwissenschaftliche Expertise natürlich nichts einzuwenden, aber wissenschaftliche Ansätze greifen oft zu kurz, weil sie nicht erklären können (und auch nicht wollen), wie sich die Gesellschaft entwickelt. Über welches Wertesystem wir uns in einer sich verändernden Welt verständigen wollen. Welche Rolle der, die Einzelne dabei einnehmen kann. Wie komplexe Gebilde und Strömungen zu erklären und einzuordnen sind. Was von der Zukunft zu erhoffen ist. Alle diese Fragen, diese Suche nach Sinnstiftung, wurden von Philosoph:innen (im weitesten Sinn, damit sind nicht nur die universitären Fächer gemeint, sondern auch dementsprechende Medien, Autor:innen, Denkzirkel) diskutiert, betrachtet und beantwortet. Diese Ebene ist zumindest teilweise verloren gegangen, aber das Bedürfnis der Menschen nach gesellschaftlichem Sinn ist natürlich immer noch da.
Enter: Verschwörungstheorien. Und ich würde noch einen Schritt weitergehen (denn Verschwörungstheorien sind ja kein neues Phänomen und haben auch nicht extrem zugenommen, sondern werden nur aufgrund moderner Medien stärker wahrgenommen) und sagen: Enter: Populisten. Die mit vermeintlich einfachen Antworten auf eine komplexe Welt den Leuten das Versprechen geben, für sie das Denken abzunehmen, und damit in diese Leerstelle stoßen.
Das ist die Folge Radiowissen dazu, mit etwas über 20 Minuten morgens prima hörbar:
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/philosophie-auf-abwegen-eine-kleine-geschichte-der-verschwoerung/1855947
Auf jeden Fall nach dem Meeting wieder zurück an den Schreibtisch, eine Stunde Einzelunterricht und viel administrativer Krams, Dokumente zu erledigen, Mails abarbeiten. (Das ist übrigens auch ein Punkt in dem ganzen Komplex: Die meisten Menschen würden wahrscheinlich sehr gern viel aktiver für die Demokratie einstehen, aber im Büro hat man halt 30 Mails in der Inbox, das Abendessen will gekocht sein und der Hund muss zum Tierarzt.) Um sechs machte ich Schluss, bei weitem noch nicht fertig, aber ich verschob den Rest auf den nächsten Tag. Immer etwas Arbeit übriglassen und so.
Der Liebste war daheim schon am Kochen und empfing mich mit der Nachricht, dass ein wichtiges Element unseres Abendessens fehlte, nämlich veganes „Chicken“. Ich hatte dafür zwar Sojaschnetzel vorgesehen gehabt, aber das sagte ihm nicht so zu. Also machte ich auf dem Absatz kehrt und ging mit ihm in den Supermarkt nebenan für zwei Portionen Planted-Chicken Zitrone und noch so ein bisschen spontanes Zeugs. Und außerdem zwei kleine Glas-Auflaufformen, damit wir vier Pie-Portionen im Ofen machten konnten (wir hatten nur zwei kleine daheim).
Daheim dann eine Runde Phase 10 und eine große Schüssel Feldsalat aus der Gemüsekiste (von mir mittags gewaschen, er war etwas schlammig, aber sonst von unglaublich guter Qualität, man merkte ihm an, dass er morgens noch auf dem Acker gestanden hatte), und danach dann eben Vegan Chicken and Leek Pie aus dem November-Heft VF&L, zwei Auflaufformen – die anderen zwei waren für den nächsten Tag. Und erst als wir fertig waren, fiel mir ein, dass wir ja unsere Glas-Lunchboxen hätten nehmen können, ohne Deckel halt, weil die natürlich feuerfest sind. Damit wären sie dann gleich fürs Mitnehmen am nächsten Tag in der richtigen Form gewesen. Etwas unnötiger Kauf, die beiden neuen Auflaufformen. Egal.
Mit den restlichen Weihnachtsplätzchen aufs Sofa, dort ein Blick in Netflix, das mir eine neue Staffel von Queer Eye vorstellte. Klar, dass wir sofort eine Folge anschauen mussten. Bobby ist ja aus der Serie ausgestiegen und wird von mir schmerzlich vermisst, der Ersatz Jeremiah blieb im Vergleich dazu etwas blass. Machte aber einen absolut wundervollen Job, was die Inneneinrichtung angeht, also mal vorsichtiges Daumen hoch von mir. Ansonsten war die erste Folge ein bisschen zu sehr „amerikanisch“ mit ständigen Tränen und Rumgefiepse (die „Nominee“ war halt auch eine eher anstrengende Person). Trotzdem natürlich supernett. Ich freue mich sehr, dass es weitergeht. Überhaupt: In diesen aktuellen Zeiten können die USA eine fette Ladung Queerness gut gebrauchen.