Nicht so tolle Idee: Abends um halb neun noch eine Tasse Tee trinken und dann nachts dreimal aufs Klo müssen. Aus diesem und aus anderen Gründen eher unruhig geschlafen und am Morgen nicht wirklich wach. Mir taten die Fußgelenke, Schienbeine, Handgelenke und Finger weh, außerdem war die rechte Seite verkrampft und mir war kalt (es war auch kalt im Haus). Und niesen musste ich auch am Stück. Jetzt krank werden, in Sichtweite des Weihnachtsurlaubs, wäre natürlich ein Klassiker. Aber immer positiv denken.
Zunächst übernahm der Liebste Katzenmaintenance und Küchenrunde und machte uns ein Müsli, und ich schrieb währenddessen einen Wochenplan für die letzte Arbeitswoche vor Weihnachten und bestellte die Biokiste. Gar nicht so einfach, letzte Termine und dann schon Urlaub und volle Läden und so unterzubringen (mal ganz abgesehen davon, dass es im Winter sowieso wenig regionales Gemüse gibt). So ganz überzeugt war ich von unserem Plan am Ende dann auch nicht, recht pastalastig (wogegen erst einmal nichts einzuwenden ist) und ein paar neue Sachen, wo ich nicht sicher bin, ob sie wirklich so richtig lecker schmecken. Aber: immer positiv denken.
Teeausbeute: Green Ginger, also mit Ingwer aromatisierter grüner Tee. Das konnte ich mir immerhin ganz gut vorstellen. Da der kleine Teetütchen-Stapel in der Küche mittlerweile überhandnahm, reihte ich die Tütchen in eine kleine Metall-Lunchbox, schön sortiert nach aromatisiert-nicht aromatisiert und offen-noch zu (ich mache schon längst nicht mehr jede neue Sorte gleich morgens auf, öffnete jetzt aber mal den „Good Morning“ in der Hoffnung auf ein bisschen Energie).
Kalte Finger.
Das wurde auch nicht so richtig besser, denn den Tag über war ich im Home Office, und daheim am Schreibtisch ist mir ja meistens kalt, auch wenn die Heizung läuft. Schnelle Dusche, wenig Creme und kein Deo aus Gründen: Mittags hatte ich einen Termin zum Brustkrebs-Screening. (So gesehen war es allerdings ganz praktisch, dass mir morgens nicht warm wurde.) Oder, wie es im gemeinsamen Kalender im Wohnzimmer stand: einmal Tittenquetschen.
Den Vormittag über administrative Alltagsarbeit, mit etwas reduziertem Tempo: Die Schlagzahl nahm bei Anfragen und Zeugs deutlich ab und ich sah das realistische Ziel, meine Erlediliste mit den wichtigen Dingen so abzuarbeiten, dass ich zum Ende der Woche guten Gewissens in den Urlaub gehen konnte. Zwar noch ein paar Kleinigkeiten, über die ich mich ärgerte, aber im Großen und Ganzen zufriedenstellend. Der allerwichtigste Punkt waren die letzten Korrekturen für den Skandinavierkurs, und die bekam ich zügig und ohne viel Aufwand hin – sehr gut.
Um halb eins machte ich den Rechner aus und ging also zum Screeningtermin. Dort angenehme Atmosphäre: Es waren Leute da, aber nicht zu viele, alles fühlte sich recht ruhig und geordnet an. Anamneseblatt ausfüllen, noch ein paar Minuten warten (es reichten mir vier Seiten in mitgebrachten Buch), dann kam ich dran. Übliche Prozedur (ich hatte vor einigen Jahren ja bereits eine Mammographie gehabt, kannte den Ablauf also mehr oder weniger): Oben frei machen im Umkleideraum, ein paar Minuten warten, dann wurde ich von zwei RTAs empfangen, eine am Rechner, eine richtete mich am Röntgengerät quasi ein. Es hatte ein bisschen etwas von Ballett: Ich musste in einer bestimmten Pose stehen und wurde dann instruiert: Etwas nach vorn und links beugen – rechten Arm hoch und abwinkeln – mit dem Rippenbogen noch etwas nach vorn – Brust zur Seite schieben… Insgesamt zwei Fotos pro Seite, die RTA bat mich zu sagen, wenn der Schmerz vom „Einklemmen“ nicht mehr auszuhalten wäre. Erstaunlicherweise war das aber kein großes Problem, halt unangenehm, aber nicht wirklich schlimm schmerzhaft (das hatte ich das letzte Mal doofer in Erinnerung) und sehr gut zu ertragen. Und die Bilder wurden gut, es hatte sich also gelohnt.
Nach ein paar Minuten war es vorbei, ich verabschiedete mich und ging zur Tür mit dem Schild „Ausgang“. Nur etwas lustig: Da stand ich ebenfalls in einem Umkleidebereich, aber halt nicht in dem, durch den ich reingekommen war. Drei Türen gingen davon ab: Die, aus der ich gerade gekommen war und eine weitere hatten jeweils einen Knauf, man kam also nicht durch. Ich schaute vorsichtig durch die dritte (mit Klinke): Da war halt leider der Eingangsbereich, mit ungefähr 6 wartenden und arbeitenden Menschen und außerdem durch die Glasscheiben auch von der Straße her einsehbar. Und ich oben ohne, harhar. Hatte aber niemand gesehen (ich hatte nur mal den Kopf rausgesteckt). Nach ein paar Mal klopfen machten mir die RTAs die Tür zum Behandlungsraum wieder auf und brachten mich („oh hoppla, haben wir Sie durch die falsche Tür gelassen“) zu meinen Kleidern zurück. Das war dann schon das Spannendste an dem Termin.
Ich war um zwanzig vor zwei wieder daheim (höchste Zeit fürs Mittagessen mit restlichem Gemüsecurry) und sehr froh, dass ich gegangen war – und auch, dass es so eine positive Erfahrung gewesen war. Ich hatte ja im Vorfeld das Faltblatt zur Entscheidungshilfe bekommen, weil man ja schon drüber nachdenken sollte (es ist nicht so ein absoluter Nobrainer wie bei einer Impfung beispielsweise). Das ist so ungefähr das argumentative Fazit bei mir:
– Man kann einfach wirklich früh einen potenziellen Brustkrebs erkennen, deutlich früher als mit Ultraschall oder Abtastung (…was man ja im Übrigen parallel immer noch machen kann). Die Statistik hat da zwar keine riesigen Zahlen (2-6 Promille verhinderte Krebstote, also 2-6 von 1000 Frauen überleben durch das Programm einen sonst tödlichen Krebs), aber es ist halt doch signifikant.
– Natürlich gibt es Überdiagnosen, also dass man etwas Krebsartiges findet und behandelt, was ohne Programm nicht gefunden worden wäre und keine Probleme gemacht hätte. Aber hätte hätte, Fahrradkette. Mir wäre es viel lieber, dass man einen Krebs findet und behandelt, der da ist, als dass ich nicht nachschauen lasse und hoffe, dass „schon nichts sein wird“.
– Natürlich kann man am Screening-Programm teilnehmen und findet nichts und kurze Zeit später entwickelt sich doch etwas. Das ist für mich aber kein Argument. Das Programm verspricht ja keine komplette Sicherheit für zwei Jahre, sondern nur eine Erhöhung der Wahrscheinlichkeit. Wenn ich meinem Kater heute prophylaktisch ein Wurmmittel gebe, kann morgen trotzdem ein neuer Wurm vorbeischauen. (Deshalb macht man solche Sachen ja regelmäßig. Auch wenn das Beispiel hinkt, ich weiß, weil die Entwurmung eine prophylaktische Behandlung ist und keine Früherkennung von bestehenden Problemen. Aber egal.)
– Dieses Argument, dass man „dann schrecklich Angst hat, wenn etwas auffällig ist und man warten muss, bis es sich als harmlos herausstellt“: Hm. Irgendwie ticke ich da anders. Das ist für mich kein Argument, nicht zu gehen, eher im Gegenteil: Wenn man potenziell etwas finden könnte, dann schaut man doch lieber nach. Wenn ich nicht nachschauen lasse, würde ich mir viel mehr Sorgen machen, dass vielleicht „irgendetwas ist“, und Vorwürfe noch dazu. Es hängt vielleicht davon ab, zu welcher Verdrängungsleistung man fähig ist – ich mache mir halt sowieso immer Sorgen, dann möchte ich wenigstens „meinen Teil“ dazu tun, dass sie unnötig sind.
– Die Strahlenbelastung: Ja, das kann ich wiederum tatsächlich ziemlich gut verdrängen, lol. Ist ja auch wirklich niedrig und die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass es zu einem Strahlen-ausgelösten Krebsleiden kommt.
– Die unangenehme Untersuchung: Das war tatsächlich am Ende das einzige Argument, das für mich wirklich dagegen gesprochen hat. Hat sich glücklicherweise ausgezahlt, mich hier zu überwinden, denn wie gesagt: War gar nicht so schlimm.
Nachmittags noch etwas Schreibtischarbeit bis fünf, dann machte ich Feierabend und loggte mich direkt in ein Zoom-Meeting ein. Etwas kompliziert zu erklären, aber kurz gesagt sind wir als Firma in einer Organisation mit beteiligt, die sich „Bündnis für Demokratie und Menschenrechte Baden-Württemberg“ nennt und Anfang dieses Jahres bei den Anti-AfD-Demos gegründet wurde. Unsere Geschäftsführerin geht regelmäßig zu den montäglichen Treffen der Tübinger Gruppe („geht“ – es ist online). Und weil sie an dem Tag nicht konnte, vertrat ich sie jetzt.
Sehr interessantes Treffen. Konkret geht es um ein paar Planungen für Aktionen, die man jetzt so in der Hauptphase des kurzen Wahlkampfs machen könnte (…die Nachricht vom nicht überstandenen Misstrauensvotum von Olaf Scholz war da gerade gekommen, naja, keine Überraschung natürlich). Postkarten, Infostände, auch ein Seminar als Training gegen blöde rassistische Stammtischparolen. Es waren nur wenige Leute da, aber die waren sehr engagiert (und alle sehr „kampferprobt“, sage ich mal, es waren keine politischen Rookies). Und wie immer gab es viel zu tun und viel zu machen und viele Ideen, und weil ich die einzige Frau in dem Treffen war (auch nicht unüblich, leider) und das Thema „Frauenrechte“ so ein bisschen vakant war, bot ich mich schließlich an, zu dem Thema einen Aufgabenblock zu übernehmen. Es kommt ja demnächst der Weihnachtsurlaub, lol.
(Was wir über die Weihnachtstage machen, steht übrigens so ein bisschen in den Sternen, denn am Sonntag gab es einen unerwarteten Querschuss aus Liebsten-familiärer Richtung, das den angedachten Bodensee-Besuch eher wackelig werden lässt. Wäre schon wieder ein Grund zum Augen-Verdrehen, aber irgendwie habe ich keine Lust, mich aufzuregen – und die Weihnachtstage zu zweit daheim haben ja auch was für sich.)
Fertig um halb sieben, der Liebste hatte schon mit Kochen angefangen. Es wurde ein Kartoffelsalat aus dem neuesten Bosh-Buch (einige wirklich sehr nette Rezepte da), nämlich ein „Bombay Potato Salad“, den wir allerdings ein bisschen abwandelten: rote Currypaste statt Currypulver, und ein Raita machten wir auch nicht (es gibt ja auch keine Gurken im Moment), rührten stattdessen ein wenig Joghurt direkt unter den Salat. Dazu noch ein gewürfelter Kohlrabi, weil der übrig war und in Kartoffelsalat sowieso sehr gut passt. Das gab dann einen wunderbaren, wenn auch überraschend scharfen Salat.
Nichts weiter Berichtenswertes am Abend, wir machten es uns auf dem Sofa gemütlich. Kleine Erzählrunde, dann die queeren Jungs und früh ins Bett. Die nächsten Tage warten die letzten Prüfungstage des Jahres, also noch einmal ein volles Programm, bevor man das Jahr dann abhaken darf.