Zweiter Tag des langen Wochenendes mit Ausschlafversuch, und klar: Ich musste um sechs aufs Klo, das hörte der Kater und kam mich abholen. (Immerhin wusste ich dieses Mal, dass es früh war.) Nach der Katerfütterung legte ich mich aber noch ein knappes Stündchen hin und schlief mehr oder weniger noch ein bisschen. Nun ja.
Zum Frühstück machte der Liebste uns ein großzügiges englisches Frühstück, danach holte er sich seinen Laptop und widmete sich dem wackeligen Lichtweckerprogramm und ich nahm mir einen Tee und ging nach oben in mein Arbeitszimmer: Die Kairo-Daten warteten noch auf Bearbeitung, am Freitag hatte ich ja auf Samstag geschoben und am Samstag mit Einkäufen und Fitness und überhaupt genereller Unlust noch einmal vertagt. Jetzt aber.
Von halb zehn bis halb eins also am Schreibtisch, und gleich das erste, was mich begrüßte, war die Mail der Kairo-Kollegin vom Freitagabend, dass sie es leider, leider doch nicht mehr geschafft hatte… und dann vom Samstag, jetzt aber! Da waren die Daten. Ich war sehr froh, dass ich am Freitag nicht mehr gewartet hatte, ich hätte mich doch geärgert. So war es zeitlich prima, ich tippte drei Stunden lang ein und übertrug und lud hoch, regelmäßig unterbrochen von Kaffee und einmal auch vom frisch angeschnittenen Hefezopf (sehr, sehr lecker, mit ein bisschen veganer Butter und überhaupt…) Am Ende noch ein bisschen Theater mit Daten, die sich nicht hochladen lassen wollten, im zweiten Anlauf dann aber doch, und schließlich ging meine letzte Bestätigungsmail nicht durch, weil meine E-Mail-Adresse oder die Adresse des Empfängers (…was weiß ich) wohl auf irgendeiner Blacklist war, aber davon lässt man sich heutzutage ja nicht abhalten, Mail also auf die alternative Adresse und um halb eins war ich fertig und zufrieden. Und froh, dass nach dem Sonntag noch ein freier Montag kam, sonst wäre ich schon etwas schlecht gelaunt gewesen. So aber: alles gut.
Als erste Amtshandlung des endlich freien Sonntags nahm ich mir mein Buch und las endlich, endlich die letzten Seiten zu Ende: das letzte Kapitel von Hans Fallada, Kleiner Mann, was nun? Der Schluss zog sich noch ein bisschen, muss ich sagen, das lag aber auch daran, dass ich die beiden Protagonist:innen, das junge Paar Pinneberg, sofort sehr ins Herz geschlossen hatte und mir große Sorgen machte, dass das Ganze zum Ende hin eine richtig tragische Wendung nimmt. Und das ist nicht der Fall, es endet verhalten hoffnungsvoll – wenn auch in sehr bitterer Perspektive angesichts der Tatsache, dass Fallada das Buch 1932 schrieb und man als nachgeborener Mensch natürlich weiß, was dann kam. Trotzdem, oder gerade deswegen, eine große Leseentdeckung (warum habe ich noch nie was von Fallada gelesen? Eigentlich genau mein Beuteschema, gerade auch in jüngeren Jahren.) Zwei Dinge waren für mich allerdings bemerkenswert: Einmal, wie sehr sich die Sprache in den 90 Jahren seit Erscheinen geändert hat und was für einen verfremdenden Effekt das teilweise hatte. Erstaunlich, weil die sonstige Lebenswelt so vertraut war, die Alltagsproblematiken so bekannt, die diversen Dilemmata so zeitlos und mit so viel Identifizierbarkeit wiedergegeben. Das Verfremdende störte mich allerdings nie, es kam nur als zusätzlicher, dem zeitlichen Abstand geschuldeter Aspekt hinzu und kontrastierte mit dem sonstigen Setting.
Das zweite, was für mich überraschend war, war die Tatsache, wie sehr es mich störte, dass in dem Buch vermutlich unbeabsichtigt (also vom Autor nicht als Stilmittel eingesetzt, sondern einfach als zeitgenössisch beschrieben – obwohl, wer weiß? Vater Pinneberg stößt sich nun ja auch daran) das Baby, der kleine „Murkel“ so grob behandelt wird – aus unserer heutigen Perspektive sozusagen. Die Schilderungen, wie er schreit und schreit und völlig selbstverständlich von sämtlichen Säuglingsschwestern und auch der Mutter selbst gesagt wird, „man muss ihn schreien lassen, er muss von Anfang an lernen, dass er nicht zu bestimmen hat“ – bei einem Neugeborenen! Wie sehr das die grobe, unbarmherzige Umgangsweise mit den anderen Ausgelieferten, den Opfern des Systems, den Angestellten, den Arbeitslosen, den Armen widerspiegelt und damit resoniert.
…wenn ich genauer darüber nachdenke, vielleicht doch ein Stilmittel.
Mittagessen restlicher Dinkelsalat. Dann mit Espresso aufs Sofa, und weil der Liebste am Samstagabend noch einen Grießpudding gekocht hatte und der jetzt wartete, eine große (sehr große) Portion Grießpudding als Nachtisch.
Irgendwann auf den Balkon. Die Sonne schien, immer wieder trieben ein paar Regenwolken vorbei, es blieb aber trocken und war erstaunlich warm. Ich holte mir ein neues Buch (eigentlich warte ich ja nach einem ausgelesenen Buch ein bisschen, aber ich hatte so große Lust aufs Lesen und es passte so gut zusammen – also Buch) und verbrachte eine sehr angenehme Stunde in der Sonne, und um halb vier lotste ich den Liebsten vom Laptop weg, Sonne ausnutzen und so.
Ein großer Spaziergang das Flüsschen entlang, bis zum Sportplatz. Das Stadtviertel dort ist ursprünglich ein eingemeindetes Dorf, und die dörflichen Strukturen inklusive Sportvereinen und so weiter sind noch recht intakt – und da Sonntag war, spielte also natürlich der Sportverein gegen den Fußballclub drei Dörfer weiter. Kreisliga oder so etwas, keine Ahnung, aber wir setzten uns auf eine Bank und schauten zwanzig Minuten lang zu. Es gab ein Kopfballtor, das ich verpasste, weil ich die Toilette des Vereinsheims benutzte, und ansonsten viele hoch geschlagene Bälle, viele Pässe ins Nirvana, viele eifrig rufende, mehr oder weniger durchtrainierte, mehr oder weniger junge Menschen, die mangelndes Ballvermögen durch viel Gestikulieren und Rennen und Hühnerhaufen-ähnliches Verhalten wettmachten. Bis auf den Torwart der Heimmannschaft, der recht souverän (so sah es für mich zumindest aus) einen Ball nach dem anderen aus der Luft pflückte und so aussah, als wüsste er, was er da tut.
Zur Halbzeitpause gingen wir weiter, in einem großen Bogen weg vom Flüsschen, durchs Industriegebiet und die Bahngleise entlang und schließlich wieder nach Hause. Gegen sechs waren wir zurück und ziemlich zufrieden mit so allem.
Gemeinsames Kochen: Ein großer Topf Gulaschsuppe mit Paprika und Sojachunks. Dazu ein Kochbier, und später zum Gulasch machten wir eine Flasche Rotwein auf, einen 2015er Rioja Gran Reserva, der zu diesem schönen Frühlingsabend und dem prima Essen und überhaupt allem sehr gut passte. Zwei Gläser, kein Nachtisch (das Gulasch war reichlich, und überhaupt hatten wir genug zu essen gehabt an dem Tag), dafür zwei Special-Folgen Doctor (die Übergangsfolgen von der vierten zur fünften Staffel). Schließlich gegen halb elf sehr müde ins Bett, aber ganz zufrieden mit dem Tag.