Gelesene Bücher 2023

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Insgesamt ein ganz gutes Lesejahr, würde ich sagen, mit 35 Büchern (…eines mehr als im Vorjahr, harhar, nicht dass die Quantität eine Rolle spielen würde) und einer ganz ausgewogenen Mischung aus Belletristik und Sachbüchern. Ein größerer Terry Pratchett-Block war dabei, ansonsten recht viele Einzeltitel und wenige „Reihen“. Und ein paar echte Highlights. Ich habe im Blog eigentlich zu den meisten Büchern ein paar Sätze geschrieben, wenn ich sie ausgelesen hatte, deshalb hier nur noch einmal die Aufstellung mit einer Bewertung und einem kleinen Kommentar. Die ganz schlechten Bewertungen (ein Stern sozusagen) tauchen hier nicht auf, denn diese Bücher habe ich nicht beendet.

Jan Hegenberg: Weltuntergang fällt aus. (5/5)
Warum die Wende der Klimakrise einfacher ist, als die meisten denken, und was jetzt zu tun ist.

Der „Graslutscher“, Veganern seit vielen Jahren bekannt, trägt hier in seiner typisch schnoddrigen Schreibe Fakten zusammen, wie man den Klimawandel mit heute machbaren Mitteln aufhalten kann. Der komplett pragmatische und positive Tonfall machten das Buch zu einer ausgesprochen hoffnungsfrohen Jahresstart-Lektüre.

Dervla McTieran: The Ruin (5/5)

Meine Krimi-Entdeckung und Buch des Jahres im Bereich Krimi. So spannend, so gut geschrieben, so viele Sabbatical-Flashbacks (das Buch spielt in Galway) und ein so erfrischend authentisches und un-touristisches Bild von Irland.

Dörte Hansen: Zur See (5/5)

Ein Schwiegermutter-Geschenk und ein ziemlicher Volltreffer. Dörte Hansen ist ja nun wahrlich keine unbekannte Autorin, aber für mich war es ein erster Versuch und ich mochte es sehr, wie sie mit ihrer Schreibweise Atmosphäre zu erzeugen versteht. Ein paar klischeehafte Ausrutscher, davon abgesehen lohnenswert.

Anders de la Motte; Hans Nilsson: Der Tod macht Urlaub in Schweden (3,5/5)

Okay, für den bescheuerten deutschen Titel kann das Buch nichts. Davon abgesehen solide Krimi-Unterhaltung (wenn auch mit etwas konstruierter Geschichte), aber nichts, was man im Bücherregal stehen haben muss. Für ein paar Tage leichte Lektüre im Urlaub oder am Wochenende passte es ganz gut. 

Elke Heidenreich: Männer in Kamelhaarmänteln (5/5)

Wieder ein Schwiegermutter-Geschenk, und ich war überrascht, wie gern ich das Buch las. Eigentlich ist Elke Heidenreich nicht so mein Fall. Aber dieses Buch habe ich sehr gern gelesen, das ganze Setting passte: Die kurzen Kapitel mit jeweils einem Kleidungsstück im Mittelpunkt, die Schilderung der Bundesrepublik der fünfziger bis neunziger Jahre, die autobiographische Färbung.

Graham Norton: Home Stretch (4,5/5)

Die ersten beiden Bücher von Graham Norton habe ich unfassbar gern gelesen, dieses hier hatte ein bisschen Abstriche (Längen in der Geschichte, zu sehr unglaubwürdige heile Welt am Ende). Trotzdem, schon allein wegen des Themas (die Emanzipationsbestrebungen der LGBTQ-Bewegung in Irland der letzten Jahrzehnte) definitiv lohnenswert.

Alex Beer: Der dunkle Bote (5/5)

Der dritte Band der August Emmerich-Reihe und wie die ersten beiden Krimis sehr spannende, gut geschriebene Unterhaltung, atmosphärisch total dicht die Zwischenkriegszeit in Wien einfangend, mit schlüssiger Krimihandlung. Ein bisschen genervt war ich von dem leicht überzogen atemlosen Cliffhanger-Ende. Trotzdem eine Fünfer-Bewertung von mir.

Mariana Leky: Was man von hier aus sehen kann (5/5)

Ich war ja ein bisschen misstrauisch wegen des Leky-Hypes, den ich im Feuilleton so wahrgenommen hatte, aber dann wurde das Buch von allen drei eat.read.sleep-Hosts so sehr empfohlen, dass ich neugierig wurde, und das habe ich wahrlich nicht bereut. Schnell und witzig geschriebene Geschichte, mit viel Liebe zu den skurrilen Hauptfiguren – ich fühlte mich in der Dorfatmosphäre dort sehr zu Hause.

Jonathan Safran Foer, Everything Is Illuminated (3/5)

Es schmerzt mich etwas, hier keine Fünfer-Bewertung zu geben, denn eigentlich mag ich Foer sehr gern – wenn auch in erster Linie wegen seines Eating Animals-Buchs (der Auslöser, dass der Liebste und ich vor zehn Jahren vegan wurden). Aber durch das Buch habe ich mich dann am Ende doch etwas durchgequält – zu ermüdend der Schreibstil, zu sehr zog sich die Geschichte am Schluss. Es war mit dem Buch mein dritter oder vierter Anlauf und ich bin ganz stolz, es jetzt durch zu haben, aber ob ich noch ein weiteres von Foer lese – mal sehen.

Bernardine Evaristo: Girl, Woman, Other (5/5)

Und direkt danach als Ausgleich mein belletristisches Buch des Jahres und eine Riesen-Empfehlung. Jede/r, der/die sich gefragt hat, was es mit intersektionalem Feminismus auf sich hat, sollte dieses Buch lesen. Alle, die einen Blick auf das moderne Großbritannien haben möchten, auch. Und alle anderen auch. Selten haben Figuren einer Geschichte so lang in mir nachgeklungen und so viel zum Nachdenken angeregt wie hier.

Dervla McTiernan: The Scholar (5/5)

Der zweite Krimi der Reihe und zum Glück kein Fall von Zweitromanitis, sondern ebenfalls sehr gelungen (auch wenn mir der Plot im ersten Band besser gefallen hat). Sehr schön unter anderem, dass das Setting in der wissenschaftlichen Welt der Uni Galway spielt, und zwar ohne ein völlig hanebüchenes Bild der wissenschaftlichen Forscherumgebung zu zeichnen, sondern wirklich authentisch.

Alexandra Zykunov: Wir sind doch alle längst gleichberechtigt! (4,5/5)
25 Bullshit-Sätze und wie wir sie endlich zerlegen.

Insgesamt klare Empfehlung, gute Zusammenstellung von klassischem frauenfeindlichen Quatsch, der auch 2023 noch durch Medien und Gespräche geistert. Manchmal ersetzt Empörung die detaillierte Argumentation, aber im Großen und Ganzen passt das gut. Pluspunkt für den Nachnamen, der der Autorin für immer einen Platz ganz am Ende jeder alphabetischen Autor:innenliste sichert.

Volker Kutscher: Olympia (4,5/5)

Der achte Gereon-Rath-Krimi, dieses Mal zur Olympiade 1936 spielend und wieder mit vielen gut recherchierten, hochinteressanten Details. Und einer einigermaßen stimmigen Story (bei der Reihe leider nicht immer der Fall). Einen halben Punkt Abzug für den nervigen, in die Länge gezogenen Cliffhanger am Ende. Das scheint eine Mode zu sein, siehe Alex Beer.

Hans Fallada: Kleiner Mann, was nun? (5/5)

Aus meinem Bücherregal gefischt, wo es 30 Jahre lang in einer Schmuckausgabe des Aufbau Verlags stand und schön aussah. Was für eine Entdeckung, ich war sehr angetan. Welch liebenswerte Figuren, wie klar gezeichnet, was für eine historisch verhaftete und dennoch zeitlose Geschichte. Ich hätte mir natürlich denken können, dass es mir zusagt – Neue Sachlichkeit, schon immer mein Faible – aber ich war doch überrascht, wie sehr. Große Empfehlung.

Maureen Johnson: Truly Devious, Band 1-3 (3,5/5)

Amerikanisches YA mit Internats- und Sherlock-Holmes-Setting, eigentlich hätte das prima passen können – und im ersten Band tut es das auch. Aber dann wurde ich doch mehr und mehr genervt von dem krampfhaften Versuch der Autorin, sämtliche modernen kommunikativen und inklusiven und Subkultur-Trends abzubilden. Im Versuch, authentisch zu sein, misslingt ihr genau das, und das langweilt dann irgendwann. Quasi ein bisschen zu viel… Political Correctness, there, I said it.

Florian Illies: Liebe in Zeiten des Hasses. (5/5)
Chronik eines Gefühls 1929 – 1939

Mein Sachbuch des Jahres, hat deshalb eine eigene Rezension bekommen.

Myriam Georg: Elbleuchten (1,5/5)

Das bis jetzt erste Mal, dass eine eat.read.sleep-Empfehlung komplett in die Hose ging. Ich hatte eigentlich Lust gehabt auf einen einfachen, anspruchslosen, Sonntag-mit-Tee-auf-dem-Sofa-Schmöker, so einen netten Historienschinken. Musste aber leider feststellen, dass „Schinken“ und „anspruchslos“ ja eigentlich keine positiven Attribute sind, und das durchaus seinen Grund hat. Klar, ich las das Buch so weg, man will ja irgendwie doch wissen, wie es weitergeht (auch wenn es so dermaßen anstrengend klischeehaft ist, dass man es recht bald erahnt). Die restlichen Bände kann ich mir aber sparen, auch wenn die Geschichte natürlich komplett offen ist: Es interessiert mich einfach überhaupt nicht.

Ayad Akhtar: Homeland Elegies (3,5/5)

Ich hatte mir ein bisschen mehr von dem Buch erhofft, nach den blumigen Ankündigungen („Barack Obamas Buch des Jahres“ und so). Der ganze Kontext – Erinnerungen eines US-Amerikaners mit pakistanischem Hintergrund nach 9/11 – war auch durchaus spannend, und die ersten Kapitel dementsprechend mit viel Gewinn gelesen. Aber insgesamt waren es zu viele Aneinanderreihungen von Einzelszenen (man merkt, dass der Autor eigentlich Theaterschriftsteller ist), zu viel autofiktionale Elemente, die in ein künstliches Narrativ gebracht werden, das am Schluss nicht so wirklich funktioniert. Und zu viele Fragen, zu wenig Antworten. Wobei das natürlich auch mein Problem sein kann, dass ich auf „Antworten“ gehofft hatte – die wollte der Autor gar nicht geben. Muss er ja auch nicht.

Terry Pratchett: Sechs Discworld-Bücher (5/5)

Fünf Bücher am Stück (Guards! Guards!, The Light Fantastic, Men At Arms, Equal Rites, Sorcery), ein sechstes (Feet of Clay) im Dezember. Rincewind, Hexen, die Night Watch: Terry Pratchett geht einfach immer, wenn man mit dieser Art von Humor zurechtkommt. (Wenn nicht, dann mein Beileid, aber es gibt sicher andere nette Bücher.)

Jens Foell: Foellig nerdiges Wissen (4/5)

In 42 Kapiteln zu jeweils 2 Seiten werden Fun Facts und Trivia aus der naturwissenschaftlichen Welt vorgestellt. Nette Idee, aber leider durch das Konzept der kurzen Kapitel viel zu sehr im Oberflächlichen bleibend. Außerdem wird der „Nerd“-Begriff viel zu sehr ausgetappt.

Tim Marshall: Die Macht der Geographie im 21. Jahrhundert (4,5/5)

Sehr positiv: Topaktuell, ich habe eine Menge gelernt und vieles verstanden, was es an Konfliktlinien auf der Welt gibt – gerade auch in den Bereichen, die nicht ständig in den Nachrichten sind (Australien, Griechenland, Sahelzone). Einen halben Punkt Abzug dafür, dass der Autor teilweise zu krampfhaft an seiner Grundthese festhält (die Geographie hat einen entscheidenden Einfluss auf politische Entscheidungen) und seine Schlussfolgerungen deshalb manchmal zu eindimensional oder nicht glaubwürdig sind.

Yrsa Sigurðardóttir: Seelen im Eis (3,5/5)

Der zweite Island-Krimi der Autorin (für mich – nicht ihr zweites Buch), und im Vergleich zum ersten, 2022 gelesenen, doch eher ein ziemlicher Rückschritt. Klar ist die Geschichte atmosphärisch dicht, aber insgesamt doch einfach viel zu sehr offensichtlich konstruiert und wirklich unglaubwürdig am Ende. Ein halber Pluspunkt allerdings für das Eth im Namen der Autorin.

Richard Osman: The Thursday Murder Club (4,5/5)

Der nächste Krimi mit etwas konstruierter Geschichte, aber insgesamt ist das ganze Setting so stimmig, die Atmosphäre so ansprechend, die Figuren so liebenswert und alles so unfassbar englisch, dass ich es trotzdem mit großem Vergnügen gelesen habe. Trotz der absurd hohen Opferzahl (ich habe irgendwann den Überblick verloren, aber ich denke es gab am Ende acht oder neun Tote aus vier verschiedenen Parallelhandlungen).

Ewald Frie: Ein Hof und elf Geschwister (5/5)
Der stille Abschied vom bäuerlichen Leben

Natürlich ziemlich gehypt mit Spiegel-Bestseller-Platz und so weiter, aber das schon zu Recht – nach Florian Illies mein Platz zwei fürs Sachbuch des Jahres. Die Geschichte einer Münsteraner Bauernfamilie von den Vierzigern bis zu den Nuller Jahren und die massive gesellschaftliche Veränderung weg von der Agrar- und hin zur modernen Gesellschaft, gleichermaßen subjektiv-persönlich wie auch objektiv-quellenbasiert dargestellt, ein echtes Kunststück historischen Schreibens. Pluspunkt (wenn ich nicht schon eine Fünferbewertung gegeben hätte) für den Autor, der Professor an meiner Alma Mater an meiner Fakultät ist. (Allerdings mir nicht mehr persönlich bekannt, weil mein Studium mittlerweile einfach schon SO lang her ist.)

Katja Kullmann: Die singuläre Frau (4,5/5)

Das Thema – eine Auseinandersetzung mit dem Status von Frauen ohne feste:n Partner:in, „Single-Frauen“, „alleinstehenden“ Frauen, die Autorin prägt im Lauf des Buches den Begriff von der „singulären“ Frau – fand ich schon allein deshalb spannend, weil es erstens eine massive gesellschaftliche Komponente hat (Frauen hatten quasi nie die Freiheit, ihren Lebensstatus frei zu bestimmen, sondern mussten sich im besten Fall für ihre Wahl gegen die Konventionen permanent rechtfertigen, im schlechtesten Fall wurde ihnen diese Wahl komplett unmöglich gemacht – und wird, Zwangsverheiratungen kommen immer noch weltweit vor) und zweitens jede Frau betrifft, auch die verheirateten waren im absoluten Normalfall zumindest phasenweise alleinstehend und werden es mit höchster Wahrscheinlichkeit auch zum Ende ihres Lebens sein, wenn man die Statistik ansieht (Heiratsalter, Lebenserwartung von Männern und Frauen). Die Autorin setzt ihr Thema nicht schlecht um: Es soll kein reines Sachbuch sein, sondern eher eine Art Erfahrungsbericht (also bewusst autobiographisch-subjektiv), gemischt mit zahlreichen Frauenfiguren der vergangenen Jahrzehnte und ihren Perspektiven. Nicht alles hat mich gleich überzeugt, aber ich habe es dennoch mit Gewinn gelesen.

Agatha Christie: And Then There Were None (5/5)

Kann es sein, dass ich gefühlt das halbe Werk von Agatha Christie kenne, aber mir nicht wirklich ein Buch einfällt, das ich von ihr gelesen hätte – sondern ich eigentlich nur die alten Verfilmungen im Kopf habe? (Hier bitte eine wackelige Margaret Rutherford und die typische Filmmusik vorstellen.) Auf jeden Fall also mein (zumindest gefühlt) „erster“ richtiger Agatha-Christie-Krimi. Und natürlich merkt man so ein ganz kleines bisschen das Alter, die Figuren sind doch teilweise arg klischeehaft, und überhaupt der Titel (ich schreibe den von Christie gewählten Originaltitel nicht auf, er war schon zu ihrer Zeit schwierig, aber in England – im Vergleich zu den USA – hielt man lang bockig daran fest). Aber insgesamt doch erstaunlich, wie zeitlos das Buch ist, wie spannend, und wie gut er funktioniert.

Agatha Christie: Murder on the Orient Express (5/5)

Natürlich musste ich dann noch einen klassischen Poirot-Krimi anschließen. Da erinnerte ich mich tatsächlich noch an den Plot (aber auch hier definitiv von einer Verfilmung), was der Spannung angesichts der wirklich faszinierend gut zusammengefügten Geschichte keinen Abbruch tat. Agatha Christie war schlicht und einfach genial in dem, was sie schrieb. Vermutlich werden 2024 noch ein paar weitere Bücher von ihr dazukommen, schätze ich mal.