Neulich bei Facebook auf der Postillon-Seite: Ein Kommentarschreiber wurde ausfällig und daraufhin vom Postillon für Kommentare gesperrt. Die empörte Reaktion (per Mail an den Postillon): „irgendein dummer Mensch hat grade mich und andere auf eurer FB-Seite blockiert, weil euch unsere MEINUNG nicht paßt. Das nennt man Faschismus. Bereitet euch auf rechtliche Konsequenzen vor. Der Postillon in seiner jetzigen Form ist Geschichte.“
Der Postillon veröffentlicht regelmäßig Feedback auf seine Satire-Artikel, von Menschen, die die Satire nicht verstanden haben, die den Witz nicht lustig fanden („das soll Satire sein? Ihr solltet euch schämen!“) oder auch versuchen zu erklären, warum der Witz so kein witziger Witz ist und wie der Postillon den Witz hätte schreiben sollen, damit er als witziger Witz auch funktioniert, also witzig wird. Oder so.
Ab und zu kann sich jemand sprachlich nicht benehmen, und dann wird er blockiert, weil der Postillon auf seiner eigenen Seite das Recht hat zu entscheiden, welche Kommentare er zulassen will und welche nicht. Dass jemand das nicht kapieren möchte und mit „rechtlichen Konsequenzen“ droht, ist dann schon amüsant. Situationen dieser Art gibt es tausendfach nicht nur bei Satireseiten, sondern überall dort, wo in sozialen Netzwerken diskutiert wird; in sämtlichen Kommentarseiten der etablierten Medien findet sich regelmäßig der Vorwurf, es wäre „Zensur“, wenn jemand nicht immer und ungehindert seine Unverschämtheiten verbreiten darf.
Was mir an diesem Kommentar besonders negativ auffällt, ist die Verwendung des Wortes „Faschismus“. Faschismus soll es also sein, wenn ungeliebte Meinungen unterdrückt werden. Nun muss man nicht lang nachdenken um zu sehen, dass hier von Meinungsunterdrückung keine Rede sein kann: Erstens hatte der Mann keine „Unterdrückung“ zu befürchten (keine drohende Haft, keine Repressalien gegen seine Familie, keine Verhinderung seines Berufswegs oder ähnliches). Zweitens gab und gibt es genug Möglichkeiten, seine Meinung kundzutun – auf seiner eigenen Facebook-Seite oder in einem selbst geschriebenen Blog könnte er z.B. schreiben, was er möchte. Drittens muss man nicht jede Meinung als Diskussionsbeitrag ernst nehmen: Wenn jemand kommentiert „dir blöden Schlampe sollte man das Maul stopfen“, dann ist es durchaus legitim, diese Person als Idiot wahrzunehmen und das Gespräch abzubrechen. Nicht jeder hat ein Recht darauf, dass alle anderen Menschen seine Meinung ernst nehmen und ihr überall Raum einräumen.
Von „Unterdrückung“ also keine Spur. Besonders unangenehm finde ich die reflexhafte Verwendung des Wortes „Faschismus“. Man brandmarkt eine Aktion, bei der man sich ungerecht behandelt fühlt, als Faschismus, und hat damit das ultimative Totschlagargument ausgepackt: Faschismus ist böse, diktatorisch, das Gegenteil von freiheitlich; wer so agiert, muss in einer Diskussion immer automatisch auf der Verliererseite sein, und wer damit konfrontiert wird, ist immer automatisch das angegriffene Opfer. Kein Wunder, dass das Wort (alternativ auch andere an Nazis/Nationalsozialismus erinnernden Wörter) so gern von Vertretern rechter Positionen ausgepackt wird, allen voran von Vertretern der AfD.
Das Problem dabei ist, dass das Wort damit zur rhetorischen Nazikeule herabsinkt: Es wird so oft – wie im obigen Beispiel – falsch benutzt, als reines Stilmittel der Opferdeklarierung, dass es schwerfällt, es zu gebrauchen, wenn es angebracht wäre. Wäre es denn angebracht? Ich denke ja: Wenn ich mit Argumentationsstrukturen, Denkmustern, mehr noch Verhaltensweisen konfrontiert bin, die Parallelen zum Nationalsozialismus aufweisen, dann ist es notwendig, dies auch zu benennen. Wenn eine Person rassistische Äußerungen macht, dann ist es nicht nur gerechtfertigt, sondern notwendig, diese Äußerung als rassistisch zu bezeichnen. Wenn eine Person eine rechtsradikale Partei wählt, rechtsradikale Äußerungen wiederholt, rechtsradikale Positionen vertritt, dann sollten wir uns nicht davor scheuen, diese Person als das zu bezeichnen, was sie ist: nämlich als Nazi. Nicht alle, die die AfD gewählt haben, sind Nazis? Hm. Vielleicht nicht, aber es sind mehr, als uns lieb sein kann. Ich denke, es ist an der Zeit, das klar auszusprechen. Der bekannten „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“-Rhetorik muss man entgegensetzen: Du darfst das sagen, weil du in einem freiheitlichen Staat lebst, aber ich darf dann auch sagen, dass deine Äußerung rassistisch war. Und wenn du regelmäßig Äußerungen dieser Art machst, dann musst du damit leben, dass Menschen dich als Nazi wahrnehmen und dich auch so bezeichnen. Und wenn du das als Nazikeule empfindest: Schade für dich, aber kein Grund, dich mit Samthandschuhen anzufassen und dir die Rücksicht zuzugestehen, die du anderen nicht zukommen lassen willst.