Nick Hornby: Just Like You

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Ich war ja schon etwas ambivalent, als ich die erste Kurzbeschreibung von Nick Hornbys neuestem Roman las (blablabla, ungleiches Paar, blablabla, eine erste Aufarbeitung des Brexit, blablabla, Klassenunterschiede und Persönlichkeiten blabla). Aber ich muss sagen: Nick Hornby hat da ein wirklich lesenswertes Buch geschrieben, sehr aktuell (sehr aktuell) und trotzdem in der Thematik ausgesprochen universell, fast zeitlos. Das soll ihm erst einmal einer nachmachen.

Die Story klingt tatsächlich ein bisschen nach …puh, nein danke: Frau mittleren Alters verliebt sich in jungen Mann aus der Unterschicht. Trotz aller Unterschiede und Widerstände finden sie zusammen. Nicht gerade Hochzeitsglocken, aber halt schon ein bisschen Happy End, im weitesten Sinn. Aber diese Kurzfassung wird dem Buch tatsächlich nicht gerecht. Es ist eigentlich fast eine Frechheit, wie viele Klischees Hornby hier aufeinanderprallen lässt: Lucy ist Anfang vierzig, Joseph zweiundzwanzig. Lucy weiß, Joseph schwarz. Lucy hat Literatur studiert und arbeitet als Lehrerin, Joseph hat sein Studium nach wenigen Wochen abgebrochen und schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch (er arbeitet als Aushilfe bei einer schicken Metzgerei in Camden, deren Fleischpreise er absurd findet, sie ist dort Kundin). Lucy ist Teil der linksliberalen, aufgeklärten, bildungsbürgerlichen Mittelschicht, Joseph kommt aus Tottenham und hat von Shakespeare keine Ahnung (kennt dafür die komplette Popkultur). Lucy wird natürlich Remain wählen, Joseph ist hin- und hergerissen und versteht auch die Aufregung um das Referendum nicht so richtig.  
So weit, so überzogen konträr – spannend wird das Ganze, weil Hornby es einem nicht erlaubt, sich einfach mit einer Seite zu identifizieren. Lucys „Seite“ linksliberal, tolerant, selbsterklärt weltoffen – aber gegenüber Joseph unglaublich herablassend rassistisch (als Joseph Lucy Theaterkarten zum Geburtstag schenkt und sie begleitet, dreht sich die Person in der vorderen Sitzreihe um und sagt zu ihm „wie schön, dass Sie auch da sind“ und zu Lucy „das haben Sie gut gemacht“). Josephs „Seite“ ungebildet und teilweise geradezu hanebüchen unwissend (seine Familie tendiert dazu, Leave zu wählen, mit teilweise haarsträubenden Pseudoargumenten), aber andererseits auch relativ entspannt, als er mit seiner zwanzig Jahre älteren Freundin auftaucht (bis auf seine Mutter, die eine ganz eigene Kategorie darstellt).

Lucy beginnt, und das ist die eigentlich spannende Entwicklung dieser Geschichte, sich und ihr Umfeld zunehmend zu hinterfragen: Ist das „ihre“ Gruppe, sind das „ihre“ Leute? Die sie teilweise nicht einmal mag, die ihr allzu häufig zu verstehen geben, dass sie etwas Besseres sind und sie sich auch etwas „Besseres“ suchen sollte? Sie beginnt zu überlegen, wohin sie denn gehört – denn so richtig, richtig passt sie zu ihren Freunden eigentlich auch nicht: Geschieden mit einem Alkoholiker als Ex-Mann, zwar universitär gebildet, aber als Lehrerin an einer staatlichen Schule, in die keiner ihrer Freunde seine Kinder schicken würde (und mit nicht gerade üppigem Gehalt). Andererseits natürlich mit der passenden Hautfarbe, der passenden Bildung, der passenden Sprache, den passenden Kontakten trotzdem in der Lage, sich in der bürgerlichen Mittelschicht mühelos zu bewegen – aber heißt das, dass sie dort zu Hause ist? Sind diese Leute, die so sind wie sie, wirklich so, wie sie sein will?

Ich war während des Lesens fasziniert davon, wie ambivalent die Personen dargestellt werden und wie sehr man beginnt, sich selbst und sein eigenes Umfeld und seine eigenen Vorannahmen zu hinterfragen (was den Brexit angeht, Bildung angeht, Rassismus angeht…). Und dazu kommt dann einfach noch eine wirklich schöne Liebesgeschichte und ein sehr rundes Ende. Auf jeden Fall lohnenswert.

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