Eigentlich hatte ich ganz gut geschlafen. Als ich aufwachte, war der Kopf aber trotzdem voller trüber Gedanken – bei mir ein typisches Zeichen von Arbeitsüberlastung. Der Liebste war auch nicht bester Laune, als wir um halb sieben aufstanden, wir waren beide irgendwie genervt und ließen uns erst einmal in Ruhe. Ich war absurderweise unter anderem davon gestresst, dass ich an dem Tag zwei private Termine hatte – auch das typisch, wenn die Arbeit überhandnimmt, empfinde ich alles Zusätzliche als stressig, und das betrifft dann leider die Freizeit, die ja eigentlich der „Ausgleich“ zur Arbeit sein sollte. Was für ein Konzept überhaupt, Work-Life-Balance, vielleicht wäre es eine großartige Idee, wenn die Arbeit Teil des Lebens wäre und nichts, was man ausgleichen muss? Hm.
Auf jeden Fall einigermaßen ruhiger Morgen mit Toastbrot und Orangensaft und viel Lesen. Der Liebste blätterte durch die Zeitung und sah dabei in einer Anzeige, dass es im Sommer ein Festival bei uns in der Stadt geben wird – und dabei tritt auch Bukahara auf. Das ist ja eine Band, die ich sehr mag, aber deren Konzerte für die nächsten Monate eigentlich alle ausverkauft waren. Ich konnte mein Glück kaum glauben, schaute online nach Tickets – es GAB NOCH WELCHE – also Warenkorb, Kundenkonto anlegen, angemeckert werden „unter dieser E-Mail ist bereits ein Konto in unserem System“ (bei Eventim), Passwort-vergessen-Funktion nutzen, Mail-Account öffnen, Passwort über die Mail zurücksetzen, wieder zum Warenkorb… alles, während dort die Uhr in der Anzeige lief „Ihre Tickets sind noch reserviert für X Minuten“. Ein bisschen stressig, aber es klappte alles: Wir haben zwei Konzertkarten für den Sommer. Hihihihihihi. Sehr sehr sehr sehr cool.
Den restlichen Vormittag passierte nicht mehr viel außer etwas Internet-lesen. Auf den Termin am Nachmittag hatte ich so gar keine Lust, wäre lieber daheim auf dem Sofa geblieben. Außerdem fiel mir dann noch ein, dass ich dringend ein Paket zur Post bringen musste – also um elf schließlich duschen, den Liebsten animieren, ebenfalls duschen zu gehen, fertig machen, und um kurz nach zwölf gingen wir los.
Es war ordentlich warm, ich war ohne Jacke nur im Pulli unterwegs, und sogar das war fast zu viel. Dementsprechend waren massenhaft Leute unterwegs und genossen das Wetter. Bei der Post ging es zum Glück sehr schnell, aber ansonsten war die Stadt einfach voll. Wir gingen noch schnell in den Bioladen neben der Post für ein bisschen frisches Gemüse, dann aber gleich wieder heim: Einfach zu viele Leute, alle waren unaufmerksam, alle standen im Weg rum, die Laune des Liebsten sank noch mehr in den Keller, alles einfach anstrengend.
Daheim machte ich uns die restliche Tom Yum heiß, ein paar Mie-Nudeln dazu (schön durchgezogene Suppe, fast noch leckerer am zweiten Tag, die Mie passten gut), und dann ging ich um kurz vor zwei aus dem Haus, etwas zu spät – es war noch wärmer geworden, sodass ich mich erst noch einmal umziehen und von Pulli zu Shirt wechseln musste.
Der Termin war eigentlich ausgesprochen nett: Eine Kollegin von mir ist seit ein paar Monaten in Rente (so gesehen ehemalige Kollegin) und hatte alle, die Lust hatten, an dem Samstag zu sich nach Hause eingeladen zum Abschiednehmen. Das Besondere bei ihr ist, dass sie in einem Museum wohnt: Das Haus ist ein altes Handwerkerhaus aus der Frühneuzeit, das Erdgeschoss ist als klitzekleines historisches Museum eingerichtet, im Obergeschoss hat sie ihre Wohnung. Wir bekamen zunächst eine kleine Führung durchs Museum, und da der Museumsleiter so enthusiastisch war und so viel zu erzählen hatte, führte er auch noch ums Haus und zu den alten Nachbarshäusern und zur Dorfkirche und… bis wir ihn schließlich vorsichtig stoppten, weil die Kollegin wartete.
Also wieder zurück zum alten Häuschen/Museum, dort im Innenhof hatte sie Tische aufgestellt für Kaffee und Kuchen – oder genauer gesagt Tee und Scones, die Kollegin kommt nämlich aus England, und ihr Bruder war extra am Vortag mit dem Motorrad (eine GS, was sonst) von England hergefahren, um Tee zu bringen (er hätte ihn mit der Post schicken können, und man bekommt btw auch in Deutschland fantastischen englischen Tee, aber hey, Bruderliebe und so, und außerdem ein Anlass für eine Motorradtour, ich habe vollstes Verständnis).
Es war superheiß – so warm, dass wir uns alle mit Sonnenmilch eincremten, die eine Kollegin schlauerweise mitgebracht hatte (ich hatte mal wieder an gar nichts gedacht). Dann ziemlich viel quatschen und Tee. Irgendwann wir gingen hoch in die Wohnung und schauten uns das niedliche Dachgeschoss an, und weil dort ein Klavier stand und die Kollegin Geige spielen konnte (und eine andere Klavier), machten wir noch eine spontane Beatles-Karaoke-Session mit Klavier und Geigenbegleitung. Sehr falsch, aber nett.
Ich fühle mich oft nicht so superwohl bei Kollegenveranstaltungen: Erstens mache ich nicht gern Small Talk, außerdem finde ich so Gruppensettings immer stressig. Und dann ist es mir eigentlich gar nicht so recht, die Kollege:innen auch noch privat an einem freien Tag zu sehen (sehr deutsch, diese Trennung von Geschäfts- und Privatleben – das war früher bei mir etwas anders, da war ich mit ein paar Kolleg:innen eng befreundet, aber die sind mittlerweile alle weggezogen). Aber es war schon alles sehr nett und ich war froh, dass ich gekommen war.
Gegen Viertel vor fünf fuhr ich wieder heim. (Im Übrigen Car Sharing mit einem Opel Karl, was ja eigentlich eher ein schlechter Witz als ein Auto ist, aber es ging okay – das Fahren kostete mich nur unglaublich viel Konzentration, ich denke, ich muss wieder öfter fahren.) Dort schaute ich erst einmal nach dem Liebsten, der den Nachmittag auf dem Sofa verbracht hatte und sich marginal besser fühlte. Wir brachten gemeinsam das Auto zum Stellplatz und gingen dann noch eine kleine Runde das Flüsschen hoch und runter (etwas weniger Leute als im Stadtzentrum, aber immer noch voll, sehr warm – der Sommer wird super, haha).
Um zehn vor sechs waren wir daheim und beide ziemlich kaputt. Eigentlich hatten wir Dibbelabbes geplant, so eine Art saarländischen Kartoffelkuchen, aber wir hatten die Sorge, dass der zu lang dauern könnte, Bratkartoffeln ebenso. Ich schlug deshalb Spontan-Nudeln mit Pilzen und Räuchertofu vor, aber der Liebste hatte irgendwie keine Lust auf kreatives Kochen (oder Kochen überhaupt) und überlegte eher, irgendwo hinzugehen und etwas zu holen, was ich wiederum nicht wollte… Am Ende lief es auf Bestellpizza bei Domino’s heraus. Das war eine gute Entscheidung: Es ging schnell, man konnte sie essen, und es war reichlich und sehr fettig (vor allem die neue vegane „Salami“-Pizza triefte vor Fett). Und fettig brauchten wir als Grundlage für den Abend.
Um kurz vor halb acht klingelte das Telefon und mein Bruder aus der Schweiz rief an: Vielleicht klappt in den nächsten Wochen ein Besuch, mal sehen. Wäre schön. Und dann mussten wir schon aus dem Haus: Um acht hatten wir in der Innenstadt beim Spirituosenhändler Karten für ein Whiskeytasting (deshalb auch die fettige Grundlage).
Das Tasting machte uns viel Spaß, vor allem, weil es kein normales Tasting war, sondern eine Blindverkostung: Das Motto war „Guess the Finish“, also Single Malts, die zusätzlich zum Fassausbau noch ein Finish im zweiten Fass bekommen hatten (abgesehen von einem, der kein Finish hatte und uns als Verwirrung untergejubelt worden war). Wir probierten uns den Abend über also durch sechs Whisk(e)ys, fünf Schotten, einen Iren (deshalb das e), mit unterschiedlichen Aromen von Vanille, Holz, Trockenfrüchten und Karamell. So zumindest die Theorie, meine Nase ist da nicht so unterscheidungsfreudig, die Zunge auch nicht, und sobald ein Whiskey ordentlich getorft ist, schmecke ich außer Rauch sowieso nicht mehr viel. Ich kreuzte trotzdem eifrig an, wir diskutierten die verschiedenen Geschmackseindrücke, waren am Ende gespannt auf die Auflösung: Der Liebste hatte einen der sechs korrekt erraten, ich grandiose null: Gar keinen einzigen, lol, ich hatte mich ja als echte Kennerin gezeigt. Egal, es war lustig, und da es am Ende 10% auf das gesamte Sortiment gab, nahmen wir noch einen weichen Schotten und einen zwölfjährigen Redbreast mit.
Nach dem Tasting gingen wir noch eine kleine Runde durch die Altstadt. Es war natürlich kühler, aber angenehm, und die Stadt war sehr voll, weil an dem Abend ein Kulturfestival stattfand, also auf zwei Plätzen Bands und Tanzaufführungen, dazu Essensstände. Wir schauten uns ein bisschen eine Tai-Chi-Aufführung an, dann mäanderten wir durch die Gassen langsam zurück. Im Gegensatz zu mittags störten die vielen Leute jetzt nicht so, es waren aber auch alle entspannt und gut gelaunt, inklusive uns (wir kamen auch gerade vom Whiskeytrinken). Wir gingen zufrieden heim.
Daheim ging es dem Liebsten leider nicht mehr so gut: Sein Kopf begann weh zu tun, der Bauch auch, ihm wurde ein bisschen schlecht und insgesamt fühlte er sich ziemlich krank. Da wir nicht so extrem viel getrunken hatten (beim Tasting nippt man quasi nur, zusammengenommen war das nicht mehr als ein doppeltes Glas), vermutete ich eher eine beginnende Migräne, wahrscheinlich durch die Wärme. Auf jeden Fall machten wir nicht mehr viel, sondern gingen gleich schlafen. Trotz schlechter Laune am Vormittag und Kopfweh am Abend: Insgesamt ein schöner Samstag.