Um halb sechs wurden wir durch ein erbärmlich miauendes Tier geweckt, das sich noch einen Moment durch den Ausblick von der Dachterrasse beruhigen ließ, aber sehr schnell der Meinung war, jetzt sei es dann doch mal gut mit dem Hausarrest. Ich stand schließlich auf, zeigte ihm das restliche Trockenfutter in der Schüssel (drei Haps, dann langweilig), gab ihm Frischfutter (uninteressant), zerkleinerte schließlich die halbe Antibiotikum-Tablette im Mörser und vermischte sie mit etwas Schnurr (…okay, das wurde dann aufgeschleckt, man kriegt ja sonst nichts in diesem Haus). Dann zog ich mich zum Liebsten ins Bett zurück, wo wir (miau) noch ein klein wenig (miau) zu schlafen versuchten (MIAU!!). Um sieben standen wir schließlich auf und machten Tee, ließen den Kater aber IMMER NOCH NICHT wieder raus, man konnte seine Konsterniertheit mit Händen greifen. Es ist einfach nicht machbar, dass wir dieses Tier eine ganze Woche eingesperrt lassen. So wie er am Morgen Rabatz machte, schien er sich schon wieder ganz okay zu fühlen, die Wunde sah auch gut aus. Man sah seinem kleinen pelzigen Kopf quasi schon an, wie er plante, drei Leintücher zusammenzuknoten und sich von der Dachterrasse abzuseilen.
Der Liebste machte uns ein Porridge zum Frühstück, ging dann duschen und zum Bastelverein, wo ein alter Rechner auf ihn wartete, den er wieder zum Laufen bringen wollte. Er blieb aber nicht dort, sondern trug den Rechner heim und gestaltete den Esstisch als Schraubtisch um: sein Programm für den Tag. Ich machte mich auch fertig, ein Blick ins Internet, während der Kater die Treppe hoch und runter raste, und um halb zwölf packten wir ihn in die Transportbox und fuhren ihn zum Kontrolltermin zur Tierärztin.
Es waren Rekordtemperaturen angekündigt, und schon am späten Vormittag war es sehr heiß. Zum Glück brauchten wir nicht lang bis zur Praxis und mussten dort auch nur kurz warten. Der Kater war weitaus neugieriger und munterer als am Tag davor, ließ sich wieder mustergültig untersuchen, und dann die gute Nachricht: Die Körpertemperatur war 38° (also normal für Katzen), und die Abszesstasche war völlig eiterfrei und sah sehr gut aus. Wir bekamen zwar als Empfehlung mit, ihn noch für ein paar Tage im Haus zu lassen, aber wenn er uns dort die Wände hochgehen würde, dann lieber nicht, das wäre dann zu stressig und damit kontraproduktiv. Damit war die Sache klar, der Kater konnte wieder in den Garten, im Haus würde er uns nur durchdrehen.
Wir fuhren also heim, ließen ihn aus der Box und ich machte ihm die Gartentür auf. Er schnuffelte ein bisschen herum, kam zu mir und ließ sich streicheln, pinkelte gegen einen Gartenbusch und legte sich schließlich bei der alten Nachbarin neben dem Gartenteich unter die Büsche in den Schatten. Ich ließ ihn dort in Ruhe und ging nach dem Liebsten schauen.
Der saß im abgedunkelten Wohnzimmer und litt: Es war heiß, heiß, heiß. Eigentlich wären wir jetzt im Naturpark unter Bäumen oder am Vulkansee gewesen, stattdessen nun also daheim, und das am absoluten Hitzerekord-Tag. Außerdem hatten wir nichts zu essen daheim, also mal abgesehen von Tiefkühltruhe und trockenen Vorräten, verhungern mussten wir nicht, aber nichts Frisches halt. Und da wir nicht kochen wollten und wir außerdem im Urlaub waren und man ja da auch neue Erfahrungen machen soll, beschlossen wir, zum Mittagessen zu einem Streetfood-Wagen ums Eck zu gehen, der da zwar schon seit anderthalb Jahren steht, den wir aber noch nicht ausprobiert hatten. Zwei vegane Pita mit gebratenen Pilzen und Zucchini-Bällchen später (sehr gut) gingen wir ausgesprochen satt wieder nach Hause.
Daheim war dann die Stimmung, hitzebedingt, nicht so supergut. Ich wollte auf keinen Fall den ganzen Tag in der abgedunkelten Wohnung sitzen und schlug Freibad oder Baggersee vor, der Liebste wollte aber nicht Rad fahren und nicht weg und keine Menschen und überhaupt, SONNE DOOF. Ich legte mich schließlich aufs Schattendeck in den Garten, der Kater kam nachschauen, was ich so machte, ließ sich aber nicht dazu bewegen, wieder mit ins Haus zu gehen (eigentlich hätte er die zweite Portion Antibiotika bekommen müssen). Also Garten, wo kein Lüftchen ging und es heiß war, und als der Liebste dann anfing, um mich herum die Gartenhecke zu beschneiden (was den Kater erschreckte und irgendwie Unruhe verursachte), hatte ich vom Garten genug, ich packte ein Handtuch und einen Bikini in die Tasche, setzte mich aufs Fahrrad und radelte ins Freibad.
Tatsächlich bin ich, wenn ich mich recht erinnere, in dem Vierteljahrhundert, in dem ich schon in dieser Stadt wohne, noch kein einzelnes Mal hier im Freibad gewesen. Aber es war ja der Tag der Premieren und neuen Urlaubserfahrungen, also passte das schon. Als ich ankam, war schon eine kleine Schlange an der Kasse (und kaum dass ich mich anstellte, fiel mir schlauem Menschen ein, dass ich eigentlich noch Freikarten fürs Bad daheim gehabt hätte, mal von der Firma bekommen – clever). Die Liegefläche im Bad ist ziemlich weitläufig, ich bekam also noch einen Platz im Schatten unter Büschen, schloss meine Wertsachen ein und ging gleich mal zum Becken. Es war wie erwartet ziemlich voll, wenn auch werktags außerhalb der Ferien – allerdings war es da auch schon zwei und es waren einige Schüler (und Familien) da.
Eine erste Runde schwimmen: Ich war seit einigen Jahren nicht mehr schwimmen und anfangs klappte es überhaupt nicht so gut mit dem Rhythmus und dem ins-Wasser-atmen und so. Außerdem tat, keine Überraschung, der linke Arm bei jeder Schwimmbewegung ordentlich weh. Aber schon so nach einer halben Bahn war ich wieder drin, der Arm gewöhnte sich an die Bewegung und es klappte prima. Nur die Fitness ist halt überhaupt nicht da: Nach sieben (!!) Bahnen musste ich Pause machen.
Ich legte mich also etwas aufs Handtuch und versuchte zu lesen, merkte aber schnell, warum mir Freibad eigentlich auf die Nerven geht: Ohne Brille blind, mit Brille unpraktisch, Rumliegen unbequem, Ameisen, Mücken, doof. Ich packte das Buch weg (das hatte ich am Abend davor frisch angefangen und fand es noch eher anstrengend) und ging eine zweite Runde schwimmen. Acht Bahnen, dann trocknen lassen auf einer Bank am Schwimmbeckenrand (wo man sich kaum hinsetzen konnte, weil das Holz so heiß war), dann noch einmal eine kleine Runde aufs Handtuch, mittlerweile war die Sonne gewandert und der Schatten weg. Ich cremte mich ein bisschen ein, überlegte wegen noch einmal schwimmen, aber es war schon vier und wurde deutlich voller, schwimmen wäre kaum noch möglich gewesen ohne Zickzack und ständigem Ausweichen. Ich merkte, dass mein Bedarf an Freibad-Erfahrung gesättigt war, ich packte meine Sachen zusammen und ging wieder. Am Ausgang sah ich die Kassenschlange: Die schlängelte sich mittlerweile über den halben Parkplatz. Es war also eine gute Idee, jetzt zu gehen, denn wie die ganzen Leute auch noch ins Becken passen sollten, keine Ahnung.
Der Liebste hatte das Heckenschneiden mittlerweile abgeschlossen (er hatte sowieso nur ein paar Korrekturen vorgenommen und Wege freigeschnitten, der große Heckenschnitt kommt dann nach der Vogelbrut im Herbst). Ich war nach dem ungewohnten Radfahren-und-Schwimmen ziemlich kaputt und legte mich erst einmal hoch ins Schlafzimmer, wo ich nach einer kurzen Leserunde fest einschlief.
Gegen halb sechs wachte ich wieder auf. Immer noch ziemlich kaputt, ich fragte mich, ob ich etwas zu viel Sonne abbekommen hatte. Außerdem hatte ich Wasser im linken Ohr, was mir furchtbar auf die Nerven ging. Ich ging nochmal in den Garten und schaute nach dem Kater, der sich jetzt auch wieder reinlocken ließ (ich ließ die Tür zum Garten extra offen, um ihm zu signalisieren, dass wir ihn auf keinen Fall wieder einsperren würden), er fraß eine Abendportion Futter und schleckte auch Antibiotika-plus-Schnurr brav auf. Dann schaute er auf dem Balkon vorbei und verschwand wieder im Garten.
Viel passierte nicht mehr: Ich machte uns eine Portion Spaghetti, über die eigentlich Pesto gehört hätte, leider war das letzte Glas selbst gemachtes Pesto aber schimmlig. Also ein paar Cherrytomaten von der Dachterrasse, mit Chiliflocken und Olivenöl, der Liebste kochte währenddessen eine Schüssel Grießpudding für den nächsten Tag, so zum drauf Freuen.
Dann gingen wir noch kurz zum Supermarkt nebenan, um ein bisschen Vorräte aufzufüllen, jetzt wo wir daheim sind. Um wenigstens ein bisschen Urlaubsgefühl zu haben, kauften wir ein paar Produkte, die sonst nicht so zu unserem Warenkorb gehören, Toastbrot beispielsweise, eine Schokokuchen-Backmischung und eine neue Sorte Pesto. (Livin‘ on the edge.) Daheim schenkte ich mir ein Glas Sauvignon Blanc ein, schaute ein bisschen Blaulichtporno (ich hatte entdeckt, dass ich komplette Folgen auf der SAT1-Mediathek gratis anschauen konnte und gar nicht auf YouTube ausweichen musste), und um zehn wurde ich so unglaublich müde, dass ich ins Bett sank wie gefällt.