End Of An Era – Donnerstag 8.9.2022

  • Beitrags-Kategorie:Tagebuch

Unruhige Nacht mit langen und intensiven Träumen, irgendwann gegen fünf war ich endgültig wach und hing meinen Gedanken nach, bis der Lichtwecker dämmerte. Es hatte die ganze Nacht durchgeregnet, am Morgen regnete es immer noch und war dunkel. Ich machte erst einmal Tee, räumte die Küche auf, startete eine Maschine Wäsche und klaubte einen entzückenden braungepunkteten Frosch aus der Waschküche. Ich ließ ihn auf der Terrasse frei und schaute den ungefähr acht weiteren Fröschen und Kröten zu, die sich dort den Regen auf die Lederhaut duschen ließen und mich konsterniert ansahen.
Das Froschtaxi kam drei Minuten später durch die Katzenklappe, ließ sich von mir füttern und verschwand ins Schlafzimmer, aus dem kurz darauf der Liebste auftauchte. Sehr deutliche Herbstatmosphäre.

Ich hatte eigentlich geplant, gleich am Morgen vor dem Frühstück laufen zu gehen, aber der prasselnde Regen hielt mich davon ab. Ich habe (noch) keine lange Laufhose, und auch das langärmlige Laufshirt wäre innerhalb kürzester Zeit durchweicht, und ich hatte keine Lust darauf, mich zu verkühlen. Natürlich wird man beim Laufen irgendwann warm, aber so schnell so warm werde ich nicht, dass ich von Anfang an nasse Kleider kompensieren könnte.
Also verschob ich das Laufen auf Später, der Liebste machte uns ein Müsli und radelte zur Arbeit, und ich ging ohne Dusche etwas früher an den Schreibtisch. Den Vormittag über hatte ich einiges an Korrekturen zu erledigen, nebenher Mails und letzte wichtige Details für eine kommende Prüfung zu organisieren. Das wird an der Hochschule ein neues Format werden, das wir dort übernehmen, und da sind noch lang nicht alle Abläufe klar, wir werden wohl vor Ort ein bisschen improvisieren müssen. Das wird lustig.

Um viertel nach elf hatte der Regen aufgehört und ich hatte bei der Arbeit einen wichtigen Punkt abgehakt: Also zog ich meine Laufschuhe an und ging ein Dreiviertelstündchen traben. Und es klappte wieder super, hihi. Wenn das so weitergeht, dann ist das Ziel „Strecke durchlaufen“ wirklich schon am Horizont, und das wäre weiter, als ich je gekommen bin. Früher immer: Durch ständige Erkältungen oder Achillessehne oder Knie ausgebremst, oder einfach durch Winter – ich hoffe ja sehr, dass ich das Laufen durch die kalte und dunkle Jahreszeit hindurchrette. Im Frühling wieder von vorn anfangen zu müssen wäre soooo doof.

Daheim ging ich duschen und schaute noch einmal kurz in Mailbox/Chatroom, ob etwas Wichtiges eingelaufen war, nö, also machte ich das Mittagessen warm (zweite Hälfte Lauch-Dinkel-Pfanne). Recht schnell nach dem Essen ging ich wieder ins Arbeitszimmer, weiter organisieren, aber so gegen drei fiel ich richtig ins Suppenkoma. Und da der Tag ja noch einen Abendkurs beinhaltete, und meine Laune sowieso in den Keller ging, unterbrach ich das Arbeiten noch einmal für eine Stunde, in der Absicht, stattdessen abends nach dem Kurs noch etwas zu machen, der Liebste war abends mit Kolleg:innen verabredet und nicht daheim. Ich legte mich also aufs Sofa und startete ein neues Buch. Und das war eine gute Idee.
Ungefähr zur gleichen Zeit begann mein Handy quasi im zwei-Minuten-Takt zu vibrieren: Die Guardian-App drehte völlig frei und schickte mir eine Push-Meldung nach der anderen. Ärzte sehr besorgt über Gesundheitszustand der Queen! Senior Royals eilen nach Schottland! WX ist jetzt schon in Schottland! AB wird in einer Stunde erwartet! YZ sitzt mit DE und weiteren im Flugzeug, das … jetzt … auf dem Rollfeld aufsetzt! Immer noch keine Neuigkeiten von der Queen, aber Ärzte sehr besorgt! Unterhaus auch sehr besorgt! Und Oberhaus! Premierministerin hat ihre Besorgnis ausgedrückt! Sprecher des Unterhauses auch! Sprecher der Opposition auch! Sprecher jeder einzelnen f*cking Splittergruppenpartei auch! Erzbischof (…wtf) auch!
(Ich will gar nicht zu zynisch klingen: Wenn Ärzte bei einer 96-Jährigen „medical concern“ ausdrücken und die Familie ans Krankenbett rufen, dann weiß man normalerweise schon, was das heißt, insbesondere beim englischen Königshaus, das sich ja immer sehr zurückhaltend mit Gesundheitsnachrichten gezeigt hat. Nur hatte der Versuch, im Minutentakt über etwas zu berichten, über das man halt keine Informationen hatte, einen unfreiwillig komischen Effekt.)

Ab vier wieder zurück zur Arbeit, jetzt war ich etwas wacher und fühlte mich gewappnet, einen wichtigen Orga-Punkt anzusehen, den ich etwas vor mir her geschoben hatte. Den ging ich auch an (so mit einem Blick aufs Handy alle 20 Minuten, um die nächsten zehn „Topmeldungen“ zu lesen, immerhin hörte der Guardian irgendwann auf, mir jede einzelne Information im Liveticker als Push-Nachricht zu schicken). Mit meinem Orga-Punkt wurde ich leider nicht fertig, aber egal, ich hatte ja sowieso Arbeit nach dem Kurs geplant.
Abendkurs um halb sechs, ich war recht zufrieden, auch wenn meine Zeitplanung nicht so ganz passte, aber egal. Wenn ich spontan auftauchende Fragen ausführlich beantworten kann, ist mir das mehr wert als die vorgefertigten Inhalte. Die Engländerin des Kurses war leider nicht da (ich hätte sie sonst natürlich gefragt, ob sie auch sehr besorgt sei).

Um sieben war ich fertig, schloss den Kurs ab und machte erst einmal eine kleine Pause zum Kochen. Einfache Nudeln mit einer Sauce aus grünen Linsen und frischen Tomaten, langsam eingeköchelt und sehr aromatisch. Und während alles am Blubbern war, dann die endgültige Push-Meldung: The Queen Is Dead – Long Live the King.
…wie gesagt jetzt nicht soooo überraschend, zumal bei einer Frau dieses Alters, aber trotzdem… was für ein Ende einer Ära. Die Queen war so lang englische Königin, dass nicht nur ich kein anderes englisches Oberhaupt kenne, sondern auch meine Eltern nicht oder zumindest fast nicht (meine Mutter war neun bei der Thronbesteigung, mein Vater zwei). Das Königshaus ohne Queen ist fast nicht vorzustellen, und absurderweise ist der Nachfolger ja auch schon länger im Rentenalter. (Ich war ja, vor vielen Jahren und damit noch einiges jünger, sehr irritiert über die Tatsache, dass auf die Queen Prince Charles folgen würde, denn sogar in der Hymne wird ja explizit eine Königin besungen? Dass man dann einfach die Hymne anders singt, der Gedanke kam mir gar nicht.)

Um Viertel nach acht war ich mit Kochen fertig und gerade beim Essen, als unten die Tür aufging und der Liebste heimkam, anderthalb Stunden früher als von mir erwartet. Das freute mich natürlich, damit hatten sich allerdings meine Abend-Arbeitspläne erledigt (und ich an dem Tag ordentlich Minusstunden gemacht – nicht dass das grundsätzlich schlimm wäre, aber ich muss die nicht gemachte Arbeit jetzt irgendwann wieder reinholen). Auf jeden Fall hatten wir jetzt unverhofft noch einen Abend zusammen, den wir mit ein bisschen Quatschen verbrachten, dann Buch, bis der Liebste „nur mal schnell“ im ARD Livestream vorbeischaute – und natürlich sahen wir dann den Rest des Abends Rückblicke auf das Leben der Queen. Was auch sonst.