Ich wachte um Viertel vor acht auf und fühlte mich schon ziemlich im Urlaubsmodus. Zwar kamen noch ein paar Arbeitstage auf mich zu, aber der größte Teil des Jahres war geschafft, so gefühlt. Und tatsächlich war das, wenn ich es richtig im Kopf hatte, seit unserem Herbsturlaub Ende Oktober das erste Wochenende, an dem ich nicht arbeiten musste, noch nicht einmal eine Stunde.
Wir starteten den Tag also schön langsam mit vier Kerzen am Adventskranz (sonst wenig Deko bei uns im Haus, nur ein Metallstern, den ich letztes Jahr im Küchenfenster aufgehängt und dann vergessen hatte, ein Holzstern, den die Schwiegermutter zum ersten Advent mit der Post geschickt hatte, und eben Adventskalender und -kranz) und Tee, später ein englisches Frühstück. Im Garten immer noch ordentlich Schnee, es hatte zweistellige Minustemperaturen und versprach ein sonniger Tag zu werden. Den ich mir allerdings in erster Linie von drinnen anzusehen gedachte.
Und so war es dann auch, der Vormittag verging mehr oder weniger am Esstisch, später auf dem Sofa in Schlabberkleidung. Der Liebste machte uns eine Kanne Tee und ich beschäftigte mich damit, einmal das Internet leer zu lesen. Gegen eins ein schnelles Mittagessen: Ich hatte eigentlich eine Linsensuppe nach neuem Rezept geplant, entschied mich dann aber für angebratenen Seitan, abgelöscht mit einem Glas gestückter Tomaten, rote Linsen dazu und eine Portion Nudeln, der Seitan musste nämlich weg.
Was noch weg musste, war ein Seidentofu, der schon ein paar Wochen abgelaufen gewesen war (er war aber eingeschweißt gewesen, roch tadellos und sah noch gut aus – Freuden der pflanzlichen Lebensmittel). Da wir noch eine Packung Zartbitterschokolade hatten, machten wir uns also eine große Schüssel Schokoladenmousse, unter Einsatz der neuen Küchenmaschine. Dieses Mal rührte der Liebste einen Schuss flüssige Sahne in die geschmolzene Schokolade und konnte so verhindern, dass die Schokolade grisselig wurde, sie ließ sich gut mit Seidentofu und geschlagener Sahne verrühren. Hihi. Nur blöd, dass das Ganze dann für den restlichen Tag in den Kühlschrank musste.
Restlicher Nachmittag weiter auf dem Sofa, Gedöns lesen, ich entdeckte ein paar neue Blogs – bis vier, wo ich dann unter die Dusche ging. Vermutlich hätte ich mir das für den Tag voll gespart, wir hatten aber ja für den Abend Pläne. Ein Konzert, um genau zu sein, Bodo Wartke mit seinem neuen Programm (neu in Anführungszeichen, da er es 2020 hatte aufführen wollen, jetzt kam es eben zwei Jahre verspätet).
Nach der Dusche also direkt in die Küche, ich räumte ein bisschen auf und machte dann das Abendessen, begleitet von der letzten Folge Quarks Science Cops, eine Schüssel Salat mit Quinoa, Kichererbsen, restlichen Karotten, Petersilie und Feto. Eigentlich hätten noch Mandelblättchen darüber gestreut gehört, wurden aber von mir vergessen. Egal, mit einem Zitronen-Olivenöldressing war es trotzdem gut.
Und dann aus dem Haus um zwanzig vor sieben. Es war etwas „wärmer“ geworden, trotzdem packte ich mich warm ein in Winterstiefel, Stulpen, langärmliges Shirt unter den Pulli, Schal, Wintermantel, Mütze und Handschuhe. Die Fahrkarten hatten wir über das Handy schon besorgt (dämliche Naldo-App, irgendwo in den Tiefen des Programms fanden wir aber eine Ticketkauffunktion), zum Glück: Wir schafften den Zug um sieben gerade so mit Rennen auf den letzten vierzig Metern. (Sehr außer Atem, was mich etwas an meinem Fitnesstand zweifeln ließ – kaum macht man mal zwei Wochen Laufpause – aber immerhin beruhigte sich das Herz sehr schnell wieder und der Puls regelte sich runter, was ja ein gutes Zeichen ist.)
Um halb acht kamen wir an der Reutlinger Stadthalle an, es waren noch nicht sehr viele Leute da. Wir gaben unsere Mäntel an der Garderobe ab, suchten nach den Toiletten, und als wir wieder zum Eingang schauten, stand dort eine Schlange quer über den halben Platz – wir waren gerade rechtzeitig vor dem großen Schwung angekommen. Wir holten uns eine Flasche Wasser und bestellten Getränke für die Pause, alles ohne lange Wartezeit (klar, die Leute standen ja an der Tür und dann an der Garderobe an, immer vor der Welle bleiben). Der Servicemensch bot uns zum Getränk „Butterbrezeln oder Käsebrötchen“ an, wir lehnten dankend ab, der Liebste schob ein „höchstens wenn Sie etwas Veganes hätten?“ hinterher, was für einen Heiterkeitsausbruch des Kellners sorgte, als hätten wir einen besonders guten Witz gemacht. Seufz. Freuden der Provinz.
Und dann das Konzert vor ausverkauftem Haus: Das war ein sehr schöner Abend, Klavierkabarett vom Feinsten. Ich kannte Bodo Wartke natürlich von YouTube und so, hatte mir gerade während des Seuchenjahrs 2020 sogar mal ein Streamingkonzert von ihm angehört, aber ich hatte ihn noch nie live gesehen. Und das war schon noch einmal etwas Anderes als auf dem kleinen Bildschirm, denn auch wenn er recht weit weg war (wir hatten Plätze auf dem Rang und damit unverdeckte Sicht, allerdings recht weit hinten), „sah“ man einfach mehr von Allem. Wie er mit dem Publikum interagierte, durch den Abend lenkte, ernste, alberne, lustige Sachen abwechselte und überhaupt einfach selbst total viel Spaß an diesem Live-Auftritt hatte. Mindestens drei- oder viermal bedankte er sich dafür, dass „Sie Livekultur wieder möglich machen“, und ich war plötzlich schon auch sehr froh, dass das wieder ging und wir dabei waren. Übrigens hatten wir die komplette Zeit (von der Pause abgesehen, wo wir an unserem Stehtisch einen Sekt nippten) FFP2-Masken auf, und das war völlig okay. Wir waren auch nicht die einzigen, allerdings in der Minderheit. (Interessanterweise waren quasi alle, die wir mit Masken sahen, jüngere Leute, wir gehörten zum oberen Altersrand der Maskenträger.)
Um zwanzig nach zehn war das Konzert vorbei, wir waren gut unterhalten und bewegt und zum Nachdenken gebracht worden und gingen wieder zurück zum Bahnhof (gutes Timing, der Zug fuhr gerade aufs Gleis, als wir die Treppe nach oben kamen). Kurzer Heimweg durch die Kälte, und dann waren wir um elf ungefähr im warmen Bett und froh, ein paar Eindrücke aufgenommen zu haben, den Kopf angefüllt mit Wörtern und Musik und überhaupt.