Seit Wochen, eigentlich Monaten habe ich ein ungutes Gefühl im Bauch, wenn ich über meine Social Media-Nutzung nachdenke. Facebook speziell ist mir zunehmend unsympathischer geworden, soweit, dass ich mich schließlich entschieden habe, mein Konto zu löschen. Seitdem (noch ist es nicht gelöscht) wälze ich den Gedanken, ob das wirklich die richtige Entscheidung ist. Ich beobachte bei mir eine starke Tendenz zum Einsiedlertum und befürchte, dieser Schritt könnte ein Symptom davon sein. Außerdem ist natürlich die FOMO („fear of missing out“) auch bei mir vorhanden. Und ganz unrecht habe ich damit nicht: Einige Kontakte habe ich nur (noch) über Facebook, lösche ich mein Konto dort, dann werde ich sie ziemlich sicher verlieren. Das sind nicht unbedingt enge Kontakte, teilweise zu Leuten, deren Leben mittlerweile in völlig anderen Bahnen verläuft. Aber trotzdem schade, natürlich.
Dennoch. Das Unbehagen bleibt. Und das hat nicht nur damit zu tun, dass Facebook (wie andere Soziale Medien auch) wenig Respekt vor dem deutschen Datenschutzrecht hat und ich mir darüber klar sein muss, dass ich mit meinen Daten „bezahle“, sobald ich gratis-Netzwerke nutze. Seit meine Timelines nicht mehr chronologisch aufgebaut sind, sondern ein Algorithmus bestimmt, was mich interessieren könnte, fühle ich mich (noch mehr) entmündigt. Das ist aber nicht der Hauptgrund: Der Hauptgrund ist der, was soziale Medien mit mir machen. Ich zähle mal die Netzwerke auf, die ich zur Zeit nutze oder genutzt habe.
Facebook: In Kontakt bleiben, schön und gut. Aber wenn ich ehrlich bin, ist das doch ein ausgesprochen oberflächlicher Kontakt. Wer postet denn schon ernsthaft Informationen über seine Krebsdiagnose oder einen Ehekrach, über das Zerwürfnis mit den Eltern oder den Brief von der Bank wegen des dauerhaft überzogenen Kontos? Ich weiß, dass es Leute gibt, die das machen, aber ich würde behaupten, es ist doch eher die Ausnahme. In meiner Timeline habe ich davon zumindest eher nichts gelesen, stattdessen nur „Erfolgsmeldungen“ (hurra, neuer Job! Urlaub am Strand mit dem Liebsten! Schaut mal, unsere Kleine kann jetzt laufen, wie süß!). Wenn es negative Aussagen gibt, dann normalerweise ironisch verzerrt „(drei Tage Urlaub, und… Erkältung. War ja klar“). Das ist bei mir absolut nicht anders, ich wäre mir komisch vorgekommen, zu „persönliche“ Sachen auf meiner Timeline zu posten, und hätte nicht so recht gewusst, wie auf negative Nachrichten von anderen zu reagieren. Facebook ist irgendwie nicht der richtige Rahmen dafür. Dann frage ich mich allerdings, ob ich dieses Netzwerk überhaupt möchte.
(Interessanterweise wurde ich das einzige Mal, als ich ernsthaft etwas Negatives gepostet hatte, von einem damaligen Freund ermahnt, dass man das nicht schreiben könne. Ich hatte wohl ein Tabu gebrochen. Es könnte natürlich auch daran gelegen haben, dass der ‚Freund‘ ein Idiot war.)
Instagram: Dort habe ich seit einiger Zeit einen Account, folge aber nur einigen Leuten und poste selbst nichts. Der Zwang zur Selbstdarstellung und Selbstoptimierung, der auf Facebook schon störend war, ist auf Insta ins Extrem getrieben. Wer um Himmels willen postet denn ein Bild mit dem Hashtag #nofilter? Was willst du damit sagen? Dass der Rest deiner Bilder alle nachbearbeitet, verzerrt, aufgehübscht sind? Und das #nofilter-Bild ist dann besonders ehrlich und offen, und dafür gibt es dann eine Medaille?
Ich bin außerdem eher ein Text- als ein Bildermensch. Deshalb spricht mich Instagram eigentlich weniger an. Vielleicht sollte ich meinen Account dort überdenken.
Twitter: Ich nutze Twitter als reines Informationsmedium, folge fast niemandem aus meinem privaten Umfeld, sondern stattdessen Personen des öffentlichen Lebens, deren Informationen mich interessieren. Ich schreibe dort nichts selbst, retweete höchstens. Viele Daten von mir gebe ich dort also eigentlich nicht preis. Mein Problem mit Twitter: Ich entwickle dort ein ziemliches Suchtverhalten. Häppchenweise Informationen, lockere Sprüche, mal ein Bild? Nichts, das meine Aufmerksamkeit lang in Anspruch nimmt, nichts, das von mir verlangt, mich zu tief darauf einzulassen. Dazu ständig neuer Input, ständig ein neuer Tweet… Seitdem ich Twitter täglich nutze, merke ich an mir, dass ich weniger Geduld habe, Bücher zu lesen oder mir Filme konzentriert anzusehen. Das ist eine Entwicklung, die mir nicht gefällt.
Xing und LinkedIn: Diese beiden Accounts habe ich bereits gelöscht. Tools zur beruflichen Netzwerkbildung? Kontakte als Sprungbrett für die Karriere? Mit einem Magister in Linguistik und Geschichte – who am I kidding?
WhatsApp: Die App habe ich schon vor einiger Zeit gelöscht und nutze jetzt stattdessen Threema. Bei WhatsApp fand ich die Missachtung von Datenschutzgesetzen am unverschämtesten und die Entmündigung der Nutzer am größten. Leider ist es eben auch extrem beliebt und meine Verweigerung tut nicht wirklich etwas gegen meine Einsiedler-Tendenz. Merkwürdig, mich wie eine Rebellin zu fühlen, weil ich eine blöde Chat-App am Smartphone nicht nutze. Ich merke auch, wie ich meinem Bekanntenkreis gegenüber, der an WhatsApp festhält, ein bisschen ungeduldig bin (setzt euch doch mal mit den Risiken auseinander! Seid mal ein bisschen weniger sorglos! Das ist alles kein Spaß!). Wahrscheinlich werde ich eher als alt-werdend und paranoid wahrgenommen. Nun ja. Dafür habe ich einen Blog…