Ich wachte im Dämmerlicht auf und fühlte mich relativ wach. Draußen gaben die Vögel ein lautstarkes Konzert: Fünf Uhr morgens. Das war zwar selbst für meine Verhältnisse sehr früh, aber ich beschloss aufzustehen. So konnten wir (der Liebste folgte kurz danach) uns noch Zeit für die Zeitung und einen grünen Smoothie nehmen (sehr grün, wir hatten viel grünes Blattgemüse, das verbraucht werden musste). Die Zeitung war, nachdem der widerlichste OB Deutschlands am Wochenende einmal mehr völlig entgleist ist, voller bizarrer Artikel und Leserbriefe, ich legte sie bald weg.
Ein Vogelkonzert: Vor einigen Jahren hatte ich in einem Artikel über schwindende Biodiversität die Beschreibung von einem Vogel gelesen, der im Frühjahr das letzte Mal singt, weil er keine antwortende Partnerin mehr findet. Sodass über die Jahre das Konzert im Garten zu einem „Chor wird, dem einige Stimmen fehlen“. Etwas überdramatisierte Darstellung, aber seitdem muss ich häufig daran denken, dass schwindende Biodiversität etwas ist, das so schleichend passiert, dass die breite Masse (also wir) es gar nicht wahrnimmt. Ich zumindest könnte nicht sagen, ob in den letzten Jahren die Vogelstimmen weniger geworden sind. Lange dachte ich, die Vögel würden gar nicht mehr singen und es wäre schon alles zu spät, bis mir klar wurde, dass ich einfach früh genug dafür aufstehen muss. Und außerdem ist das ein Frühlingsphänomen, im Sommer braucht es keine Weltuntergangsszenarien wegen der Vögel.
Ich erinnere mich definitiv daran, dass ich früher mehr unterschiedliche Vögel sehen konnte (Eichelhäher, Zaunkönige, Kleiber). Andererseits haben wir immer wieder Spechte im Garten, was es früher in der Stadt eigentlich wenig gab, und letzte Woche landete sogar Rüdiger (der Graureiher von der Steinlach) im Garten der alten Nachbarin, um sich dort die Goldfische zu holen. Keine Ahnung, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen ist. Die Biodiversität nimmt auf jeden Fall ab, meine Vogelkunde-Beobachtungen lasse ich da aber mal außen vor.
Weil ich so früh dran war, nahm ich mir eine halbe Stunde Zeit für ein bisschen Bewegung, zunächst zwei ausgedehnte Sonnengrüße, dann Hanteln. Wie die Hantel-App auf dem Handy mir mitteilt, seit dem 5. Januar (!!) das erste Mal. Ich bekam die schweren Dinger kaum hoch und musste sehr auf meinen Rücken achten. Ich hatte dieses Jahr seit Februar extrem viel zu tun, aber 5. Januar? Ich war doch etwas erschüttert.
Um acht am Schreibtisch, zwei Stunden relativ konzentriert Dinge weggearbeitet, dann ein Einzeltraining und noch etwas administrative Sachen, den Nachmittag vorbereitet. In der Mittagszeit hatte ich eine etwas längere, wichtige Besprechung mit einer Kollegin, deshalb keine Zeit für den afrikanischen Imbiss. Wir hatten aber sowieso noch Rösti, Spargel und Zitronensoße vom Vorabend übrig. Dann noch ein schneller Espresso und etwas Marzipanschokolade.
Am Nachmittag hatte ich Aufsicht bei einer Probeklausur von einem der Prüfungsvorbereitungskurse. Das bedeutete: Ich machte eine kurze Einführung, schickte dann über Zoom die Prüfungsmaterialien raus, dann konnten die Teilnehmenden die Aufgaben bearbeiten, während ich sie (und mich) stumm schaltete und meine Kamera ausmachte. So waren sie nicht „unter Beobachtung“ und ich hatte sie trotzdem im Blick (eine echte Prüfung würde ich so nicht abhalten wollen, das wäre mir zu unsicher, aber es war ja nur eine Erprobung). Für mich bedeutete das, dass ich den Nachmittag über Mails wegarbeiten konnte, sehr praktisch. Nachdem der erste Teil abgegeben worden war, konnte ich auch schon mit der Korrektur anfangen. Als wir um fünf mit dem Test fertig waren, hatte ich bereits alles korrigiert, kompletter Luxus (den letzten Teil korrigiert eine Kollegin, die den Kurs mit mir zusammen macht).
Die Korrektur ging mir trotzdem auf die Nerven: Die Leute schrieben von Hand auf Papier und schickten mir dann ein Foto davon (das von-Hand-schreiben war Teil der Simulation, da die echte Prüfung dann auch als Präsenzprüfung mit Papier stattfinden wird). Leider habe ich kein gutes Bildbearbeitungsprogramm, mit dem ich auf den Bildern kleine Textfelder eintippen und/oder Markierungen machen kann. Ich benutze GIMP, was aber VIEL zu umständlich ist. Am Ende druckte ich die Blätter aus, machte die Korrekturen mit Kuli und scannte sie dann wieder ein. Bescheuert, aber mit Abstand der schnellste Weg. Einige Kolleg:innen benutzen ein iPad mit Stift, aber ich verweigere mich Apple (zu teuer, zu viel Gedöns, zu viel Religiosität). Auf meinem Tablet müsste ich vermutlich erst ein Programm suchen, das das auch kann (vom Stift mal ganz abgesehen). Das ist noch nicht optimal gelöst.
Nach der Probeklausur musste ich noch ein paar dringende Sachen fertig machen, u.a. eine Rechnung rausschicken und Teilnehmerdaten in Listen einpflegen, um Viertel nach sieben war ich fertig. Draußen hatte mittlerweile ein gegen die Scheiben prasselnder Regen eingesetzt. Ich kümmerte mich ums Abendessen, der Liebste hatte ebenfalls einen langen Arbeitstag gehabt (er fungierte aber als Schnippelsklave). Ein Sweet Potato Tikka Masala aus dem zweiten Bosh-Kochbuch, das ich mit dem restlichen Spinat und einigen Kichererbsen aufpeppte. Sehr gut (mit Kokosmilch ist eigentlich alles sehr gut). Dann eine kurze Runde TNG auf dem Sofa und, nach einem langen Tag, früh ins Bett.