Wir hatten für unser Freiburg-Wochenende das Super8-Hotel im Stadtteil Stühlinger gebucht, und da das so ein Budget-Kettenhotel ist, hatte ich ja schon die schlimmsten Befürchtungen, aber die stellten sich größtenteils als unberechtigt heraus. Das Zimmer war okay, die Hoteleinrichtung etwas zwanghaft „modern“ (und sehr hellgrün“), aber egal, das Bad war in Ordnung, auch wenn man sah, dass das Gebäude noch sehr neu war (die Baugrube noch hinter dem Haus) und vermutlich in Windeseile hochgezogen – man sah dem Lack am Türrahmen noch an, dass er nur einmal und nicht sonderlich sorgfältig aufgestrichen worden war. Aber das war egal, die Betten waren gut, es war nicht zu warm und sehr ruhig und wir wachten am Samstag um kurz vor sieben ausgeschlafen aus. Vor dem Handywecker. Einziges Manko: Kein Heißgetränk auf dem Zimmer.
Deshalb machten wir nicht lang rum: Wir hatten das Hotel ohne Frühstück gebucht und gingen deshalb nach einer schnellen Dusche (im strömenden Regen) zu einem Bäcker bei uns in der Nähe im Wohngebiet (fünf Minuten entfernt), der auf der Kuh empfohlen worden war. Hm. Das Frühstück dort war okay – Hafermilch für den Kaffee, die Brötchen waren vegan (und SEHR gut, der Bäcker – Weber – hat irgendeine Top-Bewertung bekommen), allerdings gab es halt nur Nutella, Butter und Marmelade, und das war halt eher ein bisschen wenig. Andererseits war es günstig, und mit Marmeladenbrötchen wird man ja schon auch satt. Niedliche Einrichtung im Übrigen, der Bäcker verkauft nebenher so Vintage-Möbelzeugs, das Mobiliar hatte also Preisschilder und war aus alten (oder auf alt gemachten) Sachen zusammengestückelt. Nur die Wanddeko bestand ausschließlich aus Holzplanken mit „Live-Love-Laugh“-Aufschrift und so Zeugs, das war dann ziemlich deutlich über der Kitschgrenze.
Nach dem Frühstück suchten wir einen Weg zum Veranstaltungshaus, was in diesem Fall das „Haus der Ärzte“ war: Der Liebste war auf dem eHealth-Forum zum Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen angemeldet. Eigentlich hatte ich gedacht, ich würde mitfahren und dann halt einen Tag rumbummeln, während er auf der Konferenz wäre, aber dann hatte er nachgefragt, ob er seine Frau auch mitbringen dürfe, auch wenn sie fachfremd sei, und er durfte. Also ging ich mit – neugierig war ich ja schon.
Kleinere Anreise mit Bus und Straßenbahn (dabei kauften wir uns jeweils eine Tageskarte ganz Oldschool beim Busfahrer mit Bargeld, weil – wait for it – die VAG-App in einer veralteten Version vorliegt, die mit dem Android auf unseren Handys nicht mehr kompatibel ist, WAS IST DA LOS), um kurz vor halb zehn waren wir pünktlich da. Genau rechtzeitig, um uns in die Liste einzutragen, das Namensschildchen abzuholen, noch einen schnellen Kaffee zu trinken (…hier ohne Hafermilch) und für den Liebsten ein paar Takte mit einer der Referentinnen zu quatschen, die er von seinem Projekt kannte.
Den Vormittag über dann also Forum, bestehend aus einer Reihe von Vorträgen mit anschließender Fragerunde und einer Abschluss-Podiumsdiskussion. Die Referent:innen waren (nach ein paar Einleitungsworten des Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung BW) ein Vertreter aus dem Gesundheitsministerium, eine Vertreterin von der Gematik, eine Professorin, die ein Projekt zur digitalen Aufbereitung von Forschungsdaten vorstellte, und last but not least ein Vertreter der Barmer, der über die Projekteinführung ePA berichtete. Und was kann ich sagen: Das war alles ganz ausgesprochen interessant. Ich hatte ja anfangs gedacht, ich würde nichts verstehen und mich ganz schrecklich langweilen (und hatte sogar zur Sicherheit ein Buch mit eingepackt), aber dem war gar nicht so. Natürlich kannte ich viele Details nicht, vor allem bei den Nachfragen, als es um Fachfragen der Abrechnung für die Ärzte ging (80% des Publikums bestand aus niedergelassenen Ärzt:innen). Aber die groben Diskussionslinien waren schon ziemlich klar. Natürlich wurde alles SUPER-positiv und optimistisch dargestellt, klar, die Leute von Ministerium, Gematik und Barmer machten Werbung für ihre Projekte. Aber selbst wenn man das in Rechnung stellt, klang das alles ganz innovativ.
…das fand natürlich die Frau aus dem Publikum nicht (eine Psychotherapeutin, von denen auch einige da waren), die sich weigerte, das digitale Fragetool zu benutzen und dann leicht beleidigt ins Mikro fragte, warum denn mit „diesem ganzen Ansatz“ die „Analogen ausgegrenzt würden“. Das führte zu leichten Unmutsäußerungen aus dem Publikum, denn ganz ehrlich, warum gehe ich zu einem Digitalisierungs-Forum, wenn ich Digitalisierung so ganz grundsätzlich für böse halte? Das hatte so dermaßen alberne Wutbürger- und Querdenker-Vibes, dass es schon fast wieder lustig war. Der Barmer-Vertreter antwortete souverän, konnte aber so eine ganz leichte, völlig verständliche Ungeduld nicht so ganz verbergen. Kein Wunder. Diese Leute werden nicht ausgegrenzt, sie grenzen sich selbst aus.
Zur Mittagspause verabschiedeten wir uns (das Nachmittagsprogramm war sehr spezifisch auf die niedergelassenen Ärzt:innen ausgerichtet und deshalb weder für den Liebsten noch für mich interessant) und fuhren zurück ins Stadtzentrum. Den ganzen Vormittag über hatte es am Stück geregnet, dazu fürchterlich kalt und windig, also wirklich gruseliges Wetter. Am Nachmittag wurde es leicht besser, aber trotzdem war es kein „Spaziergang im Park“-Wetter. Stattdessen gingen wir ein bisschen shoppen, aber erst einmal zum Mittagessen im Café Katzentempel.
Insgesamt vier Katzen in diesem Café, davon war aber nur eine zu sehen, sie schlief friedlich in einem Katzenkorb (die anderen waren wohl in ihrem Ruhebereich, in den sie sich zurückziehen können, wenn sie auf Gäste keine Lust haben). Ich bin nicht so ganz sicher, was ich von dem Katzencafé-Konzept halten soll – es kommt wohl darauf an, wie es ausgestaltet wird. Ich denke, das Café in Freiburg hat es okay gemacht. Trotzdem weiß ich nicht. Unser Nasenkater würde da einen Vogel bekommen, aber hoffentlich werden nur Katzen zum „Wohnen“ dort ausgewählt, die von der Persönlichkeit her auch dazu passen.
Was man aber sagen muss: EXTREM leckeres Essen, alles vegan. Ich hatte so eine Art Clubsandwich (mit Planted-Erbsenzeugs) mit Salat und Pommes, der Liebste Loaded Fries mit Chili, und das war schon sehr gut und sehr reichlich.
Den restlichen Nachmittag dann also shoppen – wir hatten uns ein paar Sachen vorgenommen, und die klappten auch prima. Nach ungefähr sechs oder sieben Läden hatte ich eine Jeans (Second Hand) und eine Cargohose (von Superdry, SO cool, dass es jetzt wieder Cargohosen gibt) gefunden, dazu ein bisschen Kleinkram, und außerdem waren wir in einem GEA-Laden gewesen und hatten beide jeweils ein Paar Schuhe gekauft. Der Liebste Waldviertler in Froschgrün, weil er sie brauchte, ich Waldviertler in Dunkelbraun, weil ich sie wollte. Hihi.
Um halb sechs fuhren wir zurück ins Hotel – wir mussten uns dringend aufwärmen. Ich las ein paar Takte, der Liebste schlief ein bisschen, und um kurz vor sieben waren wir wieder startklar.
Erst einmal gingen wir zum Essen. Wir fanden in der Kuh das Asian Fusion Restaurant Spicetrails, das eigentlich ganz gut beschrieben worden war und eine große vegane Auswahl hatte. Leider war es nur gar nicht gut. Also wirklich gar nicht, es war völlig überwürzt in so einer unangenehm künstlichen Art. Außerdem war es kalt und ungemütlich und wir verschwanden schnell wieder.
Wir wollten auf jeden Fall gern noch einen Absacker trinken und hatten auf gut Glück mal „Freiburg Bar Whiskey“ oder so etwas gegoogelt, und dabei die Bar Oscar Wilde’s ausfindig gemacht – und was für ein Glückstreffer. Die Bar hat sich so ein bisschen auf Whisk(e)y spezialisiert und hat über 100 Varianten im Angebot. Wir waren leicht überwältigt von der Karte (die ein kleines Buch ist) und tranken erst einmal jeder ein Bier, während wir uns durchblätterten. Am Ende wählte ich drei Whiskeys aus:
Als Start einen Glendalouch Madeira Cask Finish mit 42%. Gleich mal ein UNFASSBAR fulminanter Einstieg mit einem Aroma von Vanille, Karamell und leichten Früchten, dazu weich und warm auf der Zunge, dass man ihn hätte als Parfum benutzen wollen. Oder noch ein zweites Glas einschenken, was wir aber nicht taten, sondern wechselten:
West Cork Pogues Irish Whiskey Blend mit 40%. Den hatte ich quasi ausschließlich aus Nostalgie-Gründen gewählt, denn West Cork: starke Sabbatical-Erinnerungen und überhaupt große Südirlandliebe, dazu noch eine Reminiszenz an die Pogues, what’s not to like. Der Whiskey stellte sich dann allerdings leider als etwas flach heraus, vor allem nach seinem Vorgänger. Schon in Ordnung, aber nichts, was sehr lang nachhallte. (Sorry, Shane.)
Und dann wechselten wir schließlich nach Schottland, mit einem UNGLAUBLICH fantastischen Bunnahabhain Toitleach a Dhà mit 46,3%, mit ganz leichtem Torf, leichtem Salz, ordentlich Holz und überhaupt einer Bandbreite, die schwer zu beschreiben ist.
Auch da hätten wir sehr gern noch ein zweites Glas genommen, entschieden uns aber dagegen: Es war halb elf und wir merkten den Alkohol deutlich. Also nahmen wir eine Straßenbahn zurück zum Hotel und fielen dort ins Bett – ganz im Glück über den schönen, reichhaltigen Abend, die guten Gespräche zwischen uns beiden, das Gold im Glas und überhaupt darüber, in einer tollen Bar gelandet zu sein (so etwas gibt’s bei uns im Städtchen leider nicht) und überhaupt darüber, dass wir so schöne Sachen machen konnten. Alles überhaupt nicht selbstverständlich.