Ende der Fastenzeit, Ostersonntag 4.4.2021

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Gut geschlafen, etwas wirr geträumt, allerdings in der Nacht einmal aufgestanden. Aufgewacht um kurz vor 8, der Liebste und der Kater waren schon auf. Das war mir eigentlich schon fast wieder ein Stück zu spät, aber vielleicht hatte ich es gebraucht.

Ostersonntag: Spielt keine große Rolle mehr für mich (ich höre die Kirchenglocken und freue mich, dass ich weder zur Kirche gehen „muss“ noch ein schlechtes Gewissen habe, weil ich es nicht tue), außer dem Osterlamm gestern keine weiteren Ostertraditionen im Haus, Geschenke sowieso nicht. Einen kleinen Stich ins Herz bei dem Gedanken, wie meine Mutter zuverlässig am Ostersonntag angerufen hatte, jedes Jahr das gleiche Ritual und der gleiche Dialog:

(Telefon klingelt, ich gehe ran)
(Mutter) – „Der Herr ist auferstanden!“
(ich, soll antworten „er ist wahrhaftig auferstanden!“) – „…dir auch einen guten Morgen, Mama.“
(Mutter) – „Neinnein, du musst antworten ‚er ist wahrhaftig auferstanden‘! Das ist doch ein traditioneller Ostergruß der orthodoxen…“
(ich) – „…der orthodoxen russischen Kirche, ja ich weiß. …und was macht ihr heute?“

Jedes Jahr war ich durch diesen aufgezwungenen christlichen Dialog leicht genervt und verweigerte mich, jedes Jahr wünschte ich mir einen „normalen“ Osteranruf (freute mich trotzdem, dass sie sich meldet). Jetzt wird sie nicht mehr anrufen und sie fehlt mir und meine Bockigkeit tut mir leid.
…Und würde sie heute anrufen mit „Der Herr ist auferstanden!“, ich würde wieder antworten mit „dir auch einen guten Morgen…“

Zum Frühstück machten wir gebratene Pilze und Seitanwürstchen, eigentlich hätten für das englische Frühstück noch Toastbrotscheiben dazugehört, aber wir hatten kein Brot mehr (der Teig war über Nacht gegangen, wir schoben das Brot parallel zum Frühstück in den Ofen), und außerdem wartete ja ein Osterlamm aufs Anschneiden. Das gab den Hauptgang nach den Pilzen. Das Lamm war sehr, sehr lecker geworden, hätte wahrscheinlich noch 5 Minuten länger im Ofen vertragen (innen an ein paar Stellen noch etwas zu feucht), aber schön fluffig und mandelig-süß. Natürlich eine katastrophale Kalorienbombe, aber so muss ein Osterlamm sein.

Übrigens Kalorien: Wir hatten wie schon seit einigen Jahren die Fastenzeit dazu genutzt, unser Essen zu tracken (ich mit FDDB, der Liebste mit einer anderen App, die aber auf der gleichen Datenbank aufbaut) und damit ein paar zusätzliche Lockdown-Kilos wieder loszuwerden. Den katastrophalen Gewichtsverlust durch Covid im letzten Sommer hatten wir wieder mehr als ausgeglichen, und zwar auf die schlechte Weise, da wir ordentlich Muskelmasse verloren und auch ziemliche Mühe hatten, wieder an unsere Cardio-Fitness ranzukommen. Jetzt also sieben Wochen Verzicht auf Alkohol und Süßkram und gleichzeitig ein leichtes Defizit essen. Ich hatte als Ziel eingestellt, unter 58 kg zu kommen. Und was zeigte die Waage am Morgen: 57,9 kg. Hihi.

Da ich so lang geschlafen und wir dann üppig gefrühstückt hatten, schrumpfte die Zeit am Morgen extrem schnell zusammen, wir wuschen noch zwei Maschinen Wäsche und kamen damit erst um 11 Uhr aus dem Haus: Der große Plan war die Frühlingsbepflanzung auf dem Friedhof. Die Autos waren großräumig alle ausgebucht, wir bekamen nur noch einen Corsa Automatic (nervig) 25 Gehminuten von uns entfernt. Also zu Fuß hin (wir dachten über das Fahrrad nach, hatten aber Lust auf Spaziergang), Auto holen, alles einladen und los. Auf dem Friedhof waren vergleichsweise wenige Leute (auf dem Wanderparkplatz dafür umso mehr). Wir brauchten einige Zeit für beide Gräber, es tat total gut, in der Sonne zu arbeiten und die Hände in der Erde zu haben. Es hatte deutlich abgekühlt, aber war für Arbeit draußen genau die richtige Temperatur.

Mit Auto ausladen, wegbringen und nach Hause gehen war es 3 Uhr, bis wir zu Mittag essen konnten (zweite Hälfte Stir Fry mit Reisnudeln). Danach waren wir beide ordentlich kaputt und spürten den Fußmarsch und das Arbeiten in den Muskeln, also Sofa (ich Blogs und Twitter, der Liebste YouTube und Mails). Zum Espresso gönnten wir uns (Fastenzeit vorbei!!) ein kleines Stück Schokolade.

Zum Abendessen hatten wir eine Linsen-Bolognese geplant, schwenkten aber auf eine Tofu-Bolognese um. Rezept leider im Kochbuch des Tierschutzbundes von dem durchgedrehten ehemaligen Koch und jetzigen Verschwörungsmythiker und Antisemiten, ich war kurz in Versuchung, den Namen im Kochbuch mit Edding zu schwärzen. Wäre aber etwas albern gewesen. Wie stand es auf Twitter: Veganes Essen kann nichts für A.H. Und es war tatsächlich wieder sehr, sehr lecker. Übrigens: Kurz vor dem Kochen verschwand der Liebste 10 Minuten in der Werkstatt und kam mit blank geschliffenem Kochtopf wieder (Dremel sei Dank) – noch mal gerettet, doch kein Fall für den Metallschrott. Freute mich.

Natürlich, ich hatte mich seit Tagen drauf gefreut, stießen wir zum Essen mit dem Crémant d’Alsace an: auf die Gesundheit, die Liebe, auf uns, darauf, dass ich die verrückten letzten acht Wochen erfolgreich und ohne durchzudrehen geschafft hatte, auf unsere Disziplin, auf die Disziplinlosigkeit, auf den Frühling…
Der Crémant war sehr gut, schmeckte mir besser als der letzte. Sicherlich gefälliger und allgemein trinkbarer, aber ohne flach oder langweilig zu sein.
Für die Bolognese hatten wir einen Rioja zum Kochen aufgemacht, den ich dann aber wieder in den Kühlschrank stellte: Nach zwei Gläsern Crémant hatte ich keine Lust auf weiteren Alkohol und wollte am nächsten Tag auch nicht mit Kopfschmerzen aufwachen. Was die Fastenzeit mit einem macht.

Abends sahen wir die dritte und vierte Folge Charité intensiv in der ARD Mediathek. Eine wirklich sehr gute Doku. Was mir besonders gefiel: Es gibt komplett keine Stimme aus dem Off, man lässt nur die Ärzte, Pflegekräfte, Patienten und Angehörigen sprechen. Meine Gedanken, meine Emotionen kann ich mir selbst bilden, sie werden mir nicht aufgedrängt. Sehr authentisch, sehr angenehm. Im Bett dann plötzlich ein Motivationsschub: Ich beschloss, es noch einmal mit Robert Harris‘ Munich zu versuchen. Dieses Mal nahm ich mir einen Bleistift und legte auf der Umschlagseite ein kleines Personenverzeichnis an. Kein Wunder, dass ich das Buch beim ersten Versuch vor ein paar Wochen liegen gelassen hatte: Schon nach dem ersten Kapitel war die Seite halb voll, und da die Leute teilweise nur mit ihren Funktionen und nicht als Charakter beschrieben werden, war das eine Menge loser Information. Es ist auch nicht klar, wer in den nächsten Kapiteln wichtig bleibt und wer nur eine Nebenrolle spielt, aber das Personenverzeichnis hilft dabei vielleicht.
Erstaunlich, was man wieder hinbekommt, wenn einem nicht die ganze Energie durch die Arbeit abgesaugt wird. Aber ich sollte den Tag nicht vor dem Abend loben: Das letzte Mal hatte ich das Buch im dritten Kapitel abgebrochen, den Punkt habe ich noch nicht erreicht.