Silvester mit Biber, Freitag 31.12.2021

Auf der anderen Seite des Wassergeglitzers ist die Schweiz.

Um zehn vor sieben aufgewacht und aufgestanden, nach einer guten Nacht: Obwohl „nur“ Schlafsofa und etwas weniger Platz, hatten der Liebste und ich insgesamt gut geschlafen. Wir setzten uns erst einmal zu meiner Schwester in die Wohnküche, quatschten ein bisschen bei Tee und Kaffee und lasen Zeitung. Die Zeitung am Bodensee ist irgendwie noch ein bisschen provinzieller als das Lokalblatt bei uns, oder zumindest kommt mir das so vor. Vermutlich scheinen einem Lokalnachrichten einfach weniger wichtig zu sein, wenn man in der Region nicht drinsteckt, und der Blick von außen auf uns wäre vergleichbar (wir sind nämlich auch kleine Provinz, so sehr unser OB das gern anders hätte).

Irgendwann holte meine Schwester Brötchen und wir frühstückten ausführlich mit Laugenknoten, Körnerbrötchen und Mandelmus. Schwager und jüngster Neffe waren mittlerweile auch aufgestanden und schlossen sich dem Frühstück an. Dann bekam der Neffe einen Einkaufszettel geschrieben, der Liebste und ich gingen schnell unter die Dusche, und gegen elf gingen wir zu viert für einen „Spaziergang“ aus dem Haus. Das Wetter war erstaunlich schön, strahlend blauer Himmel und sehr warm, wie wir nach ein paar Schritten mit Wintermantel und Schal merkten (eigentlich fast unangenehm warm, 14 Grad im Dezember fühlen sich nicht richtig an).

Ried mit Biberfällarbeiten.

Nachdem wir die letzten Tage viel in Städten unterwegs waren, zog es uns jetzt Richtung Natur: Wir gingen am Rhein entlang durchs Naturschutzgebiet ins Wollmatinger Ried (mit kleiner Etappe durchs Industriegebiet, was aber irgendwie auch interessant anzuschauen war).
Im Ried gab es sehr viel zu sehen: Natürlich jede Menge Vögel, die einen Lärm machten wie eine aufgeregte Schulklasse, viel „Landschaft“, drei große Gruppen Rehe in gebührendem Abstand zu den Spazierwegen (aber immer noch gut sichtbar). Was wir nicht sahen, war die Biberfamilie, die dort im Ried wohnt, aber die Biberspuren konnten wir überall entdecken, Sanduhr-Nagespuren, gefällte Bäume und alles. Schmelz. Jede Menge Leute waren unterwegs, blieben auf den Wegen, trugen Kameras durch die Gegend, hatten die Hunde angeleint und verhielten sich überhaupt ganz vorbildlich. Am Ende des Weges kamen wir quasi an eine Sackgasse, schauten auf Schwäne, Möwen und die Schweiz. Alles sehr schön.

Da hinten stehen Rehe. Doch, echt jetzt.
Biberspuren.

Der Rückweg war der gleiche wie der Hinweg, und da wir hin über eine Stunde gebraucht hatten, war der Plan „eineinhalb Stunden Spaziergang“ schon rein rechnerisch nicht mehr zu machen. Ich spürte meine Beine und die Achillessehne, außerdem war es warm, wir hatten Hunger und Durst… Also stoppten wir für eine gute Stunde und gingen ins Holly’s, ein Bistro/Café am Rheinufer. Sehr nettes Café, in hübschem Industrie-Chic eingerichtet und wirklich gemütlich (was bei einem großen Raum mit viel Beton und Metall im Gewerbegebiet keine Selbstverständlichkeit ist). Das vegane Angebot war allerdings ausgesprochen überschaubar und beschränkte sich auf eine Tomatensuppe und eine Portion Pommes für den Liebsten und eine Ofenkartoffel mit Guacamole für mich. Aber immerhin hatten sie etwas (wenn auch keinen einzigen Salat ohne Sahne im Dressing, merkwürdig). Vor vier oder fünf Jahren wäre das noch anders gewesen, muss man sich immer wieder sagen.

Alt und neu im Industriegebiet. Das alte Haus ist “denkmalgeschützt”, deshalb wartet man, bis es von selbst umfällt.

Auf jeden Fall waren wir sehr zufrieden und kamen gegen drei wieder daheim an. So richtig groß war die Mittagsportion nicht gewesen, aber es gab ja noch jede Menge Sachen daheim: Kaffee und den restlichen Mohnstriezel (dem es jetzt gut tat, gegessen zu werden) und außerdem, Kindheitserinnerung, Neujahrsbrezel.
Wir waren ziemlich müde nach dem langen Marsch, ich wollte mich aber ungern hinlegen, weil ich dann die Sorge hatte, dass ich erst recht matschig im Kopf werden würde. Ich vertraute ein bisschen auf den Kaffee, wir packten unsere Sachen, und um vier verabschiedeten wir Schwester, Schwager, kleinen Neffen und Patenneffen und machten uns auf den Weg.

Nachdem der Liebste sowohl den Hinweg im Regen als auch die unheimliche Strecke in die Schweizer Großstadt auf sich genommen hatte, fuhr ich den Heimweg komplett zurück. Ich hatte die besseren Bedingungen: Die Autobahn war nicht sehr voll und es regnete nicht, wir kamen gut durch (ich orientierte mich trotzdem an Tempo 130, denn – MINDBLOW! – ich hatte kürzlich durch cleveres Nachdenken herausgefunden, dass man gar nicht auf die Politik warten muss, wenn man ein Tempolimit für ökologisch sinnvoll hält, man kann tatsächlich auch einfach aus eigener Entscheidung langsamer fahren). Um kurz vor sechs waren wir wieder zurück, rechtzeitig für die letzten Stunden des Jahres.

Daheim wurden wir erst einmal von unserem Kater begrüßt, der vom Nachbarn gut versorgt worden war, aber etwas fremdelte, da er unseren Koffer gruselig fand. Ansonsten alles beim Alten, wir brachten noch das Auto zur Tankstelle und zum Stellplatz und waren wieder richtig daheim.
Eigentlich war ja wirklich, wirklich mein Plan gewesen, dass ich zum Jahresende das Yogaprogamm abschließe, aber… ich hatte nicht das Gefühl, dass es eine gute Idee wäre. Mir taten durch das viele Gehen die letzten Tage ziemlich die Gelenke weh und außerdem hatte ich seit dem Vortag etwas entzündete Haut in der Leiste, was zusätzlich schmerzte. Und der letzte Programmtag war auf 50 Minuten angesetzt, also doppelt so lang wie die anderen. Ich beschloss also, nichts „aus Prinzip“ übers Knie zu brechen, und verschob den Tag 30 noch einmal. Stattdessen packte ich unseren Koffer aus, der Liebste kochte uns eine Portion Krautnudeln, und dann machten wir im ganzen Haus die Rollläden zu und setzten uns aufs Sofa.

Unser spektakulärer Silvesterabend: Zuerst wollte ich eine Silvesterfolge von Feuer und Flamme anschauen, wir fanden sie aber nicht und schauten uns stattdessen eine halbe andere Folge an (bis wir es dann sein ließen, denn die alten Folgen haben wir wirklich schon mehrmals gesehen). Dann wechselten wir zur Raumstation, was zwar spannend, aber auch ziemlich düster war (Dominion-Krieg im vollen Gange, und in der letzten Staffel kommen auch noch die Pah-Wraiths als richtige Bedrohung dazu).
Gegen zehn hörte man draußen die erste Böllerei. Der Kater schlief bei uns auf dem Sofa, der Liebste war rechts von mir auch am Einschlafen, ich wechselte zu den Tierärzten. Und da blieb ich dann, mit einem Glas Rotwein und zwei leise schlummernden Begleitern neben mir. Irgendwann wurde ich auch ziemlich müde, mir fielen die Augen zu, und als ich sie wieder aufmachte, war es zehn nach zwölf und der Jahreswechsel schon vorbei. Mit geschlossenen Rollläden und laufendem Fernseher war die beknackte Böllerei gar nicht so störend gewesen (und ziemlich sicher auch weniger als „normal“), der Kater war zwar wach und schaute etwas verunsichert, war aber nicht in Panik. Wir blieben noch bis halb eins bei ihm, dann war die letzte Folge Tierärzte vorbei, der Lärm draußen ließ nach und wir krochen hoch ins Bett.