Kriegswolken und ein Balkonkonzert – Donnerstag 24.2.2022

Müde trotz Lichtwecker, na man darf nicht zu viel erwarten. Die Nacht war aber ganz in Ordnung gewesen, der Kater kam auch gleich ums Eck, als wir aufstanden. Und das Wochenende in Sichtweite, davor stand allerdings noch ein sehr voller Tag. Da ich wieder früh weg musste, lief der Morgen gleich ab wie zuvor: Schneller Tee und schnelle Dusche, den Kater versorgt und dann um kurz nach halb acht aus dem Haus mit Frühstück beim Viertel-Lieblingsbäcker, das der Liebste mir holte und in die Firma brachte.

Die wartende Prüfung war dieses Mal sehr klein, ich musste also für deutlich weniger Personen alles vorbereiten (und vom Tag davor stand noch einiges da). Auch der Schnelltest funktionierte auf Anhieb… so hatte ich dann sogar zehn Minuten, um nach meinen Mails zu schauen und parallel die Brötchen zu essen. Insgesamt alles ein bisschen entspannter. Da sich einer der Prüfungskandidaten kurz vor der Prüfung noch krankmeldete, waren es am Ende nur drei Teilnehmende, also die absolute Minimalanzahl. Sehr überschaubar und recht stressbefreit.

Den ganzen Vormittag bis kurz nach eins Prüfungsaufsicht, während der ich mir erst einmal (parallel zum Schauen natürlich) die Prüfungsunterlagen ansah, es war ja einer nicht da und deshalb war ein Exemplar übrig. In der kurzen Pause dann ein Blick in Spiegel online auf dem Handy und dort die Nachricht, dass Russland jetzt tatsächlich die Ukraine überfallen hat. Und zwar nicht „nur“ Truppen in den Rebellengebieten oder an den Grenzen, sondern Angriffe großflächig im ganzen Land.
Mir rutschte das Herz in den Magen. Bei allem Drohszenario der letzten Wochen hatte ich mir doch nicht vorstellen können, dass Putin tatsächlich einen so offensichtlichen Angriffskrieg gegen einen souveränen Staat führt. Und das ist alles sehr unangenehm close to home, im mehrfachen Wortsinn – nur ist Kiew nicht wirklich weit weg, ich kenne auch eine ganze Reihe Ukrainer (und Russen, nicht zu vergessen), und im Übrigen auch Deutsche, die mit der Ukraine verbandelt sind. Unter anderem arbeitet mein früherer Tutor (noch aus meinen Uni-Dozentinnen-Zeiten) seit einigen Jahren als Lehrer an der deutschen Schule in Kiew und ist mit einer Ukrainerin verheiratet. Was für ein scheußliches Dilemma.

Kurze Mittagspause mit Kartoffelsalat (sehr lecker) und Gesprächen mit Kolleg:innen. Die Atmosphäre war ziemlich gedrückt, und so richtig wusste auch keiner etwas zu sagen (es hatten aber trotzdem alle eine Meinung). Es geht ja nicht nur mir, sondern uns allen so, dass wir Leute aus den Regionen in unseren Kursen haben. Puh.
Nachmittags dann eine kurze mündliche Prüfung (es waren ja wenige Leute), dann Nachbereitung, mit der ich um halb vier schon fertig war, und dann konnte ich tatsächlich noch Zeit für Korrekturen nutzen und kam mit allen Texten durch. SO GUT.

Um kurz nach halb fünf machte ich mich auf den Heimweg, mit kurzem Anstellen bei der Post. Daheim begrüßte ich den Kater, dann den Liebsten, der kurz nach mir kam, und startete dann meinen Rechner für den Abendkurs um halb sechs.
Es waren alle da und alle auch ganz guter Dinge, politische Weltlage hin oder her. Das Arbeiten war etwas anstrengend für sie: Ich hatte einen großen Themenschwerpunkt geplant, der einiges an Konzentration erforderte – und das zu ihrem Feierabend. Aber sie waren alle zufrieden und bedankten sich brav für den Input.

Um halb acht machte ich dann auch Feierabend und ging runter. Der Liebste war schon nicht mehr da, er hatte Jahreshauptversammlung im Bastelverein – ich war den Abend über also allein. Zum Abendessen hatte ich am Morgen eine Linsen-Caponata aus dem Tiefkühlfach geholt, der Liebste hatte dazu noch Nudeln gekocht, bevor er gegangen war. Ich kümmerte mich um den Kater, der etwas bespielt werden wollte, während ich das Essen aufwärmte, dann Abendessen mit Buch und schließlich Sofa.

Ich las ein paar Seiten, beschloss dann aber um acht, die Tagesschau anzusehen. Nur dass keine Tagesschau lief, sondern eine Sondersendung zum Ukrainekrieg, in dem Moment gerade die Live-Übertragung von Bidens Statement, und anschließend dann ein Brennpunkt, der in erster Linie aus Interviews bestand (mit diversen Osteuropa- und Militärexperten, aber auch dem Präsidenten von Estland (?) und dem ukrainischen Botschafter in Deutschland). Ich ließ das also laufen und scrollte währenddessen durch meine Twitter-Timeline, was nicht dazu führte, dass ich mich irgendwie besser informiert fühlte, aber das Doomsday-Gefühl ziemlich verstärkte.

Um neun machte ich deshalb den ARD-Livestream aus und ging stattdessen auf Zoom. Ich hatte nämlich am Tag davor den Link zu einem Live-Konzert bekommen, das an dem Abend ab neun gestreamt wurde. Eher eine Art Wohnzimmerkonzert eines isländischen Liedermachers, der mit meinen Chefs befreundet war und vom isländischen Balkon aus mit seiner Gitarre anderthalb Stunden lang von der Liebe und anderen Katastrophen sang. Die Atmosphäre war sehr familiär, ungefähr 30 Accounts waren zugeschaltet, eine Mischung aus Deutschen und Isländern, die Hälfte davon kannte ich.
Gegen halb elf kam der Liebste nach Hause und schaute noch die letzten zehn Minuten zu. Und dann gingen wir, in seltsamerweise etwas beruhigterer und, wenn man so sagen kann, friedlicher Stimmung hoch ins Bett.