Die Nacht war ganz okay, nachdem ich nach dreimal Klo dann endlich mal einschlafen konnte. Nur etwas kurz, ich wachte um zehn vor sieben schon auf und hörte jemanden in der Küche rumoren. Deshalb standen erst ich, dann der Liebste auch auf und begrüßten die Schwester (Frühaufsteherin wie ich, liegt vermutlich in der Familie).
Wir hatten einen relativ ruhigen Morgen mit viel Zeitunglesen, Kaffee, Tee. Zum Frühstück (Brot mit Aufstrich) musste ich mich aktiv überreden, ich hatte überhaupt keinen Appetit, wollte aber nicht ganz ohne Frühstück aus dem Haus. Auf jeden Fall gingen wir dann duschen und warfen uns in „schöne“ Klamotten (nicht zu aufgetakelt, aber schwarzes Kleid zu schwarzen Jeans und Stiefeln, der Liebste zog ein Hemd an). Schnelltesten, dreimal aufs Klo (liebe Güte), Handtasche packen, um zehn vor zehn kamen wir endlich aus dem Haus (später als geplant, aber trotzdem früh genug). Da wir sieben Leute waren (alle drei Neffen waren da, der größte Neffe war zehn Minuten vor Abfahrtstermin aus seiner WG aufgetaucht, der Patenneffe steckte drei Minuten vor Abfahrt den Kopf aus dem Zimmer und kam quasi in letzter Sekunde umgezogen dazu, der jüngste hatte sogar mit uns gefrühstückt), fuhren wir selbst mit dem Mietcorsa.
Der Liebste setzte sich ans Steuer, weil ich keine Lust auf verstopfte Großstadt hatte. Erst einmal klebten wir die Vignette auf und stellten die Zieladresse bei „Sean“ ein (unser Navi ist auf „Irish English male“ eingestellt, die Stimme hat vom Hersteller einen Namen bekommen – nicht von uns).
Dann also auf in die Schweiz. An der Grenze interessierte sich niemand für uns (sämtliche Grenzer waren damit beschäftigt, einen Flixbus inkl. Passagieren und Gepäck von oben bis unten zu durchsuchen). Auch sonst kamen wir gut durch trotz ordentlichem Verkehr und konnten sogar kurz vor der Zürcher Stadtgrenze noch einen kleinen Toilettenstopp machen (ich hätte es ja bis Zürich ausgehalten…). Um drei Minuten vor elf waren wir da, von Sean zielsicher bis zum Haus meines Bruders gelotst. Zum Glück gibt es dort in der Tiefgarage Besucherparkplätze. Es war übrigens das erste Mal, dass wir nicht mit dem Zug in Zürich waren, rein pandemiebedingt. Ging schon schneller mit dem Auto, war aber auch anstrengender.
Die Schwesterfamilie kam zwei Minuten nach uns auch an (sie hatten einmal zu spät die Spur gewechselt und waren deshalb einen kleinen Umweg gefahren). Da wir eigentlich erst auf kurz vor halb zwölf angekündigt waren und nicht zu früh ankommen wollten („bitte kommt nicht einfach eine halbe Stunde früher“ war die Ansage gewesen, haha), und da der Schwager aber dringend auf Toilette musste, schlug er sich irgendwo in die Büsche, gar nicht so einfach mitten in einer Großstadt. Wir riefen schließlich beim Bruder auf dem Handy an, dass wir jetzt da wären, ob wir vielleicht doch schon dürften… ja, wir „durften“ kommen.
Also hoch in die Wohnung, wo ich vor zwei Jahren (präpandemisches Weihnachten) das letzte Mal gewesen war – so lang hatte ich auch Bruder und Schwägerin nicht mehr gesehen und so lang war ich nicht mehr im Ausland gewesen. Schon alles sehr doof. Aber umso besser, dass es jetzt wieder geklappt hat.
Erst einmal Begrüßung und Sachen abstellen, dann gingen wir gleich wieder runter und zu Fuß einmal durch die Stadt zum Restaurant Hiltl im Zentrum, wo wir einen Tisch reserviert hatten. Unterwegs machten wir noch einen kurzen Zwischenstopp am Bahnhof, um Franken abzuheben (durch irgendein kommunikatives Missverständnis verloren wir den Schwager, er fand dann aber allein zum Hiltl).
Das Hiltl (mit Ableger Tibits): Wir waren schon mehrfach da, mit Bruder und ohne, in Zürich, Basel und London (das Londoner Tibits hat jetzt leider geschlossen). Immer sehr gutes Essen und eine riesige Auswahl – ungefähr ein Drittel vegetarisch, zwei Drittel vegan. Sehr sorgfältig wurden am Eingang Ausweise und Impfnachweise kontrolliert (die EU-Zertifikate gehen in der Schweiz problemlos, und umgekehrt erkennt auch die CovPassCheck-App die Schweizer Zertifikate).
Im Hiltl waren wir eine gute Stunde: Zuerst Anstoßen mit Prosecco, dann marschierte jeder ans Buffet. Ich holte mir zweimal (in der ersten Runde Basmatireis und Currys: Auberginen-Katsu, Tofu Paneer, Chana Dal, Kichererbsendal, in der zweiten Runde Tofu-Eiersalat, Züri-Geschnetzeltes (what else), Dinkel-Knöpfle, karamellisierter Rosenkohl, frittierte Zwiebelringe), dazu (für alle am Tisch) eine Flasche spanischen Weißwein. Am Ende war ich absolut pappsatt und sehr zufrieden.
Auf dem Rückweg mäanderten wir ziemlich durch die Stadt: Zuerst machten wir einen Bogen, weil wir einen Blick auf den Zürichsee werfen wollten, dann gingen wir in die theologische Fakultät, wo der Bruder gerade sein Rentiers-Dasein mit einem Theologie-Studium verbringt, und schauten uns schließlich die Fenster mit geschnittenen Halbedelsteinen im Grossmünster an. Gegen drei waren wir zurück in der Wohnung zu Kaffee, Mohnquarkstriezel (unser zweiter), Birnenkompott, Orangen und Datteln, dazu vegane Sahne. Alles sehr lecker.
Den restlichen Nachmittag verbrachten wir mit Quatschen über alles Mögliche (Filme, Urlaub, Corona, Reisen, Erinnerungen, Corona, Politik, Ausbildung, Corona). Während des ganzen Tags war die Leerstelle der Runde sehr präsent, zumindest empfand ich das so: Leider war die Familie nicht komplett zusammen, Impfgegner-Geschwurbel sei Dank. Das war schon ein ziemlich großer Wermutstropfen. Aber trotzdem alles sehr schön und ich merkte, wie extrem nötig so ein Familientreffen war.
Gegen fünf begann ich sehr müde zu werden, es wurde dann aber erst halb sieben, bis wir wieder zurückfuhren. Der Liebste fuhr wieder – normalerweise hätte ich übernommen, aber ich fühlte mich einfach zu kaputt. Über Sean waren wir froh, auch wenn die Karten auf dem Navi vor allem innerhalb von Zürich nicht mehr ganz aktuell sind und wir deshalb zusätzlich nach Schildern fahren mussten (erst war Winterthur ausgeschrieben, dann Schaffhausen, schließlich Kreuzlingen). Das Wetter wurde wieder schlechter, die ganze Fahrt verdarb uns ein sehr unangenehmer Nieselregen die Sicht, man konnte nur langsam fahren. Trotzdem waren wir um halb acht wieder zurück in Konstanz. Schwager und Schwester brachten noch den ältesten Neffen zurück in seine WG und kamen kurz nach uns.
Der restliche Abend war ziemlich ruhig: Wir aßen ein kleines Abendessen (die restliche Kokos-Gemüsepfanne und noch etwas Mohnstriezel), ich las den neuesten Asterix-Band (Asterix und der Greif, geliehen vom Schwager, nicht so überragend, ohne Goscinny und Uderzo ist das halt nix), wir quatschten noch ein bisschen. Wir waren alle nach dem langen Tag mit vielen Eindrücken ziemlich müde und verschwanden mehr oder weniger gleichzeitig gegen zehn ins Bett.