Andere laufen lassen – Sonntag 4.12.2022

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Der Kater schlief den größten Teil der Nacht bei uns, was ich herzzereißend niedlich fand, vor allem da er sich entschied, beim Liebsten auf der Bettdecke zu schlafen und nicht bei mir. Insgesamt eher unruhige Nacht, irgendwann wachte ich auf, weil es draußen „dämmerte“ (es war halb sechs), um zwanzig vor sieben standen wir dann endgültig auf. Da war auch der Lichtwecker schon angegangen: Der Liebste hatte einen frühen Termin.
Da ich beim Einkaufen nicht gewusst hatte, dass er früh wegmusste, hatte ich Pilze gekauft, die jetzt eben auch wegmussten – also brieten wir sie leicht hektisch an, zusammen mit Toast (das Backmischungs-Brot ist wirklich gut und so, aber so riesig, dass die Scheiben nicht in den Toaster passen, nur mit etwas Quetschen). Dann packte der Liebste seine Sachen und machte sich um halb acht auf den Weg: In der Stadt fand heute ein Halbmarathon statt (genauer gesagt am Stadtrand) und der Liebste half für den Sportverein beim Glühweinverkaufen mit. Draußen ein Grad plus, feucht, Hochnebel, also wirklich überhaupt kein Wetter, wo man draußen sein wollte. Immerhin trieb das die Leute zum Glühweintrinken (und Punsch und Kaffee und so, es gab auch Sachen ohne Alkohol).

Ich blieb noch etwas im Wohnzimmer mit einer zweiten Tasse Tee, warf einen Blick in die Zeitung, las mich ein bisschen durchs Internet. Schließlich Dusche und dann in die Küche: Ich holte zwei am Vortag gekaufte Dinkelciabatta-Brötchen aus der Packung (was haben die Leute immer nur mit Dinkel, das ist das reinste Verkaufsargument auf der Verpackung geworden, dabei kann ich beim besten Willen keinen Unterschied zwischen Dinkel und Weizen schmecken und die Nährstoffe sind auch vergleichbar, was ist das für ein komischer Trend), steckte sie für sechs Minuten zum Aufbacken in den aufgeheizten Ofen und briet dann zwei Pfeffer-Seitansteaks in der Pfanne an („Virginiasteaks“ von Wheaty, gutes Produkt). Das Ganze ergab zwei Schnitzelwecken, die ich in Bäckertüten packte (sehr fettige Angelegenheit) und zusätzlich noch in Lunchboxen.
Danach warm anziehen: Es war wie gesagt kalt und feucht draußen. Unter die normale Jeans kam eine Ski-Unterhose, oben Unterhemd, T-Shirt und Fleece. Und darüber der lange Wintermantel, denn mit stundenlangem Herumstehen wäre die neue Übergangsjacke dann doch überfordert gewesen (und es ging ja schon in die winterliche Richtung). An die Füße wattierte Laufsocken und Wanderstiefel, dazu Mütze, Handschuhe, Schal, und so fühlte ich mich einigermaßen gewappnet gegen die Kälte.

Mittlerweile war es elf und ich ging zum Bus (zum Mittagessen war es zwar etwas früh, aber ich wollte noch ein bisschen was vom Marathon sehen). Üblicher Ärger mit der Bahnhofsbaustelle, es war überhaupt nicht ersichtlich, wo die Busse in die Nordstadt abfuhren, ich ging am Ende zur Neckarbrücke und stieg dort in den nächsten Bus. Das Ticket kaufte ich mir mit Münzen an einem der stationären Automaten, denn, man mag es nicht glauben, an Zahlmöglichkeiten gibt es nur Münzzahlung oder Kartenzahlung. Ich hatte schon mal nachgeschaut, suchte aber noch einmal, weil ich es einfach nicht glauben konnte: Ich fand keine Möglichkeit, ein Stadtbusticket per Handy zu kaufen. (Nachtrag: Nach langem Suchen fand ich die Möglichkeit schließlich doch. Die Naldo-App ist so unfassbar schlecht programmiert, dass man diese spezielle Ticketoption nicht unter den normalen Tickets findet, sondern irgendwo in den Tiefen des Suchprogramms.)
Auf jeden Fall fuhr der Vierer, ich konnte als Bus-Vielfahrerin, haha, noch zwei Leuten Auskunft geben (ja, man kann auch Tickets im Bus kaufen und ja, der Vierer ist richtig, wenn man zum Lauf will), und eine Viertelstunde später war ich oben in der Nordstadt und direkt am Rand der Laufstrecke.

Vom Liebsten wurde ich wie jedes Mal mit „es ist eigentlich schon fast alles vorbei“ begrüßt – stimmte aber nicht, sie waren zwar bei der zweiten Runde und klar, der Schnellste beim Halbmarathon war schon im Ziel (er war wohl gerade eingelaufen, als ich unten in den Bus stieg), aber es kamen noch jede Menge und die ganze Laufatmosphäre bekam man noch ordentlich mit: Erschöpfte, aber glückliche Läufer:innen (der Stand des Liebsten war 500 Meter vom Ziel entfernt, also gerade zu Beginn der Zielgeraden), anfeuernde Zuschauende, die Uni-Bigband (in kleiner Besetzung) spielte und alle waren gut gelaunt. Inklusive dem Liebsten, dem die frische Luft wohl ganz gut tat.

Ich nahm mir einen Becher Kaffee (eine Frau aus dem Verein hatte Hafermilch besorgt, sehr gut) und schaute dem Lauf ein bisschen zu. Aus der Firma liefen einige mit, ich sah die T-Shirts, kannte aber niemanden. (Der Chef nahm seit Jahren das erste Mal nicht teil: noch nicht wieder fit nach seiner Covid-Infektion Ende September.) Gegen zwölf dann Mittagessen: Die Schnitzelwecken waren sogar noch warm und ausgesprochen lecker (nicht gerade Clean Eating, aber nun gut). Kurz darauf fing es zu regnen an und ich stellte mich zum Liebsten unter den Stand. Furchtbar viele Leute kamen nicht, aber es wurde doch ein bisschen Glühwein verkauft (aber mehr Kinderpunsch und Kaffee), sodass es schon okay war, und außerdem der eine oder andere Hotdog.

Gegen halb eins neigte sich die Veranstaltung so langsam dem Ende zu: Der größte Teil der Laufenden war durch, es kamen nur noch die Nachzügler, sodass die Zuschauenden allmählich wegtröpfelten. Die Uni-Bigband spielte ein letztes Stück und packte dann ein, und kurz darauf packten wir auch zusammen. („Wir“, weil ich zwar kein Vereinsmitglied bin, aber natürlich trotzdem mithalf, irgendwie mitgefangen mitgehangen oder so). Bisschen schade eigentlich für die langsamen Läufer:innen, weil die sich den letzten halben Kilometer ohne Unterstützung durchquälen mussten, und gerade sie hätten es wahrscheinlich am nötigsten gehabt. (Naja, die Streckenposten halfen schon noch ein bisschen mit, bei den allerletzten zwei Leuten trabten sie dann sogar nebenher.) Um halb zwei waren wir fertig, ich stieg mit dem Liebsten in den Lieferwagen und fuhr zum Vereinsheim, wir luden alles aus und waren um zwei dann endgültig fertig und konnten heim.

Trotz warmer Kleidung war mir am Ende doch ein bisschen kalt und ich war froh, in die warme Wohnung zu kommen. Naja, „warm“. Es war natürlich die Heizung aus und hatte lauschige 17 Grad in allen Zimmern, aber ich machte ein paar Kerzen an (das hilft immer erstaunlich viel) und die Heizung heizte auf 18,5 Grad, woran man sich ja schon richtig gewöhnt hat.
Den Rest des Tages blieben wir auf jeden Fall drinnen. Eigentlich wäre der Sonntag ja mein Lauf-Tag gewesen, aber ich hatte genug gefroren und wollte nicht mehr ins ungemütliche Wetter. Etwas ironisch, nachdem ich den Vormittag über anderen Leuten beim Laufen zugeschaut hatte, jetzt selber nicht laufen zu gehen, aber oh well. Ich kriegte mich auf jeden Fall beschäftigt: Zunächst bestellte ich (dringend notwendig, wir waren furchtbar spät dran, es war schon der zweite Advent, liebe Güte) die Weihnachtskarten, die wir jedes Jahr verschickten, eine kleine Bilderkollektion hatte ich schon am Morgen rausgesucht (recht viele Pärchenbilder dieses Jahr, wir hatten offensichtlich ein bisschen was gemacht). Dann trockene Wäsche von der Leine, Schmutzwäsche zum Sortieren, zwei Maschinen ließ ich durchlaufen. Dann der Wochenplan für die kommende Woche, und damit war es schon halb sechs und der Liebste startete mit dem Kochen (ich stand ein bisschen im Weg herum).

Zum Abendessen gab es klassische Linsen, allerdings ohne Räuchertofu und mit Spirelli statt Spätzle (wir hatten keine Lust zum Selbermachen). Dazu die restlichen Brötchen, wir hatten noch ein paar vom Stand mitgenommen, als Nachtisch ein paar Dominosteine, und ich schenkte mir ein Glas Grünen Veltliner ein. Wir schauten ein bisschen Blaulichtporno, bis ich gegen acht (!) so unglaublich müde wurde, dass ich kaum die Augen offen halten konnte. Ich hielt noch ein bisschen durch, aber um kurz vor neun ging ich nach oben, las noch zwei Seiten und schlief dann mehr oder weniger ein wie gefällt.